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DISAPPEARING BERLIN | PIGEON FEATHER STICK | Bärenzwinger | 30.07.2019

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DISAPPEARING BERLIN, eine Veranstaltungsreihe des Schinkel Pavillon, inszeniert über ein Jahr lang einzigartige Berliner Architekturen und besondere urbane Räume, die akut vom Verschwinden bedroht sind. Am kommenden Dienstag, 30. Juli 2019 ab 19 Uhr findet der nächste Abend bei DISAPPEARING BERLIN im Bärenzwinger im Köllnischen Park statt.

Abb. oben: Plakat Disapearing Berlin – Pigeon Feather Stick

Mit Performances, Installationen und Konzerten bewegt sich der Schinkel Pavillon erstmals in den Stadtraum hinein – hin zu einzigartigen Lokalitäten und ikonischen Architekturen, denen Abriss, Privatisierung oder Umnutzung bevorstehen, nachdem sie über Jahrzehnte das Stadtbild prägten.

Georgia Gardner Grays neues Stück „Pigeon Feather Stick“ folgt dem titelgebenden Protagonisten durch die Traumlandschaft seiner eigenen Herkunft und körperlichen Daseinsformen. Teils Aussätziger und Urmensch, teils Beatnick, Kriegsveteran und Vogel – Pigeon Feather Stick ist eine wild undefinierte Mischung aus Mensch und Tier. Obwohl überaus fruchtbar, ist unklar, ob er einfach nur fett ist oder Eier legen kann. Sein fleischiger Freund Non-Binory Sirloin Steak ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Stück Fleisch am Haken. Indem er die Grenzen zwischen dem, was ‚natürlich‘ und was ‚kulturell‘ ist, kontinuierlich verwischt, macht Pigeon Feather Stick die beunruhigende Nähe der beiden Figuren deutlich. In widerspenstiger Manier warnt uns seine Satire vor den allgegenwärtigen Tücken unserer Selbstwahrnehmung. In „Pigeon Feather Stick“ sind die Menschen unnütz, als von Bäumen kackende Tiere und grunzende Affen.

Mit Joseph Geagan als Pigeon Feather Stick und Marie Karlberg, Matthew Linde und Steven Warwick. „Pigeon Feather Stick“ ist die fünfte Edition von DISAPPEARING BERLIN. 

DISAPPEARING BERLIN .
PIGEON FEATHER STICK. 
EIN STÜCK VON GEORGIA GARDNER GRAY
.

WANN?

Dienstag, 30. Juli 2019, 19 Uhr Einlass, 20 Uhr Performance

WO?

Bärenzwinger im Köllnischen Park, 10179 Berlin-Mitte

Voranmeldung für die Performance bis 29. Juli 2019.

Der Auftakt von DISAPPEARING BERLIN fand auf der 22. Etage des Postbank-Hochhauses in der 70er Jahre Architektur der ehemaligen Kantine statt: Bei Sonnenuntergang spielten hier 16 Gitarristinnen vor einem beeindrucken Berlin Panorama Julius Eastmans „Gay Guerrilla”. Eine Baustelle direkt am Charlottenburger Spree-Ufer wird zur nächtlichen Bühne für das internationale Tanzkollektiv Young Boy Dancing Group. Steven Warwick inszeniert am Waterloo-Ufer in der Südlichen Friedrichstadt eine Flußüberquerung zum versteckt gelegenen Haus1. Im Bärenzwinger in der historischen Mitte reflektiert Georgia Gardner Gray über die Irrungen und Wirrungen der menschlichen Existenz. Eli Keszlers wilde Percussion-Improvisationen verwandeln das Parkhaus am Kottbusser Tor zum Resonanzraum; Billy Bultheel, der u.a. die Musik zu Anne Imhofs FAUST schrieb, bringt mit Tubas und Tenören das Dach von Álvaro Siza Vierias Bonjour Tristesse Wohnhaus am Schlesischen Tor zum Schwingen. Ein ehemaliges DDR Schwimmbad, eine alte Autowerkstatt, ein kultiges Tanzlokal aus vergangenen Zeiten, ein Kraftwerk, Bürotürme aus den 70er und 80er Jahren, brutalistische Bauten – alles Orte, an denen sich über Jahrzehnte unterschiedliche Ären und Ideologien in das Berliner Stadtbild eingeschrieben haben.

Als Folge der Kriegszerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden moderne Neubauprojekte innerhalb sowie Großsiedlungen an den Rändern der Stadt. Die dort fehlende und nur unter hohen Kosten zu errichtende Infrastruktur führte zum großflächigen Abriss von Altbausubstanz in den Stadtvierteln, um an ihre Stelle Neubauten und Autobahnbaupläne zu setzen. Gegen diese sogenannte „Kahlschlagsanierung“ rührte sich unter der Bevölkerung ab Mitte der 1970er Jahre massiver Widerstand. Das Konzept der „Behutsamen Stadterneuerung“ sollte die politisch-praktische Alternative darstellen – visionäre Stadtplanung und progressive Wohnkonzepte wurden aktiv gefördert. Allgegenwärtig hingegen prägt ein zunehmender Wachstums- und Verwertungsdruck das Stadtbild und droht wieder einmal in rasantem Tempo die vielschichtig gewachsenen Fundamente einer Stadt zu zersetzen, deren bewegte Geschichte und komplexe, oft widersprüchliche Textur, sie lange Zeit so einzigartig und anziehend machte.

An diesen Orten – Brennpunkte aktueller Stadtpolitik –  setzt sich DISAPPEARING BERLIN mit der Vergangenheit, dem Jetzt und der Zukunft Berlins auseinander, um gemeinsam mit den eingeladenen Künstler*innen den Blick für diese Veränderungen zu schärfen. Die Stadt wird zum Protagonisten, zum gesellschaftlichen Körper, in dem sich Zeitgeist und Ideologien ebenso abzeichnen wie gesellschaftliche Veränderungen und Umbrüche. Performance, Kunst und Architektur treten in Dialog und lassen uns diese besonderen Orte wieder und neu erleben. 

DISAPPEARING BERLIN begegnet dem um sich greifenden Geschichts- und Gesichtsverlust und richtet den Blick dabei nach vorn, wie ihn ausgerechnet die Einstürzenden Neubauten vorgegeben haben: „Die neuen Tempel haben schon Risse”, singen sie und prophezeien: „Alles nur künftige Ruinen, Material für die nächste Schicht”.

DISAPPEARING BERLIN ist eine Veranstaltungsreihe des Schinkel Pavillon und wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und die Spartenoffene Förderung der Stadt Berlin.

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