Die Neue Nationalgalerie zeigt ab 23. Mai 2025 die erste Retrospektive der brasilianischen Künstlerin Lygia Clark (1920–1988) in Deutschland. Die umfassende Schau in der oberen Ausstellungshalle präsentiert mit rund 120 Kunstwerken ihr gesamtes künstlerisches Schaffen von den späten 1940er- bis 1980er-Jahren, von geometrisch-abstrakten Gemälden über partizipativ angelegte Skulpturen bis hin zu performativen Arbeiten. Ein zentraler Aspekt der Ausstellung liegt auf dem interaktiven Ansatz in Clarks Werk. So können die Besuchenden miteiner Vielzahl von eigens angefertigten Repliken interagieren.
Eine Sonderausstellung der Neuen Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich
Abb. oben: Lygia Clark mit ihren „Unidades“ während der Neokonkretistischen Ausstellung, Rio de Janeiro, 1959, © Cultural Association “The World of Lygia Clark” (Ref. 20878)
Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie: „Wir freuen uns, mit Lygia Clark eine der wichtigsten und gleichwohl in Deutschland unbe kanntesten Künstler*innen des 20. Jahrhunderts in der Neuen Nationalgalerie präsentieren zu können. Erstmals ist es nun in Berlin einer großen Öffentlichkeit möglich, dieses bedeutende wie berührende Werk umfassend und in gebührender Form zu entdecken.“
Lygia Clark gilt als radikale Erneuerin des Kunstbegriffs, denn sie definierte die Beziehung zwischen Künstlerin und Betrachterin sowie von Werk und Raum grundlegend neu. Als eine Hauptvertreterin der 1959 in Rio de Janeiro initiierten Bewegung des Neoconcretismo (Neokonkretismus) verstand Clark das Kunstwerk als organisches Phänomen. Sie forderte eine subjektive, körperbezogene und sinnliche Kunsterfahrung und machte die aktive Beteiligung der Betrachtenden zum elementaren Bestandteil ihrer Kunst. Die Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie macht diesen partizipativen Ansatz in Clarks Werk für die Besuchenden durch die Interaktion mit Ausstellungskopien erfahrbar. Darüber hinaus finden regelmäßig Performances statt, die das Werk dieser bedeutenden Künstlerin des 20. Jahrhunderts aktivieren.

Lygia Clarks Ansatz, Kunst als partizipatives, sinnliches, mitunter heilendes Erlebnis zu begreifen, macht sie zu einer der international wegweisendsten Künstler*innen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihr Schaffen zeigt die engen Verbindungen zur europäischen Moderne und insbesondere zur konkreten Kunst auf, ebenso wie ihre Emanzipation von dieser. Clark hat nachfolgende Generationen nachhaltig beeinflusst und stellt auch heute noch eine zentrale Bezugsquelle für Gegenwartskünstler*innen dar. Die außergewöhnliche Bedeutung ihrer Werke liegt darin, dass sie das Primat des Visuellen um weitere Sinneswahrnehmungen, wie Hören, Fühlen, Riechen und Tasten erweiterte. So wurden die passiven Betrachterinnen zu aktiven Teilnehmerinnen einer subjektiven Kunsterfahrung.

Zu Beginn ihrer Karriere schuf Lygia Clark Malereien im geometrischabstrakten Stil. Ab 1954 begann sie jedoch, die Leinwand aufzubrechen. Es entstanden reliefartige Bildtafeln, die eine Verbindung zum Raum eingehen. Mit der Gründung der neokonkreten Bewegung vollzog sie den Schritt in den dreidimensionalen Raum. Die Vertreter*innen des Neoconcretismo verstanden das Kunstwerk als organisches, lebendiges Phänomen. Diese Prinzipien kommen in Clarks Bichos (Tiere) zum Ausdruck. Es sind geometrische, bewegliche Skulpturen, die von den Betrachtenden in immer neue Positionen gefaltet werden können. In der Folge entstanden ihre Objetos Sensoriais (Sensorische Objekte), darunter Brillen, Masken oder Anzüge, welche die sinnliche Erfahrung der Rezipient*innen auf den ganzen Körper erweiterten. Ende der 1960er-Jahre erarbeitete sie ihr Konzept des Corpo Coletivo (Kollektivkörpers), das gemeinschaftsstiftende, performative Aktionen beschreibt. Zum Ende ihrer Karriere entwickelte Clark schließlich einen körperbezogenen Therapieansatz, bei dem ihre Kunstobjekte zur Anwendung kamen.

Ziel der Retrospektive ist die internationale Bedeutung von Clark für die Entwicklung der Kunst des 20. Jahrhunderts herauszustellen und sie einem breiten Publikum in Deutschland vorzustellen. Die Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie präsentiert die gesamte Bandbreite ihres Schaffens. In der gläsernen Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie wird ihr interaktives Werk dabei eine besondere Wirkung erzielen. Die Retrospektive versammelt rund 120 Leihgaben von internationalen Privatsammlungen und Museen, darunter die Pinacoteca do Estado de São Paulo, das Museu de Arte Moderna in Rio de Janeiro,sowie das Museum of Modern Art und die Cisneros Collection in New York.

In der Ausstellung werden zweimal wöchentlich verschiedene, von Lygia Clark konzipierte Performances aufgeführt. Neben einem vielfältigen Vermittlungsprogramm mit Führungen und Workshops für Familien, Schüler*innen und Erwachsene wird die Ausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm mit Lesungen, Konzerten und Performances begleitet. Im Rahmen der Ausstellung findet am 2. und 3. Oktober 2025 ein wissenschaftliches Symposium zu Lygia Clark im IberoAmerikanischen Institut statt.

Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog in Deutsch und Englisch im E. A. Seemann Verlag. Er ist die erste deutschsprachige Publikation zu Lygia Clark. 256 Seiten, 230 Farb- und S/W-Abbildungen, Hardcover, ISBN 978-3-86502-546-3 (dt. Ausgabe) / ISBN 978-3-69001- 001-6 (engl. Ausgabe), Preis: 42 €.
„Lygia Clark. Retrospektive“ wird kuratiert von Irina Hiebert Grun und Maike Steinkamp, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an der Neuen Nationalgalerie.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich.
WANN?
Eröffnung: Donnerstag, 22. Mai 2025, 19 Uhr
Ausstellungsdaten: Freitag, 23. Mai – Sonntag 12. Oktober 2025
WO?
Neue Nationalgalerie, Kulturforum Berlin
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin