Prolog | Persönliches
Paula, stelle Dir vor, die Pandemie würde derzeit nicht unser Leben bestimmen und Du könntest uns in Deinem Zuhause oder in Deinem Atelier empfangen. Wo sprechen wir zusammen? Wir würden uns sehr wahrscheinlich in meinem Studio in Leblon – ein Stadtteil in Rio de Janeiro – treffen. Mein Studio befindet sich in einem Gebäude, wo nur Künstler leben und es ist dort immer wunderbar dort zu sein. Die Umgebung ist fantastisch. Mein Platz ist für meine sogenannten „wet“ Arbeit sehr geeignet.
Woher kommst Du, wo bist Du wann geboren? Ich bin am 23. August in Rio de Janeiro geboren, die bekannte WUNDERBARE STADT. Wir sagen einfach CIDADE MARAVILHOSA. Chaos und Schönheit leben hier zusammen. Wo lebst und arbeitest Du derzeit? Ich wohne in Ipanema und arbeite in dem obig genannten Studio in Leblon.
Welche Stationen und Menschen haben Dich geprägt? Ich hatte die schönste Kindheit. Ich bin eigentlich am Strand aufgewachsen. Meine Eltern wohnten in Barra da Tijuca und ich konnte im Sand spielen und im Meer schwimmen. Zur Zeit war Barra praktisch unbewohnt und es war, als ob der Strand nur mir gehörte. Es war wie ein Paradies für mich. Es fühlte sich an, als ob ich in diesem Film „Blue Lagoon“ lebte. Stellt euch einfach vor eine Brooke Shields mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Ich malte zu dieser Zeit mit natürlichen Pigmenten und anderen Materialien die ich zur Verfügung hatte. Ich wurde von meinen Eltern und Großeltern aufgezogen. Es war eine sehr kreative Zeit für mich. Keine Handys, kein Fernseher. Nur die Natur. Ich vertraute nur meiner Kreativität, um meine Welt in etwas anderes zu verwandeln. Ich verwandelte alles in Kunst zu dieser Zeit. Dann aber haben sich die Sachen sehr schnell geändert und ich musste Vieles sehr schnell lernen. Ich heiratete gleich nachdem ich 20 Jahre alt wurde. Ich hatte Glück, da mein Mann und seine Familie Kunstexperte waren und zeigten mir diese neue Welt an der ich heutzutage teilnehme. Ich lernte viel und habe Ihnen einen großen Teil meiner künstlerischen Ausbildung zu verdanken.
Welche Schriftsteller*innen findest Du derzeit spannend und welche Bücher finden sich in Deinem Bücherregal? Zur Zeit habe ich keine Zeit zum Lesen, da ich zu viele Termine habe. Welche Bücher haben Dich beeinflusst oder geprägt? Die Bücher von Nelson Rodrigues und Caio Fernando de Abreu. Ich mag diese Literaturart. Was liest Du aktuell und wo liegt das Buch griffbereit? Wie ich schon gesagt habe, leider keine Zeit für Bücher im Moment.
Welche Musik hörst Du und wann? Ich höre meistens klassische Musik und Rock and Roll. Brazilianischer Funk oder Latin music when I’m excited (which is very often). I also listen to samba, but only during Carnival. Wenn Du etwas für uns kochen würdest, was wäre es? Spaghetti mit Pesto! Was isst Du am liebsten? Pasta! Was hältst Du vom Frühstücken? Ich wache immer sehr hungrig auf. Manchmal möchte ich gar nicht aus dem Bett, aber ich stehe wegen des Frühstucks auf. Mein Appetit wächst aber im Laufe des Tages, desweger versuche ich nicht zu viel zum Frühstück zu essen. Mein Frühstück besteht aus einem heißen Zitronentee, Jogurt, Vollkornbrot mit cream cheese und Kaffee. Welchen Sport oder Ausgleich zu Deiner Arbeit betreibst Du? Ich treibe nicht regelmäßig Sport. Mein Körper ist aber sehr aus Natur aus sehr flexibel. Also mache ich einige Streckübungen während des Tages. Ich sehe das aber nicht einen Sport. Ich mag einfach ab und zu einige Streckübungen machen. Hast Du besondere Leidenschaften oder Hobbies, für die Du brennst, und wenn ja welche? Ich liebe frei zu tanzen und ich bin immer am Brennen. Welches Persönlichkeitsmerkmal macht Dich aus? Meine Intensität. Hast Du ein Anliegen, das Du mit uns teilen möchtest oder eine (nicht gestellte) Frage, auf die Du gerne eine Antwort geben möchtest? Nein, Danke.
Interview | Künstler + Position
Zu Beginn erzähle uns bitte in ein paar Sätzen Deine künstlerische Vita.
