Am 20. Juni 2025 eröffnete die National Portrait Gallery in London die Ausstellung Jenny Saville: The Anatomy of Painting, die größte Museumsausstellung im Vereinigten Königreich, die dem Werk einer der bedeutendsten zeitgenössischen Malerinnen gewidmet ist. Die Ausstellung vereint 45 Werke, die im Laufe ihrer bisherigen Karriere entstanden sind. Sie ist in groben Zügen chronologisch aufgebaut und zeichnet die Entwicklung von Savilles künstlerischer Praxis von den 1990er-Jahren bis heute nach.
Abb. oben: Reverse © Jenny Saville. All rights reserved, DACS 2025. Courtesy Gagosian.
Mit zentralen Arbeiten – von monumentalen Ölgemälden bis hin zu kleinformatigen Kohlezeichnungen – offenbart die Schau die Erfindungskraft von Savilles Schaffen. Kuratiert wurde sie von Sarah Howgate, Senior Curator of Contemporary Collections an der National Portrait Gallery, in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin. Die Ausstellung widmet sich ihrer tiefen Leidenschaft für den Malprozess.
Saville erlangte in den 1990er-Jahren große Aufmerksamkeit durch ihre vielbeachtete Abschlussausstellung an der Glasgow School of Art. Seitdem spielt sie eine führende Rolle bei der Wiederbelebung der figurativen Malerei und lotet kontinuierlich deren Grenzen aus, während sie gleichzeitig Verbindungen zu ihrer Geschichte und ihren Traditionen aufrechterhält. Ihre Werke zeigen ein tiefes Bewusstsein für die Kunstgeschichte und dafür, wie der menschliche Körper im Laufe der Zeit und in verschiedenen Kulturen dargestellt wurde.

Savilles frühe figurative Darstellungen fesselten durch ihre eindringliche Wiedergabe von Köpfen und Körpern. Die Ausstellung in der National Portrait Gallery vereint einige der Gemälde, die sie noch während ihrer Zeit an der Glasgow School of Art geschaffen hat – darunter das bedeutende Werk Propped (1992), das zu den bahnbrechenden Arbeiten gehört, mit denen sie ins Rampenlicht trat. Das Selbstporträt zeigt die Künstlerin auf einem Hocker sitzend, mit übereinandergeschlagenen Beinen, die Hände graben sich in das Fleisch ihrer Oberschenkel. Die kühne und intensive Ästhetik dieses Bildes ist wegweisend für ihr späteres Werk.
Obwohl Saville stark von alten und modernen Meistern wie Rembrandt, Francis Bacon und Lucian Freud beeinflusst ist, faszinieren sie auch abstrakte Künstler wie Willem de Kooning und Cy Twombly. Ihr Werk erkundet unterschiedliche Wege zur Rekonstruktion von Realität und führte sie zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit der abstrakten Malerei. Ihre intensive Beschäftigung mit de Koonings Werk in den frühen 2000er-Jahren war entscheidend für ihre künstlerische Entwicklung und inspirierte sie dazu, dessen modernistische Abstraktion in ihre eigene figurative Malerei zu integrieren. De Kooning hatte eine ganz eigene Art, „Fleischlichkeit“ darzustellen, und sagte einst: „Fleisch ist der Grund, warum die Ölmalerei erfunden wurde.“

Saville zeigt ein tiefes Interesse an Fleisch und Anatomie. Sie studierte medizinische Illustrationen und beobachtete plastische Chirurgen bei der Arbeit – auf der Suche nach Wegen, wie menschliches Fleisch rekonstruiert, transformiert und neu konfiguriert werden kann. Ihre eindringlichen Gemälde bringen diese Faszination zum Ausdruck. Über das Beobachten von plastischer Chirurgie sagte sie:
„Wenn man einem Chirurgen zusieht, merkt man, wie geschichtet Fleisch ist… Ich begann darüber nachzudenken, nicht nur über die Anatomie des Körpers, sondern über die Anatomie der Malerei: das Schichten, das Tempo und den Rhythmus der gemalten Oberfläche, die Viskosität der Farbe.“
Neben ihren gemalten Formen umfasst Jenny Saville: The Anatomy of Painting in der National Portrait Gallery auch eine Reihe von Zeichnungen, die sich hauptsächlich mit den Themen Schwangerschaft und Mutterschaft befassen. Savilles Arbeiten in Kohle, Pastell und Bleistift sind intim und beinahe skulptural und lassen sich von großen Meistern der Renaissance wie Michelangelo inspirieren. Die Zeichnung bleibt für Saville ein bedeutendes Medium – ein Raum für künstlerisches Experimentieren.
