Mit WHAAM! Action and consequences. präsentiert CSR.ART Contemporary Show Room zum Finale des Jahres eine Gruppenausstellung mit Pop Art von Roy Lichtenstein und Andy Warhol über BANKSY bis in die Gegenwart. WHAAM! eröffnet am Mittwoch, 13. Dezember 2023 mit einer Vernissage und Christmas Pop Party (die ersten 100 Glühwein gibt’s gratis) ab 18 Uhr im CSR.ART, Friedrichstraße 69 in Berlin-Mitte.
Abb. oben: Roy Lichtenstein, WHAAM!, 1963, Offsetlithografie auf Papier (linke Tafel aus einem Diptychon), 63 x 74 cm.
Pop Art macht gute Laune und feiert das Leben – in allen Spielarten von Banal bis Transzendental. Pop Art reicht von Super Slick bis Very Dirty, von Beautiful bis Ugly, von Good bis Bad. Wie Andy Warhol sagte: „Wenn du alles über Andy Warhol wissen möchtest, betrachte nur meine Oberfläche, die meiner Gemälde und Filme, und da bin ich. Nichts ist dahinter.” Die Oberfläche hat alle Informationen.
Trotzdem kann Pop Art tiefgründig sein, sogar politisch. John Heartfields Collagen gegen die Nazis zielten auf weite Verbreitung und klare Messages ab. Deshalb markiert er den Anfangspunkt der Show, sowie Richard Hamilton, nach dessen Werk „Just what is it that makes today’s home so different, so appealing“ die Pop Art ihren Namen trägt.
1970 wendete sich Hamilton auch kurzzeitig dem Agit Prop zu: sein Werk „Kent State“ ist Agit Prop vom Feinsten. Ein Foto eines erschossenen Studenten an der Kent-State-Universität in 5000er Auflage sollte weltweit in möglichst jeder linken WG hängen. Der 8-Farb-Siebdruck brachte die damalige Druckerei an die Grenzen des Machbaren. 3000 Exemplare wurden bei einem Wasserschaden zerstört oder beschädigt. In WHAAM! wird die fast makellose Nummer 761 der Auflage präsentiert. Später halfen Joseph Beuys‘ Plakat von 1979/80 den GRÜNEN und Klaus Staecks Plakat von 1990 der SPD im Wahlkampf.
Ein anderer Zweig der Pop Art fordert aber auch unsere Sehgewohnheiten heraus und erweitert die Definition dessen, was guter Geschmack und gute Kunst ist. In der Sektion „Bad but Good Art“ gehen Richard Lindner, Claes Oldenburg, Paul Wunderlich, Mark Kostabi (Kunstkritiker Donald Kuspit schrieb im Artforum über ihn: “Seine Bilder sind so schlecht, dass sie sogar den Namen der schlechten Malerei untergraben.“) und Milan Kunc (zu dem sein Lehrer Joseph Beuys einst sagte: „Deine Kunst ist so schlecht, die gehört verboten.“) an die Schmerzgrenze unseres ästhetischen Empfindens. Bernard Buffet wurde schon in den 50er Jahren als Kitschkünstler abgesnobt. Heute wird er überall wiederentdeckt und erzielt hohe Preise.
Die in West-Deutschland in der Nachkriegskunst lange tonangebende Clique von Künstler*innen und Galeristen, die eine Melange aus Minimalismus, Filz, Fett, Nägeln, Blut und Boden propagierten, hat lange Zeit erfolgreich maskiert, dass es auch in Deutschland der 60er und 70er Jahre eine bunte und lebensfrohe Strömung intelligenter Pop Art gab. Die Namen reichen von Werner Berges, Fritz Köthe über Werner Nöfer bis hin zu Uwe Lausen, der schon 1968 Francis Bacon in psychedelischen Farben nachempfand, und Sigmar Polke, dessen Arbeiten immer einen Tongue-in-Cheek-Humor in sich trugen, wie etwa Polkes original Schornsteinfeger-Zeichnung. Auch Katharina Sieverding reiht sich in diese Reihe ein und tritt in einen überraschenden Dialog mit zwei Arbeiten von Hans Ticha, dem einzigen berühmten Pop Art Künstler der ehemaligen DDR, der heute überhaupt erst von Sammlerinnen und Sammlern entdeckt wird.
In Zeiten gesellschaftlichen Wandels wie Anfang der Siebziger (und heute auch?) nähern sich Kunst und Big Business an: Gunter Fruhtrunks ALDI-Tüte und Anton Stankowskis Logo für die Deutsche Bank sind Schlüsselsymbole dafür und dürfen deshalb in der Ausstellung WHAAM! nicht fehlen.
