Der Gropius Bau präsentiert die Ausstellung YOYI! Care, Repair, Heal (YOYI! Care, Repair, Heal), die den Höhepunkt einer langjährigen Forschungsarbeit eines vielstimmigen Teams aus internationalen Künstler:innen, Kurator:innen und Wissenschaftler:innen darstellt.
Abb. oben: Tabita Rezaire & Amakaba, Singing Bee Garden, 2021. Videostill Courtesy: Tabita Rezaire & Amakaba.
YOYI! Care, Repair, Heal bringt die vielfältigen, manchmal widersprüchlichen Perspektiven von 26 Künstler*innen zusammen und setzt sich dabei mit Themenbereichen wie der Politisierung von Gesundheit, der Widerstandsfähigkeit Indigener Wissenssysteme, Formen von (Wahl-)Verwandtschaft, gerechter Landnutzung und -verteilung, Dekolonisation und den Rechten des Nicht-Menschlichen auseinander, die alle mit verschiedenen Konzepten von Fürsorge, Reparatur und Heilung verwoben sind. Die Relevanz dieser Themen ist in den letzten Jahren durch die Verschärfung des Klimanotstands, globale Pandemien, politische Instabilität und die Zunahme autoritärer und populistischer Regime immer deutlicher geworden.
YOYI ist der Name einer zeremoniellen Zusammenkunft mit Gesang und Tanz, die für die Kultur der Tiwi im Norden Australiens von zentraler Bedeutung ist. YOYI! Care, Repair, Heal bezieht sich auf diesen Ausruf: eine Einladung zusammenzukommen, um gemeinsam zu feiern und zu trauern. Auch Gesten, Rufe, zeremonielle Objekte und Körperbemalungen gehören zur lebendigen und kreativen Praxis von YOYI. Auf diesen Aufruf hin verfolgt jede*r der 26 eingeladenen Künstler*innen unterschiedliche Strategien, die Begriffe Fürsorge, Reparatur und Heilung zu hinterfragen, neu zu erfinden, zu erweitern, aufrechtzuerhalten oder sich von ihnen loszusagen. Einige eröffnen kritische Perspektiven darauf, wie das Konzept der Fürsorge missbraucht wurde. Andere schlagen Methoden der Reparatur vor, die sich grundlegend von westlichen Herangehensweisen unterscheiden. Wieder andere fragen, ob Heilung möglich oder überhaupt notwendig ist. Das Spektrum dieser Stimmen findet seinen Widerhall in Videoarbeiten, Installationen, Malereien und Performances, die im gesamten Erdgeschoss des Gropius Bau gezeigt werden.
Mit einem experimentellen, demokratischen Ansatz setzt sich das kuratorische Team, dessen Mitglieder aus Europa, Asien und Australien stammen, mit den zahlreichen Auffassungen von Fürsorge, Reparatur und Heilung auseinander, die sich aus dem gegenseitigen Austausch ergeben haben.
Mit Arbeiten von Pierre Adler, Brook Andrew, Kader Attia, Tosh Basco, Mohamed Bourouissa, Andrea Büttner, Lavkant Chaudhary, Lygia Clark, André Eugène, Guyodo, Artemisia Gentileschi, Johanna Hedva, Jilamara Arts & Crafts Association, Anne Duk Hee Jordan, Eva Koťátková, Betty Muffler & Maringka Burton, Grace Ndiritu, People’s Archive of Rural India, Outi Pieski, Paula Rego, Tabita Rezaire & Amakaba, Georgia Sagri, Yhonnie Scarce, Reginald Sénatus (Redji), SERAFINE1369 und Wu Tsang.
Die Ausstellung setzt das Programm des Gropius Bau unter der Leitung von Stephanie Rosenthal fort, das mit ihrer Ernennung zur Direktorin im Jahr 2018 initiiert wurde. Zu den jüngsten Ausstellungen und Projekten gehören Wu Tsang: There is no nonviolent way to look at somebody (2019), Rituals of Care (2020), Lee Mingwei: 禮 Li, Geschenke und Rituale (2020), Otobong Nkanga: There’s No Such Thing as Solid Ground (2020) und Ámà: 4 Tage zu Fürsorge, Reparatur und Heilung (2021).
