14.3 C
Berlin
Donnerstag, Mai 15, 2025

Kunsterwerb durch private Förderung: Neue Nationalgalerie zeigt zentrale Werke von Maria Lassnig + Ewa Partum + Cornelia Schleime – Neue Nationalgalerie | ab 25.04.2025

Editors’ Choice

Vom 25. April bis zum Sommer 2025 präsentiert die Neue Nationalgalerie zentrale Neuerwerbungen bedeutender Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts in der Ausstellung „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“. Möglich wurde dies durch das Engagement von Birgit und Thomas Rabe, deren Förderung den Ankauf von Werken unter anderem von Maria Lassnig, Ewa Partum und Cornelia Schleime ermöglichte.

Abb. oben: Ausstellungsansicht „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Sammlung der Nationalgalerie 1945-2000“, mit erworbenen Werken von Cornelia Schleime und Ewa Partum, Neue Nationalgalerie, © Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz / David von Becker

Durch die private Initiative von Birgit und Thomas Rabe können im Frühjahr 2025 zentrale Werke der Künstlerinnen Maria Lassnig, Ewa Partum und Cornelia Schleime für die Sammlung der Nationalgalerie erworben werden. Die jährliche Zuwendung von 1 Millionen Euro für den Erwerb von Werken für die Neue Nationalgalerie ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Vorgesehen sind zunächst vor allem Ankäufe von Künstlerinnen. Die erworbenen Werke sind aktuell in der Neuen Nationalgalerie zu sehen.

Die langfristig angelegte Kooperation ermöglicht der Neuen Nationalgalerie, die selbst über einen nur geringen Ankaufsetat verfügt, einen Handlungsspielraum bei der notwendigen Erweiterung der Sammlung zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Einzelne Erwerbungen werden über die FREUNDE der Nationalgalerie oder durch Stiftungen wie der Ernst von Siemens-Stiftung in München ermöglicht. Durch die zunächst auf drei Jahre angelegte finanzielle Unterstützung von Birgit und Thomas Rabe hat das Museum nun erstmals wieder Planungssicherheit. In den nächsten drei Jahren sollen zunächst vor allem zentrale Werke von Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts erworben werden, die bisher in der Sammlung nicht vertreten sind. Insgesamt zehn Arbeiten konnte die Neue Nationalgalerie mit der diesjährigen Zuwendung an die FREUNDE der Nationalgalerie erwerben.

DEEDS.NEWS - Kulturforum Berlín, Neue Nationalgalerie -„Patriotischen Familie“ von Maria Lassnig © Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz - David von Becker
Ausstellungsansicht „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Sammlung der Nationalgalerie 1945-2000“, mit der „Patriotischen Familie“ von Maria Lassnig, Neue Nationalgalerie, © Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz / David von Becker

Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie: „Birgit und Thomas Rabe haben durch ihr privates Engagement die Perspektive der Neuen Nationalgalerie und des im Bau befindlichen berlin modern wesentlich verbessert. Mit einer großzügigen, mehrjährigen Spende erlauben sie uns, die Sammlung durch zentral wichtige Positionen zu erweitern. Wir selbst haben leider fast keinen Ankaufsetat. Die Rabes geben damit ein Beispiel, dem hoffentlich weitere Förderer folgen werden – Danke!”

Joachim Jäger, stellvertretender Direktor der Neuen Nationalgalerie: „Gerade weil es seit langem keine staatlichen Mittel für Ankäufe gibt, sind private Förderungen so wichtig. Wir sind sehr glücklich und dankbar über die großzügige Zustiftung für die Sammlung.“

Maike Steinkamp, Kuratorin an der Neuen Nationalgalerie: „Es ist uns ein großes Anliegen, Künstlerinnen eine größere Sichtbarkeit zu verleihen. Mit den Ankäufen können wir nun schmerzliche Lücken in der Sammlung endlich schließen.“

Birgit und Thomas Rabe: „Wir freuen uns sehr, die Neue Nationalgalerie bei der Erweiterung ihrer großartigen Sammlung zu unterstützen. Wir sammeln seit Jahren Kunst für uns privat, und nun, mit der Neuen Nationalgalerie, für die Öffentlichkeit.“

Unter den Ankäufen ist das Gemälde „Patriotische Familie“ (1963) der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig (1919-2014). Zusätzlich zum Ankauf überlässt die Maria Lassnig Stiftung der Neuen Nationalgalerie das Gemälde „Selbstporträt als Indianergirl“ (1973) als Dauerleihgabe, ein Bild das schon 1978 in Berlin zu sehen war, als sie als DAAD-Stipendiatin in der Stadt war. Lassnig gilt mit ihren starken, eigenwilligen Figurenbildern international als eine der prägendsten Malerinnen unserer Zeit. Sie entwickelte den Begriff der Körpergefühlsmalerei. So entstehen ihren Bildideen aus einem subjektiv Körperempfinden heraus, das auch im Malvorgang eine große Rolle spielt und zu außergewöhnlichen Farbgebungen führt. Das Werk „Patriotische Familie“ ist ein frühes, herausragendes Beispiel für diese Malerei. Zugleich ist in der „Patriotischen Familie“ eine Abrechnung mit Pablo Picasso und dem von ihm visualisierten Frauenbild erkennbar.

