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Dienstag, April 16, 2024

Blain|Southern schließt in Berlin, London + New York

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Gestern Abend wurde bekannt gegeben, dass die britische Galerie Blain|Southern all ihre Galerie-Standorte in Berlin, London und New York schließen wird. Erst Anfang November 2019 hatte man mitgeteilt, dass die Gründer der Galerie, Harry Blain und Graham Southern, zukünftig getrennte Wege gehen werden. Southern wolle sich zur Ruhe setzen und Blain die Galerien alleine weiter führen. Man bleibe aber seinen Künstlern, dem Programm und den Standorten London, Berlin und New York voll verpflichtet, berichtete damals unter anderem Artnet News mit dem Bezug auf einen Sprecher der Galerie.

Abb. oben: Blain|Southern Berlin, 2012, Foto: Christian Glaeser

In der an diesem Dienstag veröffentlichten Teilnehmerliste zum Berliner Gallery Weekend 2020 (1.-3. Mai) war Blain|Southern noch genannt. Gezeigt werden sollten Tim Noble & Sue Webster. Mit diesen Künstlern hatte die Galerie im Mai 2011 ihre Berliner Dependance eröffnet.

Zur Schließung erreichte unsere DEEDS-Redaktion dieses Statement von Harry Blain:

“Ich habe die schwierige Entscheidung getroffen, die Galerien von Blain|Southern in London, Berlin und New York zu schließen.
Vor zehn Jahren habe ich zusammen mit Graham Southern Blain|Southern gegründet. Während unserer gesamten Partnerschaft war es eine Ehre, mit so vielen talentierten Künstlern zusammenzuarbeiten und ein Ausstellungsprogramm aufzubauen, das die Breite der zeitgenössischen Kunstpraxis weltweit widerspiegelt und feiert. Neben dem Programm ermöglichte die Galerie unseren Künstlern neue Aufträge, öffentliche Leihgaben und Museumsausstellungen und unterstützte gleichzeitig ihre breiteren Aktivitäten.
Trotz der Unterstützung durch engagierte Mitarbeiter der Galerie bedauere ich zutiefst, dass es mir nicht gelungen ist, die Zukunft der Galerie langfristig zu sichern. Ich möchte allen Künstlern, Sammlern, Institutionen, Museen, Mitarbeitern und jedem danken, der in den letzten zehn Jahren mit der Galerie zusammengearbeitet hat.”

Mit dem Bezug auf mehrere Quellen berichtete Artnet News rückblickend am gestrigen Mittwoch, dass sich die Galerie nach dem Fortgang mehrerer Künstler und Mitarbeiter in einer in jeglicher Hinsicht angespannten Lage befand. So trat Charles Saumarez-Smith, der ehemalige Direktor der Royal Academy, dessen Einstellung 2018 weithin als Coup angesehen wurde, im Dezember 2019 als leitender Direktor zurück. Craig Burnett, der Ausstellungsdirektor von Blain Southern, verließ die Galerie im November. Seit diesem Zeitpunkt hatten auch mehrere Künstler der Galerie den Rücken gewendet, darunter der britische Künstler Mat Collishaw, die britische Malerin Rachel Howard, die sich Anfang Januar aus dem Programm zurückgezogen hatte, und im Dezember der in Berlin lebende Henning Strassburger. Das Künstlerduo Jake & Dinos Chapman und der Maler Sean Scully trennten sich im November von der Galerie. Laut Artnet News seien mindestens vier Künstler von ausstehenden Zahlungen und ausbleibender Rückgabe von Kunstwerken betroffen. Von Künstlerseite würde der Vorwurf laut, dass die Schließung der Galerie auf dem Rücken ihrer Künstler organisiert wird.