„Unter meiner Leitung baute der Gropius Bau auf seinem Erbe als historischem Ausstellungshaus auf und öffnete sich für eine Reihe zeitgenössischer Stimmen und Positionen, die kritisch über Fragen von Raum und Verkörperung, der Architektur und ihrer Geschichte sowie über die drängenden Themen der Fürsorge, Reparatur und Heilung nachdenken. Für diese Ausstellung habe ich Künstler*innen und Kurator*innen eingeladen, als Team zu arbeiten und ihre eigenen Interessen und Perspektiven einzubringen. Wir haben uns für diese Form der Zusammenarbeit entschieden, weil es uns wichtig war, die Themen aus einer Vielzahl von Blickwinkeln zu betrachten – nicht aus einer rein westlichen Perspektive. Das ist aber nur möglich, wenn tatsächlich verschiedene Sichtweisen vertreten sind. Ich freue mich, dass wir diese Ausstellung mit erstklassigen Co-Kurator*innen und Künstler*innen realisiert haben und zentrale Fragestellungen des Programms zusammenführen.“
— Stephanie Rosenthal, Direktorin des Gropius Bau
Kader Attia ist als Kurator und Künstler an der Ausstellung beteiligt. Seine langjährige Forschungs- und Kunstpraxis kreist um die Idee der Reparatur und die weitreichenden Auswirkungen der kulturellen Hegemonie des Westens und des Kolonialismus. Er kuratierte die 12. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst 2022. „Während die Moderne den Anspruch erhebt, Verletzungen für immer auszulöschen, hat die Vormoderne – die Kulturen aus allen Kontinenten umfasst – auch nach dem Reparaturprozess immer Raum für Verletzungen gelassen. In der Vormoderne haben reparierte Objekte immer das neue Leben des Objektes als Kontinuität des Zustandes vor dem Bruch verkörpert. Das Leugnen von Wunden ist kein unschuldiges Bestreben. Es verfolgt ein Ziel, das metaphorisch in der Auslöschung der kolonialen Verbrechen präsent ist.“
— Kader Attia, Co-Kurator und Künstler
Brook Andrew, ein weiterer Co-Kurator der Ausstellung, ist ein australischer Künstler, Kurator und Forscher, der den Wiradjuri angehört. In seiner Arbeit entwirft er alternative Zukunftsvisionen, die anhaltende koloniale Praktiken hinterfragen und Indigene Lebensweisen in den Vordergrund stellen. „In einer zunehmend globalen Welt, in der koloniale Reparationen und ‚Dekolonisation‘ eine Bewegung hin zu einer ‚besseren‘ Welt der Fürsorge und Gegenseitigkeit motivieren, ist die Ausstellung ein Experiment, um herauszufinden, wie ‚wir‘ möglicherweise Heilung und eine ausgewogene Position herbeiführen können.“
— Brook Andrew, Co-Kurator und Künstler
Natasha Ginwala ist Assoziierte Kuratorin at Large am Gropius Bau und war bereits an den Recherchen für die Ausstellung beteiligt. Als Co-Kuratorin der 13. Gwangju Biennale 2021 richtete sie den Fokus auf matriarchale Ansätze zur Wiederherstellung überlieferten Wissens. „Diese Ausstellung zeigt, wie Geschichte im Körper getragen wird und was es bedeutet, mit Verletzungen, sozialer Verwundbarkeit und Krankheit zu leben. Die von mir eingeladenen Positionen stammen aus ländlichen und Indigenen Kontexten und befassen sich mit Prozessen der Wiederherstellung und Erholung, mit der Bewahrung von gemeinschaftlichen Erfahrungen durch Lieder, mit Landrechten sowie der Herstellung von Verwandtschaftsbeziehungen zu mehr-als-menschlichen Lebensformen.“
— Natasha Ginwala, Assoziierte Kuratorin at Large am Gropius Bau
