Florenz gilt, vielleicht noch mehr als Venedig oder Rom, als Inbegriff der Renaissance, jener Epoche, in der die Menschheit in die so genannte Moderne eintrat und das Mittelalter hinter sich ließ. Die Stadt am Arno, die durch Textilverarbeitung und Bankwesen reich geworden war, blühte ab dem 13. Jahrhundert auf. Eine verheerende Pestepidemie im Jahr 1348 führte jedoch zu einem dramatischen Bevölkerungsrückgang und einer schweren Wirtschaftskrise. In dieser Zeit wuchs das Bedürfnis der Einwohner nach Komfort und Schutz. Dies führte zu einem beeindruckenden Phänomen: Wer es sich leisten konnte, begehrte ein kleinformatiges Madonnenbild für die private Verehrung zu Hause. Die Sonderausstellung der Skulpturensammlung „Der Madonna nahe. Reliefs und Gemälde der florentinischen Renaissance“ von Samstag, 23. November 2024, bis Samstag, 27. April 2025, ist diesen besonderen Objekten gewidmet.
Abb. oben: Michele di Bartolomeo Michelozzi, gen. Michelozzo (zugeschrieben), Madonna mit Kind, um 1440 ©Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jürgen Lange
Zwar gab es bereits kleinformatige Tafelbilder für daheim, sie waren jedoch sehr teuer. Daher begannen ab dem frühen 15. Jahrhundert Werkstätten wie jene von Lorenzo Ghiberti (um 1378–1455), Reliefs aus günstigem Ton oder Gips anzufertigen, die mittels Abguss auch vervielfältigt werden konnten. Bemalt und, wenn nötig, mit einem geschnitzten Holzrahmen versehen, entstanden so dekorative Objekte, die auch für weniger finanzkräftige Kreise erschwinglich waren. Als bevorzugtes Thema wurde Maria mit dem Jesusknaben dargestellt. Statt der thronenden Himmelskönigin zeigte man, betont menschlich und gefühlvoll, eine liebende Mutter innig vereint mit ihrem Kind.
Im Laufe der Zeit wird die Herstellung solcher Madonnenreliefs zu einem eigenen Geschäftszweig, wobei die Kompositionen meist von bedeutenden Bildhauern stammen und die Farbfassungen in den renommiertesten Malerateliers der Stadt ausgeführt werden. So entstehen einige der berührendsten Schöpfungen der italienischen Renaissanceskulptur.
Im 19. Jahrhundert, als es Mode wird, sich im Stil der Renaissance einzurichten, waren gerade diese Madonnenreliefs besonders begehrt, weshalb sie häufig gefälscht wurden. Umso erfreulicher ist es, dass sich – bisher so gut wie unbemerkt – in der Dresdner Skulpturensammlung vier eindrucksvolle Originale solcher Madonnenreliefs erhalten haben.
Umfassend restauriert und erforscht, können sie nach vielen Jahrzehnten des Vergessens wieder gezeigt werden. Sie stammen von Michelozzo, Buggiano und Nanni di Bartolo. Das wohl spektakulärste von ihnen ist die Stuck-Madonna nach dem Entwurf von Desiderio da Settignano (um 1430–1464), die von Neri di Bicci (1418/1420–1492) farbig bemalt wurde. Bei diesen vier Stücken handelt es sich um bedeutende Entdeckungen, denn auch wenn es einmal viele solcher Madonnenreliefs gab, sind Originale heute rar.
Im Kontext von Malerei, Grafik und Kunsthandwerk der Epoche lässt sich in der Ausstellung erfahren, wie in Florenz ab etwa 1410 das Thema der Madonna mit Kind zu einer zutiefst menschlichen Bildaufgabe voller Emotionen transformiert wurde, was schließlich in den berühmten Werken Raffaels gipfelt.
Das Publikum wird mit kostbaren Tafelbildern aus dem 13. und 14. Jahrhundert in die Thematik des privaten Andachtsbildes eingeführt, während der Fokus auf Werken aus dem 15. Jahrhundert liegt. Darüber hinaus wird der Bogen bis ins 19. Jahrhundert geschlagen, um zu betrachten, wie das Thema der Madonna, beziehungsweise der Mutterschaft immer wieder neu interpretiert wurde. Ein wichtiger Aspekt widmet sich außerdem der Restaurierung.
Die Ausstellung zeigt rund 50 Werke, darunter Leihgaben aus dem Bode-Museum in Berlin, dem Musée des Beaux-Arts in Dijon und dem Lindenau-Museum in Altenburg.
Der Katalog „Der Madonna ganz nah. Reliefs und Gemälde der Florentiner Renaissance“ erscheint im Sandstein Verlag. Herausgegeben von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Holger Jacob-Friesen und Claudia Kryza-Gersch, 104 Seiten, 91 farbige Abbildungen, ISBN 978-3-95498-843-3, 19,80 €.
WANN?
Ausstellungsdaten: Samstag, 23. November 2024, bis Samstag, 27. April 2025
Täglich 10 bis 18 Uhr, Montag geschlossen
WO?
Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Taschenberg 2
01067 Dresden
KOSTET?
regulär 14 EUR, ermäßigt 10,50 EUR, unter 17 frei, ab 10 Pers. 12,50 EUR