Wer EVA & ADELE begegnete und sich traute, die beiden anzusprechen, hörte den stets lächelnd vorgetragenen Satz: „Wir kommen aus der Zukunft.“ Das untrennbare Künstlerduo EVA & ADELE löste mit seinen, immer bis ins kleinste Kleidungsdetail und Schmuckstück geplanten, öffentlichen Auftritten die Grenzen zwischen Leben und Kunst, Identität und Performance, Vergangenheit und Zukunft auf. Jeder einzelne Auftritt war Teil eines fortwährenden Kunstprojektes, das 1991 begonnen hatte. Am 21. Mai 2025 ist EVA in Berlin-Charlottenburg verstorben. In dem Instagram-Post auf ihrem gemeinsamen Profil heißt es: „EVA ist heute zurück in die Zukunft gegangen. Sie hat diese Welt verlassen und die ewige Bühne betreten. Ihr Glaube an die Kraft der Kunst war unendlich. FUTURING“
Abb. oben: bei EVA (rechts) & ADELE (links) in Charlottenburg, © ART at Berlin + DEEDS.NEWS
Seit ihrer ersten gemeinsamen Performance im Jahr 1991 im Berliner Martin-Gropius-Bau, bei der sie sich unter dem Titel HOCHZEIT METROPOLIS als gleichgeschlechtliches Paar in weißen Brautkleidern präsentierten, verstanden sich EVA & ADELE als wandelndes Gesamtkunstwerk. Hier verwendeten sie auch erstmals ihre Worterfindung FUTURING, nämlich in Form eines Stempels. Das Wort sollte zu einem Schlüsselbegriff für ihr gesamtes Werk werden, es taucht immer wieder in ihren Arbeiten, in Ausstellungen und Begleittexten auf. EVA & ADELEs Erscheinung – kahlrasiert, identisch gekleidet in extravaganten, oft pinkfarbenen Damenkostümen, expressiv geschminkt – war nicht nur performatives Dauerprojekt, sondern Ausdruck ihrer Philosophie: „Where ever we are is museum“ – „Wo wir sind, ist Museum“. Ihre Kunst war eine permanente Performance, die keine Trennung zwischen öffentlicher Darstellung und privatem Leben mehr kannte. Dass die beiden ihre Wohnung in Berlin-Charlottenburg einmal „einfach so“ verlassen hätten, in privater Kleidung oder einzeln – gänzlich undenkbar.
EVA & ADELE gaben seit 1991 nie ihre bürgerlichen Namen oder ihr Alter preis. Stattdessen definierten sie sich über ihre Körpermaße, die sie als CV auf ihrer Webseite öffentlich machten, ähnlich so wie dingliche Kunstwerke bemaßt werden. Aber vor allem über ihre unzertrennliche Partnerschaft, die über 36 Jahre andauerte und damit die längste Performance ihres Lebens darstellt, sowie das konsequent gemeinsame Auftreten. 2011 haben die beiden laut Medienberichten standesamtlich geheiratet. In diesem Jahr ließ EVA auch ihren Personenstand in „weiblich“ ändern. Sie sei zwar als Mann geboren, jedoch wäre ihre Seele weiblich. Ihrem Antrag wurde gerichtlich stattgegeben.
EVA & ADELEs Werke – Malerei, Fotografie, Video, Installationen – entstanden oft in Interaktion mit ihrem Publikum. So sammelten sie Fotografien von Begegnungen, die sie in ihrem Werk „CUM“ verarbeiteten, und dokumentierten ihre Präsenz in den Medien im Projekt „Mediaplastik“.

Ihre internationale Bekanntheit erlangten sie unter anderem durch Auftritte in der britischen Sendung „Eurotrash“ in den späten 1990er Jahren, wo sie mit surrealen Sketchen und Ritualen wie dem Aufsetzen von Bananenschalen oder Fischen auf ihren Köpfen für Aufsehen sorgten. Auch in renommierten Institutionen wie dem Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris und dem Hamburger Bahnhof in Berlin waren ihre Werke zu sehen.
EVA starb am 21. Mai 2025 in der gemeinsamen Wohnung in Berlin-Charlottenburg, begleitet von ADELE, nach einer Operation an der Lendenwirbelsäule, die ihr zuletzt die Energie genommen hätte. ADELE, die nun als Solo-Künstlerin weiterarbeiten möchte, kündigte an, ein Projekt mit 201 Leinwänden fortzusetzen, das sie gemeinsam mit EVA begonnen hatte. Diese Arbeit fortzusetzen sei auch der explizite Wunsch von EVA gewesen.
EVA hinterlässt ein Werk, das nicht nur die Kunstwelt bereichert, sondern auch einen bleibenden Eindruck in den Herzen derer gepflanzt hat, die das Privileg hatten, ihr zu begegnen. Die Botschaft von EVA & ADELE – die Feier der Andersartigkeit, die Überwindung von Geschlechtergrenzen und die Aufforderung, die Zukunft aktiv zu gestalten – bleibt lebendig. „Wir kommen aus der Zukunft“, sagten sie, ein Satz, der mehr war als nur ein Spiel mit der Vorstellungskraft. Es war eine Vision, die sie in ihrer Kunst lebendig werden ließen: eine Zukunft, in der Konventionen aufgelöst und neue Wege des Denkens und Fühlens möglich wurden. Diese Zukunft war nicht abstrakt, sondern konkret – in ihrem Werk, in ihrer Lebensweise, in der Art, wie sie die Welt herausforderten. Es ist diese Zukunft, die sie uns mit jeder Performance, jedem Bild, jedem Lächeln näherbrachten.
Text: Stephanie Schneider