PROLOG | PERSÖNLICHES
Roman, stellen Dir vor, Du würdest uns in Deinem Atelier oder Zuhause empfangen. Wo sprechen wir zusammen, wo treffen wir Dich? Wir treffen uns bei mir im Atelier, in Kreuzberg. Hier ist es schön frisch, aber manche behaupten es sei kalt. Die ehemaligen Industrieräume sind gross, deshalb auch schwer warm zu kriegen, doch es gibt einen heißen Tee zum aufwärmen. Vielleicht sitzen wir an Deinem Lieblingsplatz? Mein Lieblingsplatz ist meistens dort, wo ich einen guten Kaffee trinken kann.
Abb. oben: Roman Lipski, Portrait, Foto: Hans-Georg Gaul
Du bist 1969 in Nowy Dwor Gdanski in Polen geboren und 1989 nach West Berlin emigriert. Heute lebst und arbeitest Du nach wie vor in Berlin. Welche Stationen und Menschen haben Dich in Deinem bisherigen Leben besonders geprägt? Geprägt haben mich Krisen, die ich überstanden habe und Menschen die mir Vertrauen schenkten. Welche Schriftsteller*innen findest Du derzeit spannend und welche Bücher finden sich in Deinem Bücherregal? Ich habe die verschiedensten Bücher im Bücherregal! Ich folge keinen bestimmten Trends in der Literatur. Welche Bücher haben Dich beeinflusst oder geprägt? Sachbücher über Malerei und Kunstalben inspirierten mich Künstler zu werden.
Was liest Du aktuell und wo liegt das Buch griffbereit? Griffbereit sind viele Bücher, gelesen wird nur eines – Serge Guilbaut, „How New York Stole The Idea of Modern Art. Abstract Expressionism, Freedom, and the Cold War.“ Welche Musik hörst Du und wann? Britische Jazzszene. Immer, außer beim lesen und telefonieren.
Wenn Du etwas für uns kochen würdest, was wäre es? Ich würde einen Tisch reservieren. Was isst Du am liebsten? Eiweiss, am liebsten als Proteinpulver. Was hältst Du vom Frühstücken? Wenig. Welchen Sport oder Ausgleich zu Deiner künstlerischen Arbeit betreibst Du ? Kraftsport und als Ausgleich spiele ich Schlagzeug.
Hast Du besondere Leidenschaften, für die Du brennst, und wenn ja, welche? Ich lebe leidenschaftlich. Welches Persönlichkeitsmerkmal macht Dich ganz besonders aus? Für einen Einzelgänger kann ich ganz gut mit Menschen umgehen. Hast Du ein Anliegen, das Du mit uns teilen möchtest? Oder eine Antwort auf eine (nicht von uns gestellte) Frage, die Dich aktuell bewegt? Florian, wann gibt es die KI Muse für Alle?
INTERVIEW | ARTIST + POSITION
Wir möchten kurz Deinen künstlerischen Werdegang vorstellen. Bitte nenne uns die Stationen Deiner künstlerischen Ausbildung.
Ich habe keine klassische Kunstausbildung. Eines Tages, mit 21, beschloss ich Maler zu sein und ab diesem Moment wusste ich bescheid, dass ich einer bin. Traditionell wird jedoch von einem Künstler erwartet, dass er seine kreativen Fähigkeiten durch Praxis und Ausstellen seiner Kunstwerke zum Ausdruck bringt, deshalb lernte ich wie mann Bilder malt… und mehr.
Wie bist Du zur Kunst gekommen? Warum Kunst?
Als junger Mensch erfuhr ich wie wichtig und schön es ist etwas aus Leidenschaft zu tun. Zur dieser Zeit wollte ich unbedingt ein professioneller Sportler werden, so wie meine Schwester. Sie war mein Vorbild, doch ich scheiterte. Im laufe der Zeit entwickelte ich eine zweite Leidenschaft – Kunst. Dabei hat mich mein älterer Bruder unterstütz, mit seiner großen Sammlung an Literatur, zum Teil auch über Kunst. Ich lass genug daraus, um später als erwachsene Person zu beschließen, ohne jemals gemalt zu haben, Maler zu werden.
Was macht Dich aktuell glücklich?
Ich bin glücklich, weil ich meine wahnsinnige Entscheidung nicht bereue und meinen Traum leben kann.