Meine Werke wurden sowohl in Brazilien als auch im Ausland ausgestellt. In Berlin in individuellen und gemeinsamen Austellung in der aquabitArt Galerie. Auch in New York, Buenos Aires, Rom, Saleno, Florenz und in London in der Saatchi Galerie wurden meine Werke ausgestellt. In Brasilien wurden einige meiner solo Ausstellungen von den wichtigsten Kuratoren wie z.B. Marcos Lontra und Denise Mattar kuratiert. Ich habe auch an den wichtigsten Kunstmessen in Brasilien teilgenommen, wie z.B. SP-Arte, SP-Foto und ArtRio. Meine Werke sind auch Teil von Sammlungen wichtiger Museen: Mon (Museum Oscar Niemayer), welches das von mir fotografierte letzte Portrait von Oscar Niemeyer ausstellt und MACS (Museu de Arte Contemporânea von Sorocaba), wo auch 2 meiner Bilder ausgestellt sind. Ich habe auch im Laufe meiner 10 jährigen Kariere viele Modekampagnen fotografiert, 2 Fotobücher herausgebracht und mehrere Fotoausstelungen gemacht.
Erläutere uns kurz Dein aktuelles Projekt.
Momentan nehme ich in einer Gruppenausstellung in der aquabitArt Galerie teil. Zusätzlich bin ich auch total in der Welt des NFTs beteiligt. Meine erste Kollektion hat soeben bei MakersPlace begonnen und bereite mich zurzeit auf drei neue Kollektionen vor. Die erste Kollektion wurde in Zusammenarbeit mit dem kanadischen Künstler JF Lemay, der Leben in eine meiner Reihen von Digigrapfien, die eine Mischung von Tintenzeichnungen und Fotos von seltsamen, färbigen Objekten in einem Aquarium, gemacht.
Worüber machst Du Dir zurzeit am meisten Gedanken; was beschäftigt Dich ?
Im Moment mache ich mir Sorgen um die Sicherheit meiner Familie während der Pandemie.
Wie bist Du zur Kunst gekommen? Warum Kunst?
Kunst ist alles. Ich bin Kunst. Sie sind Kunst. Du bist Kunst.
Was macht Dich aktuell glücklich?
Die Gelegenheit, die uns die Pandemie gegeben hat, Zeit in unserer „kleinen Höhle“ gemeinsam zu verbringen.
Was macht Dir aktuell Angst?
Ich habe Angst vor der Angst.
Glaubst Du, dass Kunst eine gesellschaftliche Verantwortung trägt? Und was denkst Du, was sie bewirken kann?
Sicher trägt sie eine gesellschaftliche Verantwortung. Die Menschen nutzen sie aber auf ein falsche Art und Weise. Für eigenen Gewinn. Damit bin ich nicht einverstanden. Kunst kann vielen tun auf verschiedenster Weise.
Was macht Deine Kunst aus? Worum geht es in Deinem Werk – was sind die zentralen Themen?
Es fällt mir nicht leicht zu sagen, was meine Kunst ausmacht. Vergangenheit und Zukunft leben in Einklang in meiner Kunst. Die Zeit fließt in meinen Wässern, und zeigt den Kontrollmangel in Situationen in unserem Leben.
THE DEED | DAS WERK Paula Klien
Die in Brasilien geborene und in Rio de Janeiro lebende und arbeitende Künstlerin Paula Klien spricht im Rahmen ihres Interviews über die zentrale Botschaft ihres künstlerischen Werks.
Paula, was macht Deine Kunst aus? Bitte beschreibe das Kernthema und die zentrale Botschaft Deines Werks.
Mein Werk fokusiert den Strom in unserem Leben und den Mangel an Kontrolle über Situationen. Es spricht über die Zeit der Dinge so wie die Natur es uns lehrt. Es spricht von unseren Wurzeln, unserer Familie, woher wir kommen.
Damit ein Fluss fließt muss er von tiefen Wurzeln umgeben sein. Die Flüsse, die von den tiefsten Wurzeln umgeben sind, fließen am weitersten. Damit die Sachen fließen, muss ein Mensch wissen woher er kommt.
Stelle uns die Arbeit vor, die aus Deiner Sicht exemplarisch für die Botschaft Deines Werks steht, oder diese aus Deiner Sicht am besten verkörpert.
Ein Werk, das meine Botschaft veranschaulicht heiß BATISMO. Es wurde in brasilianischen Flüssen gemalt. Ich male meistens in Flüsse. BATISMO wurde in diesem Prozess geschafen. Werke wie BATISMO, entstehen früh am Morgen in Flüssen, die ich mit Gummianzüge betrete, weil es sehr kalt ist.
Drei starke brasilianische Männer begleiten mich und sind für das tragen der Materiallien zuständig. Es ist nicht leicht, weil das Wasser viele Steine, Kalksteine und andere Hindernisse hat und den Vorgang nicht Risikofrei macht. Sobald ich einen stabilen Ort finde, beginne ich mit meiner Arbeit, indem ich einen der größeren Steine benutze, um die Leinwände oder Papiere stützen zu können.