Pop Art war schon immer Outsider Art, indem sie gegen das Kunstverständnis der Akademien und des Bildungsbürgertums rebellierte. Sie kommt von den Rändern, von Außerhalb, oft buchstäblich von der Straße. Banksy ist das bekannteste Beispiel eines Künstlers, der die ganze Distanz vom Agit Prop Straßenkünstler zum Auktionsliebling mit sechs- bis siebenstelligen Preisen zurückgelegt hat und sich dennoch treu geblieben ist (auch wenn wir immer noch nicht wissen, wer sich hinter dem Street Name verbirgt). Die Street Art Sektion der Ausstellung umfasst Werke von KAWS, Keith Haring, Banksy, H5N1 Death Squad, Shepard Fairy (bekannt durch sein Obama-Poster „Hope“) und Thomas Baumgärtel, bekannt als der Bananen-Sprüher der Kunstszene. Auch der in den Berliner Straßen omnipräsente André Boitard, der gerade das Jubiläumscover der Ausgabe des Playboy zum 50-jährigen Jubiläum gemacht hat, ist in der Ausstellung mit dabei, sowie El Bocho, den man von Friedrichshainer Kneipenfassaden kennt.
Natürlich ist auch die internationale Elite der Pop Art ausgiebig vertreten: Von Mel Ramos bis Takashi Murakami, von Damien Hirst bis Roy Lichtenstein. Und natürlich Andy Warhol (1928-1987). Er revolutionierte die Kunstszene durch seine einzigartige Herangehensweise an Kunstproduktion und Konsumkultur. Warhol war ein führender Vertreter der Pop Art-Bewegung, die in den 1950er und 1960er Jahren aufkam. Seine Kunstwerke, darunter berühmte Werke wie die Campbell’s Soup Cans und die Marilyn Monroe-Serien, reflektieren die Massenproduktion, Werbung und Konsumkultur seiner Zeit. Warhol nutzte innovative Techniken wie Siebdruck, um Kunst zugänglicher und reproduzierbar zu machen. Neben den obligatorischen Marilyns gibt es in der Ausstellung WHAAM! Exponate, die man in keinem Postershop findet: Ein original Siebdruck-Sieb des Marilyn-Motivs, eine original signierte Brillo-Box und eine Originalarbeit von Horst Weber, der fünf Jahre lang Andy Warhols Assistent war.
Ein ebenso bedeutender Künstler der Pop Art war Roy Lichtenstein (1923-1997). Er wurde bekannt für seine Verwendung von Comic-Bildern und Techniken in seinen Gemälden. Lichtensteins Werke, wie beispielsweise das Diptychon „Whaam!“, brachten die visuelle Sprache der Comics in die High-Art-Szene. Im Herbst 1961 legte Lichtenstein diese neuartig gestalteten Bilder dem New Yorker Galeristen Leo Castelli vor. Der nahm sie sofort für seine Galerie an. Ein paar Wochen danach tauchte in der gleichen Galerie auch Andy Warhol mit Comicbildern auf, welche Castelli allerdings ablehnte. Als Andy Warhol die Bilder von Roy Lichtenstein sah, wandte er sich vom Sujet des Comics ab. Er hatte diese Nische als besetzt erkannt und verlegte sich auf die künstlerische Darstellung von Quantitäten und Wiederholungen, mit denen er weltbekannt wurde.
Damit die Ausstellung nicht zu museal wird, schlägt sie überall Brücken zur Berliner Street-, Club- und Pop Art von den 90er Jahren bis heute. Die Arbeiten von Galya Feierman, DAG, Paul Waak, Betty Stürmer, Guthrie McDonald, Menno Aden, Undenk und Holm Friebe, aus dessen Sammlung von Foerster zahlreiche Arbeiten der Sektion Berlin-Pop Art stammen, treten in Dialog mit den Ikonen und stellen immer wieder überraschende Bezüge her.
BANKSY (1973 oder 1974), obwohl zeitlich später als Warhol und Lichtenstein, übt in der heutigen Zeit einen erheblichen Einfluss auf die Kunstszene aus. Bekannt für seine politisch engagierten Street-Art-Werke, bleibt “Banksy” anonym und nutzt die Straße als Galerie für sozialkritische Botschaften. Seine Werke sind oft provokativ und regen zum Nachdenken über gesellschaftliche Themen an. Im Jahr 2002 gestaltete Banksy im Osten Londons mit Schablonen ein Mädchen als schwarzen Schattenriss, das einen roten, herzförmigen Luftballon davonfliegen lässt. Die Wandmalerei mit dem Titel “Balloon Girl” wurde aus der Fassade eines Geschäftslokals herausgetrennt und erzielte bei einer Versteigerung im gerahmten Zustand einen Betrag von 500.000 Pfund (ungefähr 560.000 EUR). Im Juli 2017 wurde das Bild bei einer Umfrage unter 2000 Teilnehmern für Samsung TV zum Lieblingsbild der Briten gewählt. Banksy hat sein Graffito “Girl with Balloon” aus dem Jahr 2002 in verschiedenen Varianten als Wandmalerei kopiert oder variiert. Das “Girl with Balloon” hat sich fest im kollektiven Gedächtnis der Kunstwelt verankert und behält auch durch verschiedene Verfremdungen einen hohen Wiedererkennungswert.