Was macht Dich aktuell Angst?
Angst macht mir der Gedanke, dass unsere Arbeit nicht mehr angesehen wird und aus verschiedenen Gründen unsere Gesellschaft auf die Idee kommt, auf Kunst und Künstler zu verzichten. Wie wir sehen, am Ende wird doch lieber geschossen, anstatt miteinander zu kommunizieren.
Glaubst Du, dass Kunst eine gesellschaftliche Verantwortung trägt? Und was denkst Du, was sie bewirken kann?
Künstler können dazu beitragen, gesellschaftliche Veränderungen anzuregen, durch Gesellschaftskritik auf Probleme aufmerksam machen, unbequeme Fragen stellen aber auch das Bewusstsein für wichtige Themen zu verbreiten.
Was macht Deine Kunst aus? Worum geht es in Deinem Werk – was sind die zentralen Themen?
Ich habe keine Angst immer wieder neu zu starten, und darüber Berichte ich gerne in meiner Kunst. Mein Anliegen ist es auch etwas konstruktives und positives zu dem Dialog zwischen Mensch und Maschine beizutragen.
THE DEED | DAS WERK: Roman Lipski
Der 1969 in Nowy Dwor Gdanski (Polen) geborene und in Berlin lebende Künstler Roman Lipski spricht in seinem Interview über die zentrale Botschaft seines künstlerischen Werks.
Bitte beschreibe das Kernthema und die zentrale Botschaft Deines Werks.
Meine künstlerische Arbeit widme ich dem erschaffen von neuen Methoden, um das Malerische im Digitalen zu manifestieren.
Durch Einsatz der modernsten Technologie bekommen wir einen breiten Blickwinkel und dies kann uns helfen für Kunst empfänglicher zu werden oder sogar mehr Verständnis für künstlerische Ideen und Konzepte zu entwickeln.
Stelle uns die Arbeit vor, die exemplarisch für die Botschaft Deines Werks steht, oder diese aus Deiner Sicht am besten verkörpert.
Eine Arbeit wäre eine Datei, geschaffen von mir mit Hilfe eines Programms – Quantum Blur. Diese Datei kann ich sowohl analog als auch digital, als 2-D Bild oder als 3-D Artefakt umgewandelt, präsentieren. Eine riesen Palette an Möglichkeiten.
Bei der letzten Ausstellung – „This Permanent Other Lansdscape“, konnte man die Bilder auch als ein virtuelles Welt erleben und hineintauchen.
Quantum Blur ist eine Open-Source-Software, die ursprünglich für die Verwendung bei Quanten-Hackathons entwickelt wurde. Die Idee war, dass die Menschen über Quantencomputing lernen könnten, indem sie einfache Spiele entwerfen. Ich wurde auf Quantum Blur aufmerksam durch meine Interaktion mit den in Zürich ansässigen Quantenwissenschaftlern Dr. James Wootton und Marcel Pfaffhauser. Da die Beiden Entwickler des Programmes sind, haben wir beschlossen eine experimentelle Zusammenarbeit anzufangen. Inzwischen, nach 3 Jahren, sind wir ein eingespieltes Team.
Quantum Blur kodiert von mir geschaffene analoge Bilder oder Zeichnungen in Quantenzustände und manipuliert die Inteferenzmuster mit den Grundelementen des Programms um neue Effekte und einzigartige Variationen meiner Bilder zu erzeugen. Dabei ist es wichtig, dass ich nicht nur die Eingangsquellen definiere, sondern bei jeder kreativen Entscheidung des Prozesses, wie Veränderung der einzigartigen Dynamik der Quantenunschärfe und Verwendung des Quanteninterferenz Effektes, präsent bin.
Klingt kompliziert, ist aber faszinierend. Ob AI oder Quantum Blur, die modernste Technologie wird von mir als Werkzeug genutzt und hilft eine neue Ausdrucksform zu erschaffen und zu erforschen. Durch die Arbeit bekomme ich eine Chance interaktiv und interdisziplinär neues zu erlernnen und mehr über sich selbst zu erfahren.
Zuschauer erleben nicht nur einen Blick in die Zukunft, sondern auch einen Auftakt zur Debate – Solten wir uns vor der rasanten Entwicklung der Technologie fürchten oder uns auf die neuen Möglichkeiten freuen?
