Ab dem 20. Juni 2025 zeigt das Haus am Lützowplatz in Berlin die Einzelausstellung Stimmen, die sich suchen des Potsdamer Fotografen Göran Gnaudschun. Die Ausstellung widmet sich der kollektiven Erinnerung und persönlichen Traumata der Bewohner:innen von Onna, einem italienischen Dorf, das sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch durch ein schweres Erdbeben 2009 tief erschüttert wurde.
Abb. oben: Blick über Ruinen zur Piazza Umberto, Onna, 2019
Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus zeigt das Haus am Lützowplatz eine Einzelausstellung des Fotografen Göran Gnaudschun (geb. 1971 in Potsdam).
Am 6. April 2009 um 3:32 Uhr erschütterte ein starkes Erdbeben die italienische Stadt L’Aquila und ihr Umland. Besonders tragisch war die Situation im am Rand gelegenen Dorf Onna: 40 der 300 Einwohner:innen kamen in jener Nacht ums Leben. Bereits im Zweiten Weltkrieg wurde das Dorf schwer getroffen: Am 11. Juni 1944 verübten Soldaten der deutschen Wehrmacht während ihres Rückzugs ein Massaker und zerstörten nahezu ein Drittel aller Gebäude.
Onna ist ein Ort des kollektiven Schmerzes. Fast jede Familie hat Verluste zu beklagen, viele Bewohner:innen waren verschüttet. Noch zehn Jahre nach dem Beben lebten viele in Notunterkünften neben den Ruinen des einstigen Dorfes. Der Wiederaufbau kam nur langsam voran. Gnaudschun porträtierte Kinder, Jugendliche und ältere Menschen. Er schrieb dazu: „Ich habe in den Gesichtern Trauer und Schmerz, aber auch Widerständigkeit und Stärke gefunden, den tiefen Willen, weiterzumachen, nach vorne zu schauen – für die Familie, die Mitmenschen und für die, die so unvermittelt aus dem Leben gerissen wurden.“

Durch Archiv- und Privatfotos tauchte Gnaudschun tief in die Vergangenheit des Ortes ein. Die übervollen Bilder von damals treffen auf stille, menschenleere Aufnahmen der Gegenwart. Die Texte basieren auf Interviews, Protokollen und Büchern und bilden eine eigene, verdichtete Erzählebene.
Das Massaker von Onna war eines von vielen in Italien. Die deutsche Schuld wurde nur schleppend aufgearbeitet und blieb vielfach ungesühnt. Auch Erdbeben sind in dieser seismisch aktiven Region keine Seltenheit. Am Beispiel von Onna zeigt sich, wie stark große historische Ereignisse in das Leben Einzelner eingreifen, wieviel Leid Kriege der Zivilbevölkerung zufügen, wie sich Traumata durch Generationen ziehen – und wie neue Katastrophen diese erneut aufbrechen. Stimmen, die sich suchen ist eine Arbeit über Erinnerung, den Lauf der Zeit, Schmerz und Verlust – aber auch über die menschliche Fähigkeit, trotz allem das eigene Leben weiterzuführen.

Die erste Version der Arbeit wurde 2019 vom Goethe-Institut Rom in Zusammenarbeit mit der Casa Onna kuratiert und finanziert. Eine zweite Version wurde 2021 im Italienischen Pavillon der Architekturbiennale Venedig gezeigt.
Das Haus am Lützowplatz zeigt nun die dritte, erweiterte und finale Version der Ausstellung. Zum Abschluss erscheint das von büro uebele gestaltete Buch Stimmen, die sich suchen im Verlag Edition Fotohof Salzburg.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Goethe-Institut Rom und der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo.

Programm zur Ausstellung
- Freitag, 20. Juni 2025, 19:00 Uhr
Eröffnung / Opening / Inaugurazione
Göran Gnaudschun - Mittwoch, 2. Juli 2025, 19:00 Uhr
Künstlergespräch und Buchvorstellung
Göran Gnaudschun im Gespräch mit Brigitte Werneburg - Mittwoch, 16. Juli 2025, 19:00 Uhr
Kuratorenführung im Dialog
Marc Wellmann im Gespräch mit Barbara Esch-Marowski (Leiterin Haus am Kleistpark)
Veranstaltungssprache: Deutsch
WANN?
Eröffnung: Freitag, 20. Juni 2025, 19:00 Uhr
Ausstellungsdauer: Samstag, 21. Juni – Sonntag, 24. August 2025
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 11:00 – 18:00 Uhr
WO?
Haus am Lützowplatz
Lützowplatz 9
10785 Berlin