Bárbara Rodríguez Muñoz ist eine weitere Co-Kuratorin der Ausstellung. Sie ist Direktorin der Ausstellungen und Sammlungen am Centro Botín in Santander und Mitherausgeberin von Documents of Contemporary Art: Health (2020, Whitechapel Gallery/MIT Press). Auch während ihrer Tätigkeit als Kuratorin der Wellcome Collection in London stand das Thema Gesundheit im Mittelpunkt ihrer Arbeit. „Ich interessiere mich für Politiken von Gesundheit und Fürsorge und die Schnittstellen von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. Die Künstler*innen, die ich eingeladen habe, aktivieren historische Sammlungen, die sich mit Gesundheit, Körper, Astrologie, Botanik und Hexerei befassen. Sie legen koloniale Sammlungspraktiken offen oder zeigen die Art und Weise, wie Indigenes, wissenschaftliches und spirituelles Wissen über Generationen hinweg weitergegeben wird.“
— Bárbara Rodríguez Muñoz, Co-Kuratorin
Programm
Das Diskursprogramm Breathe fragt in Erweiterung der Ausstellung, wie Geschlecht, Race, Geografie und Wirtschaft unsere Fähigkeit zu atmen grundlegend beeinflussen. Es ist eine Einladung an Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen aus Berlin und darüber hinaus, in Gesprächen, Vorträgen und Workshops ihre Gedanken, Erfahrungen und Ideen auszutauschen. Zu den Gäst*innen gehören Imeh Ituen, Michael Turner, Deborah Willis, Dmitry Paranyushkin und Hadija Haruna-Oelker.
Einen Raum des Diskurses und der Reflexion bietet der Resonanzraum, der lokales Wissen und Erfahrungen zum Thema mentale Gesundheit zusammenträgt. Als Ort der Begegnung versammelt er unterschiedliche Stimmen und bringt sie in Dialog. Der Eintritt ist frei.
Über die Ausstellung
YOYI ist der Name einer zeremoniellen Zusammenkunft mit Gesang und Tanz, die für die Kultur der Tiwi im Norden Australiens von zentraler Bedeutung ist. YOYI! Care, Repair, Heal bezieht sich auf diesen Ausruf: eine Einladung zusammenzukommen, um gemeinsam zu feiern und zu trauern.
Auf diesen Aufruf hin verfolgt jede*r der 26 eingeladenen Künstler*innen unterschiedliche Strategien, die Begriffe Fürsorge, Reparatur und Heilung zu hinterfragen, neu zu erfinden, zu erweitern, aufrechtzuerhalten oder sich von ihnen loszusagen. Einige eröffnen kritische Perspektiven darauf, wie das Konzept der Fürsorge missbraucht wurde. Andere schlagen Methoden der Reparatur vor, die sich grundlegend von westlichen Herangehensweisen unterscheiden. Wieder andere fragen, ob Heilung möglich oder überhaupt notwendig ist. Das Spektrum dieser Stimmen findet seinen Widerhall in Videoarbeiten, Installationen, Malereien und Performances, die im gesamten Erdgeschoss des Gropius Bau gezeigt werden.
Mit Arbeiten von Pierre Adler, Brook Andrew, Kader Attia, Tosh Basco, Mohamed Bourouissa, Andrea Büttner, Lavkant Chaudhary, Lygia Clark, André Eugène, Guyodo, Artemisia Gentileschi, Johanna Hedva, Jilamara Arts & Crafts Association, Anne Duk Hee Jordan, Eva Kot’átková, Betty Muffler & Maringka Burton, Grace Ndiritu, People’s Archive of Rural India, Outi Pieski, Paula Rego, Tabita Rezaire & Amakaba, Georgia Sagri, Yhonnie Scarce, Reginald Sénatus (Redji), SERAFINE1369 und Wu Tsang
Kuratiert von Brook Andrew, Kader Attia mit Giscard Bouchotte, Natasha Ginwala und Bárbara Rodríguez Muñoz, unter der kuratorischen Leitung von Stephanie Rosenthal in Zusammenarbeit mit SERAFINE1369, In House: Artist in Residence 2021
WO?
Gropiusbau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin-Kreuzberg
WANN?
Freitag, 16. September 2022 bis Sonntag, 15. Januar 2023
KOSTEN?
15 EUR / ermäßigt 10 EUR