Während der Arbeit an batismo (Taufe) im Fluss © Paula Klien
Selbstverständlich werden diese öfters nass. Sobald das Bild fertig ist lege ich sie ans Ufer. Dann gehen wir weiter und wiederholen den Prozess, wenn wieder ein geeigneter Ort gefunden wird. Das weiderhole ich ca. 4 Mal. Dann ersuche ich die Männer die Bilder die am Ufer liegen zu holen, während ich wieder Flussaufwärts gehe. Wenn ich dann frierend im Auto sitze, steht der Mond schon am Himmel. Normalerweise ist dann eines der Bilder ruiniert, meistens das letzte, weil es nicht genügend Zeit hatte zu trocknen.
Was ist das Ziel Deiner Kunst, Deines Werks – was soll es beim Betrachter bewirken?
Transzendenz.
Die Frage nach THE DEED | DAS WERK ist ein ergänzender und separat präsentierter Teil des THE INTERVIEW IN|DEEDS mit Paula Klien.
Wie schützt Du Dich in der heutigen Zeit vor zu viel Inspiration?
Ich weiß einfach, was ich aus meiner Arbeit will und lasse die Infomationen, die zu mir kommen, frei in meinem Kopf tanzen. Manchmal kann ein sogenanntes „pas de deux“ geschehen und die Information kann dann sogar nützlich sein.
Wie viel in Deinen Arbeiten ist vorher geplant – wie viel entsteht intuitiv?
Der Körper meiner Arbeit wird im vorhinein geplannt. Ich brauchte viel Zeit, um das auszuarbeiten. So können Sie meine Unterschrift an allen meiner Werke erkennen, auch wenn sie nicht da sind. Andererseits sind 90% aller meiner Werke organik und ich handle mit Unfälle, Chancen und Wahlmöglichkeiten.
Was sind Deine (nächsten) Ziele?
Weiter arbeiten und die Welt erobern
Wie stehst Du zum Thema Glauben? Hast Du Glaubensgrundsätze oder gibt es einen Leitspruch?
Ich sehe nicht. Ich glaube an alles. Ich wuchs auf als Katholikin, sehe mich aber nicht so. Ich nehme einfach alles was mir an den verschiedenen, mische alles wie ein Vitaminshake und drinke es, umgeben von Lichter und Kerzen.
Welches Projekt würdest Du gerne noch realisieren, wenn fehlende Zeit, mangelnder Mut oder finanzielle Ressourcen keine Rolle spielen würden?
Ich möchte ein Buch schreiben. Das Buch.
Was sind aus Deiner Sicht Attribute für gute Kunst?
Ich bin der Meinung, das Kunst die Menschen zum Denken bringen soll und Ihre Sinne anregen. Die Verbindlichkeit mit ästhetischer Schönheit ist nicht obligatorisch, aber ich persönlich denke, dass man die Schönheit in der Kunst schätzen sollte. Außerdem kann Kunst etwas mitteilen, falls das der Wunsch des Künstlers ist.
Wird man als Künstler*in geboren? Oder ist ein Kunststudium aus Deiner Sicht Pflicht?
Das Kunststudium sollte keine Pflicht sein. Trotzdem sollte ein Künstler ständig lernen, sich weiter ausbilden auch wenn er begabt ist. Und ja, ich bin der Meinung, dass jemand als Künstler auf die Welt kommen kann.
Wem zeigst Du ein neues Werk zuerst?
Das hängt davon ab.
Wie sieht die erste Stunde Deines Tages aus?
Ich stehe auf, schaue in Richtung Meer und danke Gott für alles.
Sind im Zeitalter des Internets der Dinge Galerien noch notwendig? Wenn ja, warum und wofür?
Ja, selbstverständlich sind sie notwendig. Trotz der besten 3D Präsentationen, die ja fantastisch sind und die ich liebe, müssen die Sinne und Gefühle vor Ort gefühlt werden.
Social-Media – Segen oder Fluch?
Both. Beide.
Übersetzung: via Paula Klien
Epilog | Aktuelles
Die Gruppenausstellung UNMASKED #2 mit Arbeiten von Paula Klien (neben Poren Huang und Janine Mackenroth) ist vom 7. Mai bis 29. Mai 2021 in der aquabitArt galerie, Auguststraße 35, 10119 Berlin-Mitte zu sehen.
In Zeiten von Corona, in denen Reisen, Atelierbesuche und persönliche Kontakte unangebracht oder sogar unmöglich sind, bleibt das schriftliche Interview ein wichtiges Medium, um Künstlerpersönlichkeiten vorzustellen, um ihre Botschaften zu verbreiten und um mit Kunstliebhabern in Kontakt zu bleiben. Die Interviews werden von der Redaktion nicht redigiert oder gekürzt und stets im O-Ton wiedergegeben. Daher nehmen wir auch keine Übersetzung des Interviews in Englische bzw. Deutsche vor, es sei den, diese wird seitens des/der Interviewten eingereicht.