Den Abschluss der Ausstellung bildet Savilles neueste Serie von „Porträts“, die eine Weiterentwicklung ihrer Darstellung von Fleisch zeigen. Während ihr unverwechselbarer figurativer Stil erhalten bleibt, bewegen sich diese Arbeiten zwischen Figuration und Abstraktion. In gesättigten Farbtönen gehalten, knüpfen sie laut Saville Verbindungen zwischen dem Physischen und dem Virtuellen in unserer heutigen Zeit.
„Diese Ausstellung vereint die Gemälde, die ich über vierzig Jahre hinweg geschaffen habe. Ich danke der National Portrait Gallery, dem Modern in Fort Worth und den Sammler:innen, die ihre Werke zur Verfügung gestellt haben, von ganzem Herzen. Ein besonderer Dank gilt Gagosian für die Unterstützung und Ermutigung über all die Jahre – und meiner Familie, die mein Leben mit Freude erfüllt.“
– Jenny Saville, Künstlerin
„Jenny Saville ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen unserer Zeit. Diese Ausstellung zeichnet eine spannende Reise nach – von den frühen monumentalen Gemälden, die ich noch aus ihrer Ausstellung ‘Young British Artists III’ 1994 in der Saatchi Gallery kenne, bis zu ihren aktuellen ‘Porträts’ für das 21. Jahrhundert. Zwischen Figuration und Abstraktion balancierend, feiert die Ausstellung die Malerei selbst. Es war ein Privileg, mit Jenny Saville an The Anatomy of Painting zusammenzuarbeiten.“
– Sarah Howgate, Kuratorin der Ausstellung und Senior Curator Contemporary Collections, National Portrait Gallery
„Ich freue mich sehr, dass die National Portrait Gallery die erste große institutionelle Ausstellung von Jenny Savilles Werk im Vereinigten Königreich ausrichtet – mit außergewöhnlichen Gemälden und Zeichnungen von den 1990er-Jahren bis heute. Jennys Blick und Talent haben viele Aspekte dieser Schau geprägt, und ich danke ihr für ihre große Großzügigkeit und Ernsthaftigkeit. Die Ausstellung wurde brillant von Sarah Howgate kuratiert, die mit großem Engagement und Weitblick gearbeitet hat. Sie wurde möglich gemacht durch eine wunderbare Gruppe von Unterstützer:innen und Leihgeber:innen, denen wir sehr dankbar sind. Wir freuen uns, dieses beeindruckende Gesamtwerk in diesem Sommer unserem Publikum zu präsentieren – und darauf, dass es später im Jahr auch im Modern in Fort Worth gezeigt wird.“
– Victoria Siddall, Direktorin, National Portrait Gallery
Die Ausstellung wird begleitet von einer umfassenden Publikation gleichen Titels, mit Texten von Emanuele Coccia, Dr. Nicholas Cullinan, John Elderfield, Roxane Gay und Andrea Karnes, sowie einem Gespräch zwischen Jenny Saville und Kuratorin Sarah Howgate und neuen Atelierfotos der Künstlerin Sally Mann.
WANN?
bis Sonntag, 7. September 2025
Öffnungszeiten:
Jeden Tag: 10.30 Uhr – 18.00 Uhr
Freitag und Samstag: 10.30 Uhr – 21.00 Uhr
WO?
National Portrait Gallery
St Martin’s Place
WC2H 0HE. London
KOSTET?
Regulär: £ 21