Kinderstimmen – leise. Was sagen sie? Können wir diese überhaupt hören – richtig hören? Diese Fragestellung untersucht die Schauspielerin und Regisseurin Marianne Thies in ihrem Audiowalk Hear – I am. In der Zeit vom 29. September bis 8. Oktober können Besucher:innen Cassandra, die Prinzessin Trojas, auf einer Reise begleiten. Die Figur, die ihren Ursprung in der griechischen Mythologie hat, ist die Verkörperung der Kommunikationsstörung. Cassandra hatte Einblick in Zukunft und Vergangenheit und litt darunter, dass ihre Visionen kein Gehör fanden. Ihr Schicksal steht sinnbildlich für die Unfähigkeit unserer Gesellschaft zuzuhören – auf Kosten unserer Kinder und Jugendlichen.
Abb. oben: HearIam_Bild1
Obwohl es während des Lockdowns so still auf den Straßen Berlins war – war es doch zeitgleich auch so laut: Die Panik schrie aus den Social-Media-Mündern und Meinungen gab es viele – von denen, die Meinungen machen und im Sinne der Bevölkerung handeln. Wer ist die Bevölkerung – das fragte sich auch Marianne Thies und schaute dabei nicht nur einmal auf das Gesicht ihrer Tochter, die sie noch nie zuvor so traurig gesehen hatte. “Während der Pandemie war unsere Kommunikation gestört, besonders die jüngsten Mitglieder der Gesellschaft wurden nicht gehört. Doch was sind die Visionen der Ungehörten, der Kinder und Jugendlichen von heute? Wie sieht die postpandemische Zukunft aus? Man muss hören, damit man handeln kann. Das Zuhören ist eine aktive Handlung, die mitunter erst andere Handlungen ermöglicht. Erst, wenn ich Ängste, Nöte und Wünsche meines Gegenübers kenne, kann ich mich zu ihnen verhalten”, so Marianne Thies.
Für ihr Projekt Hear – I am hat sie nun mit über 50 Kindern und Jugendlichen gesprochen und ihnen vor allem zugehört. Die Aussagen sind traurig und teils erschreckend – sie sind aber vor allem Anlass nachzudenken und geben uns Erwachsenen die Möglichkeit, zu verstehen, um letztlich auch nachhaltig aktiv zu werden:
„Ich will nicht verstanden werden, ich will, dass die, die die Möglichkeit haben, etwas zu verändern“, so eine Jugendliche zu Marianne Thies, deren Name, wie alle anderen Namen und Stimmen, anonym bleiben.
Bei Hear – I am wird durch das gemeinsame Gehen auch das Zuhören zu einer gemeinschaftlichen Erfahrung. Dabei nehmen die Gehenden mal die Perspektive des Chores, mal die der Protagonist:innen ein. Eine Erfahrung zwischen Nähe und Distanz, Einsamkeit und Zugehörigkeit, die dazu einlädt, den leisen Stimmen der Pandemie zu lauschen, eigene Pandemie- Erfahrungen zu reflektieren und Visionen zu teilen. “Hear- I am “ ist ein spielerisches Plädoyer für das Zuhören. Ein Schritt zurück- oder vorwärts- in die Autonomie.
“Schön, dass Du da bist. Schön, dass wir gemeinsam da sind. Schön, dass Du Dir die Zeit nimmst. Zuzuhören.” – Zitat aus Hear – I am – Cassandra
“Man weiß dann gar nicht mehr, was man so richtig machen soll. Ein Tag da, ein Tag da,ein paar Eltern sagen man soll das machen, aber die Lehrerin sagt, man soll das machen und dann weiß man gar nicht, was man machen soll. Und dann verkriecht man sich in sein Zimmer und denkt. “Oh Gott, mein Kopf explodiert.” – anonyme Stimme aus Befragung für Hear – I am
“Ich brauch halt auch vielleicht mehr Freunde zu sehen. Und in Corona brauch man auch mehr Ruhe vor seinen Eltern oder Geschwistern. Ich brauch Auszeit von meinen Eltern. Ja das brauch ich: halt mal Freizeit von meiner Familie.” – anonyme Stimme aus Befragung für Hear – I am
Kurzbiographien
Marianne Thies (Konzept, Regie)
Marianne Thies studierte von 2005-2009 Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Nach Festengagements in Detmold und Paderborn arbeitet sie seit 2013 als freischaffende Schauspielerin. Stationen waren u.a. Heimathafen Neukölln, neue Bühne Senftenberg, Burgfestspiele Bad Vilbel, Theater der Jugend Wien. 2015-2016 absolvierte Marianne Thies die Weiterbildung „Lernkünste“ – eine spartenübergreifende Weiterbildung für Kunst- und Kulturschaffende mit biografischem und partizipativem Ansatz an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Seit 2016 arbeitet Marianne Thies auch als Dozentin für Schauspiel u.a. für ACT e.V., Schauspielschule Goldoni, SpielDich e.V.. 2018 konzipierte und realisierte sie das interaktive Theaterstück „Virolution“ in Zusammenarbeit mit Charlotte Alten. Mit Simon Köslich, Florian und Mareike Hein entwickelte sie 2019 gemeinsam den dokumentarischen Sprechchor „Benno Ohnesorg- ein Chor erinnert“. Seit 2020 absolviert Marianne Thies den weiterbildenden Masterstudiengang „Kultur- und Medienmanagement“ im Fernstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.
Second Side (Sounddesign, Tonschnitt)
Second Side wurde 2014 von den Berliner Musikproduzenten Sebastian Döller und Fabian Fehrs gegründet. Second Side produziert einen aufregenden Psytrance, jeder Track erzählt eine Geschichte. Das Duo spielte auf u.a.Festivals in Dänemark, den Niederlanden, Polen, der Schweiz und Deutschland. Neben der Produktion eigener Musik vertonte Second Side mehrere Imagefilme, war verantwortlich für Tonschnitt und Sounddesign der Dokumentarfilms„Elektropolis“ von Anna Maria Schneider und und schuf 2018 die Klangkulisse für die Theaterperformance „Virolution“.
WANN?
Do 29.09.22 – 18:00 Uhr – Premiere
Fr 30.09.22 – 18:00 Uhr
Fr 07.10.22 – 18:00 Uhr
Sa 08.10.22 – 18:00 Uhr
KOSTET?
10€, erm. 6€, zzgl. VVK-Gebühr – hier entlang // Abendkasse: 60 Minuten vor Beginn