Die Sonderpräsentation im Buchkunstkabinett des Pergamonmuseums beleuchtet das Asketinnentum der verschiedenen Religionen auf dem indischen Subkontinent vom 16. bis 18. Jahrhundert. Die kulturelle und religiöse Vielfalt der Asketinnen, Sufis und Yoginis wird anhand ausgewählter Beispiele aus den Albumblättern indischer Miniaturmalerei anschaulich gemacht.
Abb. oben: Mihr Chand, Eine Zusammenkunft von Asketen und Musikern unter einem Baum, Indien, um 1765-1773, © Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Islamische Kunst / Johannes Kramer
Die Sonderpräsentation zeigt die vielfältigen kulturellen Praktiken der Asketen und ihre Bedeutung und Machtstellung innerhalb des indischen Subkontinents. Darüber hinaus verdeutlicht sie, wie eng diese Riten und Praktiken über jede Religion hinaus miteinander verwoben sind und wie sie sich im Austausch gegenseitig bereichert und beeinflusst haben.
Ab dem 16. Jahrhundert waren Darstellungen von Asketinnen an den Höfen der Mogul-Kaiser und Dekkan-Sultane des indischen Subkontinents sehr beliebt. Die Ausstellung zeigt Bilder in illuminierten Manuskripten und Alben, die eine reiche mystische Tradition bezeugen. Sie erweitern das allgemeine Verständnis der verschiedenen asketischen Sekten der Sannyasins, Yogis, Sufis und Fakire, die die soziokulturelle Landschaft des indischen Subkontinents prägten. Die vielfältigen religiösen und ethnischen Zugehörigkeiten innerhalb des indischen Reiches machten es für die muslimischen Herrscher notwendig, sich den Zuspruch dieser Gruppierungen zu sichern. Durch die Gunst der Asketinnen, die von den großen Glaubensrichtungen und Ethnien verehrt wurden, erlangten die Kaiser und Sultane religiöse Legitimität.
Ob im Islam oder im Hinudismus: Asketinnen wurde nachgesagt, durch ihre spirituellen Praktiken eine Vielzahl übernatürlicher Kräfte erlangen und die Grenze zwischen dem Irdischen und dem Spirituellen überwinden zu können. Weltliche Herrscher legitimierten durch enge Beziehungen zu heiligen Männern und Frauen deren geistige Autorität und profitierten gleichzeitig von ihrem Ansehen und ihrer Macht. Umgekehrt griffen Asketinnen oft in weltliche und politische Angelegenheiten ein.
Abgesehen von Darstellungen, die ihr spirituelles Leben verkörpern, bilden Asketinnen die Schlüsselfiguren in illustrierten Liebesgeschichten, die sie als ideale Liebende zeigen. Herrscher, die sich das spirituelle Charisma dieser Asketinnen zu eigen machen wollten, ließen sich in Interaktion mit ihnen darstellen oder inszenierten sich manchmal auch selbst als königliche Asketen. Umgekehrt inszenierten sich auch Asket*innen als
erhabene Herrscher, was ihren hohen Stellenwert innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung verdeutlicht.
Porträts von Yogini (weibliche Verkörperung der yogischen Kraft) und Asketinnen wurden im 18. Jahrhundert beliebt. In den Darstellungen überwinden Asketinnen die Grenzen zwischen menschlicher und übermenschlicher Kraft oder weltlicher und spiritueller Liebe. Yoginis können als Göttinnen dargestellt werden oder als Frauen, die übernatürliche Kräfte erlangen, ihre menschliche Gestalt aber beibehalten haben. Darüber hinaus gibt es auch Darstellungen von Prinzessinnen, die als Yoginis gekleidet sind und damit das Ideal der Selbstaufopferung für die Liebe zum Ausdruck bringen. Auf Bildern werden Yogini in ihrem spirituellen Streben als gleichberechtigt mit Männern dargestellt und verfügen über gleichwertige Macht und Einfluss.
Die Ausstellung wird kuratiert von Deniz Erduman-Çalış, Museum für Islamische Kunst, und Parul Singh, Kunsthistorisches Institut Florenz.