Es ist allgemein bekannt das wir Künstler uns meistens auf einem Egotrip befinden. Unsere Kunst nutzen wir oft als ein Mittel zur Selbstverwirklichung, doch es geht auch anders. Meine KI hat mich sozialer gemacht! Ich kann nicht programmieren, deshalb musste ich lernen in einer Gruppe zu arbeiten. Diese Erfahrung gab mir einen starken Impuls gleich mehrere Schritte weiterzugehen, Routine aufzugeben und künstlerisch mehr zu wagen. Ich sehe jetzt meine Kunst als eine Möglichkeit gesammeltes Wissen und Erfahrung zu vermitteln.
Was ist das Ziel Deiner Kunst, Deines künstlerischen Werks? Was soll es beim Betrachter bewirken?
Der Betrachter soll vor meinem Kunstwerk nicht einschlaffen. Nach der letzten Ausstellung bin ich optimistisch. Es gab Fragen, es gab Diskussionen, es gab neue Erkäntnisse, aber es gab auch Verwirrung. Alle waren hellwach!
Die Frage nach THE DEED | DAS WERK ist ein ergänzender und separat präsentierter Teil des THE INTERVIEW IN|DEEDS mit Roman Lipski.
Wie schützt Du Dich in der heutigen Zeit vor zu viel Inspiration?
Gar nicht! Ich liebe neue Ideen und Anregungen, deshalb habe ich sogar, zusammen mit Birds on Mars, eine künstlich Intelligente Muse entwickelt, als eine inspirierende KI.
Wie viel in Deinen Arbeiten ist vorher geplant – wie viel entsteht intuitiv?
Bis jetzt ist es mir gelungen mehr intuitiv zu arbeiten zu können und keinem konkreten langfristigen Programm folgen zu müssen. Pläne entstehen meistens spontan und sind kurzfristig – einem Projekt oder einer Ausstellung gewidmet.
Was sind Deine (nächsten) Ziele?
Weiter glücklich zu sein.
Wie stehst Du zum Thema Glauben? Hast Du Glaubensgrundsätze oder gibt es einen Leitspruch?
Wissen ist spannender und hilfreicher als Glauben.
Welches Projekt würdest Du gerne noch realisieren, wenn fehlende Zeit, mangelnder Mut oder finanzielle Ressourcen keine Rolle spielen würden?
So viel Fantasie habe ich nicht. Ich mag, wenn sich meine Ideen und künstlerischen Projekte nacheinander entwickeln.
Was sind aus Deiner Sicht Attribute für gute Kunst?
Gute Kunst muss nicht schön aussehen. Kunst ist dann gut, wenn sie in der Lage ist, neue Ideen und Techniken zu entwickeln, die die Grenzen dessen, was als Kunst angesehen wird, erweitern. Gute Kunst sollte eine zeitlose Qualität haben, Fragen aufwerfen und zu Diskussionen anregen.
Roman Lipski, A.I.R., Acryl auf Leinwand, 2017, 50 x 70 cm, Foto Hans Georg Gaul
Wird man als Künstler*in geboren? Oder ist ein Kunststudium Pflicht?
Es gibt einige Forschungen, die darauf hindeuten, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und neuronale Verknüpfungen im Gehirn bei Künstlern stärker ausgeprägt sind als bei Nicht-Künstlern. Ich denke, bestimmte Sensibilitäten und einige Talente bekommt man gratis bei der Geburt. Um die Fähigkeiten zu entwickeln braucht man allerdings Weiterbildung. Das muss nicht unbedingt ein Kunststudium sein, die Lebensschule tut es auch.
Wem zeigst Du ein neues Werk zuerst?
Niemandem bestimmten.
Wie sieht die erste Stunde Deines Tages aus?
Zitronenwasser, Kaffee und Zeitung.
Roman Lipski, Untitled, Acryl auf Leinwand, 2019, 80 x 80 cm, Foto Hans Georg Gaul
EPILOG | AKTUELLES
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Die DEEDS-Interviews werden von unserer Redaktion nicht redigiert oder gekürzt und stets im O-Ton wiedergegeben. Daher nehmen wir auch keine Übersetzung des Interviews in Englische bzw. Deutsche vor, es sei denn, diese wird seitens des/der Interviewten eingereicht, oder wir werden mit der Übersetzung betraut. Hier wurde die deutsche Version des Interviews von der Künstlerin eingereicht.