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Blain|Southern Berlin, Gallery Weekend 2018, Foto: Stephanie Schneider

Im Gefüge der Berliner Galerien war Blain|Southern eine feste Größe, die nicht nur durch die Ausmaße ihrer Galerieräume mit einer Fläche von 1.300 qm in den 18 Meter hohen, lichtdurchfluteten Räumen der ehemaligen Tagesspiegel-Druckerei an der Potsdamer Straße beeindruckte. Sondern auch durch die Lebensläufe der Namensgeber und Gründer der Galerie, Graham Southern und Harry Blain. Letzerer gründete 1992 mit nur 25 Jahren seine erste Galerie Blains Fine Art. Southern hatte sich 1994 vierunddreißigjährig als Gründungsdirektor des Londoner Christie’s Post-War & Contemporary Art Department einen Namen gemacht. 2002 eröffneten Blain und Southern die Londoner Galerie für zeitgenössische Kunst „Haunch of Venison“ (dt: Wildkeule / Hirschkeule), benannt nach dem ihrem ursprünglichen Standort, dem Hof „Haunch of Vanison Yard“, die sie 2007 an das Auktionshaus Christie’s verkauften. Blain ist auch Gründer von „Sedition“, einer Plattform für den Verkauf Digitaler Kunst, die u.a. Damien Hirst, Yoko Ono und Wim Wenders vertritt. Laut einer Umfrage des Evening Standard zählten Harry Blain und Graham Southern im Jahr 2010 zu den einflussreichsten Menschen in London.

Im Oktober 2010 starteten die beiden in London ihre eigene Galerie Blain | Southern. Und schon im Mai 2011 öffneten sich auch die Türen in Berlin in den Räumlichkeiten der früheren Druckerei des Tagesspiegel, die mit Architekt David Adjaye entwickelt wurden, mit ihrem durch die noch relativ junge Historie modern-industriell geprägten Charakter. Noch während der Umbauarbeiten zeigte die Galerie „Turning the Seventh Corner“, eine außergewöhnliche Ausstellung der britischen Künstler Tim Noble und Sue Webster. Es folgten Einzelausstellungen von u.a. Jonas Burgert, Lawrence Weiner, Jannis Kounellis, Wim Wenders, Chiharu Shiota und Nasan Tur.

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Blain|Southern Berlin, Gallery Weekend 2018, Foto: Stephanie Schneider

Durch die Verbindung beider und die langjährige Erfahrung im internationalen Kunstmarkt konnte die Galerie ein stark international geprägtes Ausstellungsprogramm mit vielen Einzel- und Gruppenausstellungen renommierter, zeitgenössischer Künstler durchführen und vertrat zwischenzeitlich über 30 Künstler*innen. Durch die Charakteristik der Berliner Räumlichkeiten konnten Künstler*innen Ausstellungen realisieren, die sowohl ortsspezifisch als auch im Blick auf ihre Größe einzigartig waren. So zeigte Chiharu Shiota 2016 Uncertain Journey, eine raumgreifende Installation ineinander gewobener, roter Fäden, die nicht nur unter dem Fachpublikum viel Anklang fand. Während des Gallery Weekends 2017 präsentierte die Galerie ZEITLAICH, eine Ausstellung von Jonas Burgert, mit seinem bisher größten Werk: ein 22 Meter langes und 6 Meter hohes Gemälde, das beinahe die gesamte Galerie einnahm. Nasan Tur verwandelte die Galerie 2016 in seiner Ausstellung Funktionieren, in Anlehnung an die einstige Nutzung des Ortes, in eine Druckwerkstatt.

Eine weitere Tätigkeit der Galerie war die Unterstützung ihrer Künstler*innen bei Leihgaben an öffentliche Institutionen und Museen wie z.B. der Tate Gallery, der DIA Foundation, dem Guggenheim Museum und dem Palazzo Strozzi, als auch bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Rahmen von Ausstellungen und anderen Vorhaben, sowie bei Großprojekten wie Martyrs von Bill Viola in der Londoner St. Pauls Cathedral. Hierfür hat der Künstler eine zweiteilige Videoinstallation geschaffen, die als Dauerleihgabe in der Kathedrale bleiben wird.

Blain|Southern vertrat seine Künstler*innen auf den großen, internationalen Messen wie der Art Cologne, The Armory Show, Frieze Masters und Zona Maco und war zuletzt auch für die diesjährige Armory Show in New York und die Art Cologne noch angekündigt.

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