Auch die deutsche Pop-Art-Szene hatte ihre Vertreter, obwohl sie möglicherweise nicht so prominent waren wie ihre amerikanischen Kollegen. Künstler wie Sigmar Polke, Gerhard Richter und Konrad Lueg waren Teil der deutschen Pop-Art-Bewegung. Polke und Richter experimentierten mit verschiedenen Techniken und Stilen, während Lueg nicht nur als Maler, sondern auch als Galerist unter seinem Geburtsnamen Konrad Fischer aktiv war. Konrad Lueg und Gerhard Richter organisierten 1963 die Ausstellung „Leben mit Pop – Eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“, die als Ausgangspunkt für die spätere Verwendung des Begriffs „Kapitalistischer Realismus“ durch den Kunstkritiker René Block diente.
Brandaktuell sind die Arbeiten von Kennet Lekko, dem wie Mark Kostabi aus Estland stammenden Neu-Berliner, dessen ironisch-sarkastische Arbeiten an Keith Haring und Basquiat erinnern. Wolfgang Müller, Hoosen, Lukasz Furs, der gerade verstorbene Pietro Sanguineti. Jurgen Ostarhilds Super-Close-Portrait von Martin Kippenberger aus den 90ern korrespondiert mit einem original Kippenberger Offset-Druck aus den 80ern. Und Charlie Stein, deren Großformat mit dem Motiv einer rennwagenfahrenden Roboterin ein zentrales Piece der Ausstellung bildet. Ihre fünfzig kleinformatigen Polaroids für je 40 EUR sind für jeden Besucher der Ausstellung erschwinglich und machen noch einmal den Punkt, das Pop Art in all ihren Facetten immer zutiefst demokratisch war, auch wenn sie längst in den großen Museen angekommen ist.
Künstler*innen WHAAM! Action and Consequences
Mit u. a. Andy Warhol, Roy Lichtenstein, BANKSY, Keith Haring, KAWS, Sigmar Polke, Andy Denzler, Charlie Stein, Kennet Lekko, Toby Molitor, Uwe Lausen, Werner Berges, Bernard Buffet, Claes Oldenburg, Shepard Fairey, Takashi Murakami, Damien Hirst, Rudolf Hausner, Betty Stürmer, Xianwei Zhu und dem Manifest SCUM von Valerie Solanas.
Kontrastiert wird die Ausstellung WHAAM! Action and Consequences. durch die radikalfeministische Position der 1988 verstorbenen US-amerikanischen Feministin, Autorin und Aktivistin Valerie Solanas, die vor allem durch ihr Manifest “SCUM (Society for Cutting Up Men)” bekannt wurde. SCUM wurde 1967 durch den Verleger Maurice Girodias veröffentlicht. Das Manifest propagierte die Abschaffung der männlichen Geschlechterrolle und sah sogar die physische Beseitigung von Männern vor. Die Positionierung von Solanas’ SCUM-Manifest in der Ausstellung WHAAM! reflektiert die tatsächliche Kontroverse und den realen Einfluss ihres Handelns. Im Juni 1968 versuchte sie, den Künstler Andy Warhol in seinem Studio zu ermorden. Als Grund wird angenommen, dass Solanas sich von Warhol und seiner Factory abgewiesen fühlte. Sie war der Ansicht, dass Warhol ihr Drehbuch veröffentlichen und ihre künstlerische Karriere fördern sollte. Als Warhol dies ablehnte, entwickelte sich möglicherweise ein Gefühl der Frustration und Ablehnung, das schließlich zu ihrem gewalttätigen Akt führte. »Es geschieht nicht oft, dass ich jemanden erschieße«, sagte sie in der Verhandlung und: »Lest mein Manifest, das erklärt euch, wer ich bin.« Die Einbindung des SCUM-Manifests in die Pop-Art-Ausstellung spiegelt die zeitgenössische Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und patriarchalen Strukturen wider, und die Pop-Art selbst neigte dazu, gesellschaftliche Tabus und Normen herauszufordern. In diesem Kontext wird die Präsentation von Solanas’ Werk als künstlerischer Ausdruck einer rebellischen Haltung betrachtet.
Text: Holm Friebe, Stephanie Schneider
WANN?
Vernissage + Christmas Pop Party
Mittwoch, 13.12.2023, 18 – 22 Uhr
Die ersten 100 Glühwein gibt’s gratis.
Ausstellungsdaten
Mittwoch, 13.12.2023 bis Mittwoch, 10.01.2024
geöffnet Di-Sa 11:00 – 19:00 Uhr
WO?
CSR.ART
Contemporary Show Room
Friedrichstraße 69
10117 Berlin-Mitte