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Dienstag, September 17, 2024

Luiz Roque, Pia Arke, Jimmy DeSana & Paul P.: Drei Ausstellungen in den KW Institute for Contemporary Art | 06.07.-20.10.2024

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Die KW Institute for Contemporary Art in Berlin-Mitte zeigen noch bis zum 20. Oktober 2024 drei parallel laufende Sommerausstellungen mit Werken der Künstler:innenLuiz Roque, Pia Arke und Jimmy DeSana & Paul P.

Abb. oben: Luiz Roque, White Year, Video still, 2013. Performer: Glamour Garcia. Courtesy of the artist and Mendes Wood DM, São Paulo/Brussels/Paris/New York © the artist

Luiz RoqueEstufa

Estufa ist die erste Überblicksausstellung über das Werk des Künstlers Luiz Roque (* 1979, BR). Roques Schaffen bewegt sich im Spannungsfeld von Expanded Cinema, bildender Kunst und kritischer Theorie. Seine künstlerische Arbeit verbindet das Interesse am Vermächtnis der Moderne mit Popkultur, queerer (Bio-)Politik und Science-Fiction. Dieser bewusst anachronistische Ansatz kulminiert in zeitlosen Montagen und Environments, die die Dringlichkeit aktueller soziopolitischer Anliegen bestimmter Gruppen und Subkulturen verdeutlichen. Seine kurzen Videos mit offenem Ende sind spekulativ und lenken den Blick der Betrachter*innen auf die vielfältigen Möglichkeiten alternativer Realitäten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen in jedem Video zu einem zeitlosen Amalgam.

Roques skulpturale Videoinstallationen erkunden den schmalen Grat zwischen Form, Farbe und Inhalt, wobei die Aufnahmetechnik sowie die Vorführ- und Präsentationsverfahren die inhaltliche Aussage unterstützen. Dieser erweiterte Gebrauch des Mediums Video schließt sich nahtlos an die architektonischen Räume an, in denen Roques Arbeiten präsentiert werden. Das Ziel des Künstlers ist ein durchdachter Austausch zwischen Architektur und Kunstwerk, in dem beide ihre Eigenständigkeit bewahren und ihre jeweiligen Grenzen sich nie vollständig auflösen.

Estufa bedeutet auf Portugiesisch „Gewächshaus“. Der Titel der Ausstellung geht auf ein gleichnamiges Kunstwerk zurück, das Roque 2004 gemeinsam mit der Künstlerin Letícia Ramos realisierte. Ein großes Gewächshaus voller tropischer Gewächse und Blumen ist sowohl Thema als auch Schauplatz des Videos. Dieses früheste in der Ausstellung gezeigte Werk bildet den Rahmen für einen Rückblick auf exakt 20 Jahre künstlerischen Experimentierens und des Produzierens, der Entwicklung und des Wachstums. Zur Ausstellung erscheint die erste Monografie des Künstlers.

Kurator: Léon Kruijswijk

Kuratorische Assistenz: Lara Scherrieble

Pia Arke – Arctic Hysteria

Die KW präsentieren in Zusammenarbeit mit John Hansard Gallery, Southampton (UK), die erste Einzelausstellung der Künstlerin Pia Arke (* 1958, GL – † 2007, DK) außerhalb von Kalaallit Nunaat (Grönland) und den nordischen Ländern.

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Pia Arke, Selvportræt (Selbstportrait), Fotografie, 1992. Courtesy Pia Arke Estate. Privatsammlung, Langzeitleihgabe im Lousiana Museum of Modern Art © Pia Arke Estate

Von Ende der 1980er- bis Anfang der 2000er-Jahre hat Pia Arke die komplizierten Beziehungen zwischen Zeit, Erinnerung, Raum, Identität und Mythos in Bildern von und aus Grönland kartiert. Als Tochter einer grönländischen Mutter und eines dänischen Vaters ließ sie dabei biografische Komponenten ihrer eigenen komplexen Geschichte einfließen. In ihren Bildern geht es, mit Arkes eigenen Worten, um das Schweigen, das die Verbindungen zwischen Grönland und Dänemark umgibt, und darum, wie sie selbst in dieses Schweigen hineingeboren wurde. Arke bewegt sich dabei bewusst zwischen den Rollen der Künstlerin, Ethnografin und Forscherin hin und her und bedient sich verschiedener historischer, volkstümlicher und archivarischer Quellen. Sie gilt als Pionierin des dekolonialistischen Diskurses in den nordischen Ländern und der Arktis und beeinflusst diesen bis heute.

Der Titel Arctic Hysteria (arktische Hysterie) ist einer einflussreichen Werkreihe Pia Arkes entnommen. Die Ausstellung vereint fotografische, skulpturale, performative und schriftstellerische Werke sowie Arbeiten der Künstlerin auf Papier. Es werden die in Arkes Werken verarbeiteten Narrative beleuchtet, die sich um die kolonialen Beziehungen zwischen Grönland und Dänemark ranken, auch um eine Diskussion über fortbestehende koloniale Strukturen im Allgemeinen anzustoßen. Arkes künstlerische Praxis ist zwar aus der Verbindung der beiden Länder hervorgegangen, entfaltet sich jedoch als eine strukturelle feministische Kritik. Arctic Hysteria widmet sich Arkes durch den Körper vermittelten Methoden, insbesondere ihrem Einsatz performativer Strategien wie Montage, Inszenierung und Reinszenierung, mit denen sie versuchte, ein Gefühl der Zugehörigkeit und kritischen Selbstreflexion zu erzeugen.