DEEDS.NEWS - Kulturforum Berlín, Neue Nationalgalerie - Maria Lassnig - © Maria Lassnig Stiftung - VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Maria Lassnig: Patriotische Familie, 1963, Öl auf Leinwand, 129 x 161.8 cm, gerahmt: 130.5 x 163 x 4.5 cm, Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz , © Maria Lassnig Stiftung / VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Die zweite maßgebliche Erwerbung ist der Ankauf der sechsteiligen Fotoserie „Selbstidentifikation“ (1981) der polnischen Künstlerin Ewa Partum (*1945). Zusätzlich konnte die Sammlung als Geschenk der Künstlerin die wichtige Videoarbeit „Change“ (1974) erhalten. Partum ist eine der Pionierinnen der feministischen Kunst in Polen. In ihren Fotocollagen aus der Serie Selbstidentifikation zeigt die Künstlerin ihren nackten Körper im öffentlichen Raum von Warschau, vor dem Regierungssitz, vor einer Verkehrspolizistin auf der Straße oder in einer Schlange vor einem Lebensmittelgeschäft. Nacktheit galt in den sozialistischen Ländern sowohl als autoritäts- und systemkritische Geste als auch als Widerstand gegen die herrschenden gesellschaftlichen Umgangsformen und den konservativen Katholizismus. Durch die Befreiung des Körpers verknüpft Partum weitere politische Themen mit dem Feminismus.

DEEDS.NEWS - Kulturforum Berlín, Neue Nationalgalerie - Ewa Partum - © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Ewa Partum: Selbstidentifikation, 1981 und 1980/89, s/w Fotografie, Silbergelatine auf Barytpapier, je 36,1 cm x 49,7 cm, Erwerbung der FREUNDE der Nationalgalerie, ermöglicht durch Thomas und Birgit Rabe, Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Auch in der dritten Erwerbung steht die Befreiung des Körpers im Vordergrund. Angekauft werden konnten fünf Fotografien der Berliner Künstlerin Cornelia Schleime (*1953) aus der Serie „Selbstinszenierung. Bondage“ (1982) und „Ich halt‘ doch nicht die Luft an“ Selbstinszenierung in Hüpstedt“ (1982) sowie der Super 8 Film „Unter weißen Tüchern“ aus dem Jahr 1983. Schleime lebte damals in der DDR und war mit einem Ausstellungsverbot belegt. In ihren Fotografien und Filmen aus dieser Zeit zeigt die Künstlerin die Beschränkungen und Unterdrückung auf, die sie durch den Druck des DDR Regimes damals empfand. Sie zeigt sich gefesselt und geknebelt. Ein Opfer ist die Künstlerin dabei jedoch nie. Sie ist die mutig Aufbegehrende, wie sie selbst durch einen ihrer Werktitel sagte: „Ich halt‘ doch nicht die Luft an!“

DEEDS.NEWS - Kulturforum Berlín, Neue Nationalgalerie - Cornelia Schleime - © The artist and Courtesy Galerie Judin, Berlin - Photo Bernd Hiepe
Cornelia Schleime: Selbstinszenierung „Ich halte doch nicht die Luft an“, Hüpstedt 1982, Reprint 2016, Inkjet print on Hahnemühle paper, 42 x 29.7 cm, Edition of 6+2AP, Neue Nationalgalerie, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, © The artist and Courtesy Galerie Judin, Berlin / Foto: Bernd Hiepe

Alle Erwerbungen sind aktuell in der Sammlungspräsentation „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft. Sammlung der Nationalgalerie 1945 – 2000“ zu sehen, die von Joachim Jäger, Maike Steinkamp sowie Marta Smolińska, Professorin für Kunstgeschichte an der Magdalena Abakanowicz Universität der Künste Poznań, kuratiert wird. Bislang wurden die Arbeiten nur als Leihgaben gezeigt – wie viele weitere Werke von Künstlerinnen, die ganz bewusst in die Präsentation integriert wurden, um einen differenzierteren und weiblicheren Blick auf die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu ermöglichen.

Die Sammlung der Nationalgalerie ist, wie die meisten öffentlichen Kunstsammlungen in Deutschland, bislang stark männlich geprägt. So sollen nach dem Ankauf der Werken von Lassnig, Partum und Schleime im nächsten Jahr weitere Erwerbungen im Bereich Video, Performance und Fotografie folgen – auch dies Werke, die derzeit schon in der „Zerreißprobe“ zu sehen sind, darunter Arbeiten von Künstlerinnen wie Marina Abramović, Agnes Denes, Yoko Ono oder Nancy Holt. Für 2027 ist der Ankauf eines Werkes aus der Klassischen Moderne geplant.

WANN?

Ausstellungsdaten: Freitag, 25. April – Sommer 2025

Öffnungszeiten: Dienstag – Mittwoch 10 – 18 Uhr, Donnerstag 10 – 20 Uhr, Freitag – Sonntag 10 – 18 Uhr

WO?

Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin

- Advertisement -spot_img

IHRE MEINUNG | YOUR OPINION

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

OPEN CALL 2025

spot_img
- Advertisement -spot_img

Latest article