Die Ausstellung wird von einer umfangreichen Publikation mit neuen Texten begleitet, der verschiedene Aspekte von Arkes Praxis in einem internationalen Diskurs erörtert, wobei der Schwerpunkt auf Stimmen aus der zeitgenössischen feministischen Forschung liegt.

Kuratorin: Sofie Krogh Christensen

Wissenschaftlicher Volontär und Kuratorische Assistenz: Aykon Süslü

Die Ausstellung in den KW wird gefördert durch die New Carlsberg Foundation.

Jimmy DeSana & Paul P. – Ruins of Rooms

Ruins of Rooms betrachtet das Genre des Porträts aus den Perspektiven von Jimmy DeSana (* 1949 – † 1990, USA) und Paul P. (* 1977, CA). Durch die Inszenierung ihrer Arbeiten in einer Reihe von Innenräumen werden die beiden Künstler hier zum ersten Mal in einen Dialog gesetzt.

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Links: Jimmy DeSana, Self-Portrait, 1985, Copyright Jimmy DeSana Trust; Courtesy Jimmy DeSana Trust und P·P·O·W, New York / Rechts: Paul P., Untitled, 2020. Courtesy der Künstler und Maureen Paley, London, Greene Naftali, New York, Cooper Cole, Toronto, und Massimo Minini, Brescia

Das Werk des Fotografen Jimmy DeSana reicht von den späten 1960er-Jahren bis 1990, als er an den Folgen einer AIDS-Erkrankung starb. Während der Nachkriegszeit als queere Person in einem Vorort von Atlanta aufzuwachsen war eine Erfahrung, die seine frühe Schwarz-Weiß-Serie 101 Nudes (1972/1991) prägte. Für diese arrangierte er seinen nackten Körper und die seiner Freund*innen in häuslichen Umgebungen der Mittelschicht. Nachdem er 1973 nach New York gezogen war, verbreitete er seine Arbeiten über lokale Mail-Art-Netzwerke und veröffentlichte regelmäßig in der von der Künstlergruppe General Idea herausgegebenen Zeitschrift File. Als fester Bestandteil der New Yorker Punk- und No-Wave-Szene sowie der queeren Fetisch-Subkultur der späten 1970er und frühen 1980er-Jahre war DeSana für seine Porträts der Avantgarde der Stadt bekannt. Für seine farbig beleuchtete Serie Suburban (1979–1985) kehrte er zur Inszenierung von Aktmodellen in alltäglichen Umgebungen zurück und setzte seine Erkundung von Konsumverhalten und SM-Ästhetik fort. Nach seiner HIV-Infektion Mitte der 1980er-Jahre nahm er Veränderungen an seinem eigenen Körper wahr, woraufhin er sich abstrakteren und experimentelleren Bildern zuwandte, in denen er häufig Alltagsgegenstände darstellte, etwa in Grill (1987) und Chair (1988).

Paul P. ist seit Anfang der 2000er-Jahre für seine melancholischen Zeichnungen und Gemälde bekannt. Seine meist titellosen Porträts junger Männer sind von Fotos aus schwulen Erotikzeitschriften inspiriert. Das Material, das insbesondere aus der Zeit zwischen dem Beginn der Schwulenbewegung in den späten 1960er-Jahren und der aufkommenden AIDS-Krise in den frühen 1980er-Jahren stammt, fand er in den LGBTQ2+-Archiven in Toronto. Paul P. interessiert sich für die historischen Darstellungsweisen homosexuellen Begehrens und macht sich dieses explizite Archivmaterial in der verschlüsselten Bildsprache von Malern des späten 19. Jahrhunderts zu eigen. Seine fragilen Arbeiten lösen die Dargestellten aus ihrem ursprünglichen Kontext und gestalten ihre Gesichter so, dass sie gleichzeitig an versteckte queere Andeutungen früherer Zeiten erinnern und zukünftige Tragödien vorausahnen lassen. Zuletzt hat Paul P. begonnen, Skulpturen in Form von Möbeln zu entwerfen. Die filigranen hölzernen Paravents, Schreibtische und Hocker, die sich zwischen dem Funktionalen und dem Skulpturalen bewegen, sind von dem viktorianischen Designreformer Edward William Godwin, der Art-Déco-Designerin Eyre de Lanux und dem Künstler Scott Burton, einem Zeitgenossen DeSanas, inspiriert.

Ruins of Rooms funktioniert wie eine Matrjoschka. Die Nebeneinanderstellung zweier Künstler verschiedener Generationen erweitert unser Verständnis des Porträts und ist denen gewidmet, die wir verloren haben.

Kurator: Krist Gruijthuijsen

Assistenzkuratorin: Linda Franken

Die Ausstellung wird mit großzügiger Unterstützung der KW Freunde realisiert.

WANN?

Ausstellungsdaten: Samstag, 6. Juli – Sonntag, 20. Oktober 2024

Öffnungszeiten: Mittwoch – Montag, 11 – 19 Uhr, Donnerstag, 11 – 21 Uhr

WO?

KW Institute for Contemporary Art
Auguststraße 69
10117 Berlin

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