Unter dem Titel „das flüchtige weitergeben“ eröffnet die 13. Berlin Biennale am Abend des 13. Juni 2025 an vier Orten in Berlin mit über 170 Arbeiten von mehr als 60 Künstler*innen. Mehr als die Hälfte dieser Arbeiten wurden eigens für die Ausstellung produziert. Während der gesamten Laufzeit der 13. Berlin Biennale finden an verschiedenen Orten der Stadt Aktivierungen statt. Unter dem Titel Encounters öffnen sie den Raum der Ausstellung auch für unerwartete und ephemere Akte, nicht alle kündigen sich im Vorhinein an. Die aktuelle Ausgabe der Berlin Biennale wird von Zasha Colah kuratiert. Valentina Viviani ist Assistenzkuratorin.
Abb. oben: courtesy of 13. Berlin Biennale for Contemporary Art
Künstler*innen arbeiten auch unter widrigsten Umständen – in Haft, unter Zensur, Repression und Folter. Im Angesicht legislativer Gewalt erheben Künstler*innen künstlerische Ansprüche. Die indische Kuratorin Zasha Colah arbeitet für die 13. Berlin Biennale unter anderem mit Künstler*innen aus Myanmar, dem Nordosten Indiens, aus Argentinien, dem Sambesi-Gürtel, dem Sudan, aus Kasachstan, Ungarn, Italien und Deutschland zusammen.
Es gab in der Geschichte der Berlin Biennale wohl kaum einen geeigneteren Zeitpunkt, um internationale Perspektiven auf unsere Zeit auszustellen. Die Ausstellung befasst sich mit der Art und Weise, wie das Denken und die Vorstellungskraft selbst unter Bedingungen der Verfolgung, der Militarisierung und des Ökozids fortbestehen. Trotz der Einschränkung ihrer Freiheiten können Künstler*innen im konzentrierten Raum ihres Denkens eine tiefe Freiheit entdecken.
Der Titel der 13. Berlin Biennale, das flüchtige weitergeben, verweist auch auf den ästhetischen Charakter der gezeigten Werke, auf flüchtige Formen der Übertragung und Materialisierung, auf eine Kunst, die Körper und Oralität einbezieht. In der Veranstaltungsreihe Encounters sprechen die Kunstwerke die Betrachter*innen direkt an: in Theaterinszenierungen, Lesegruppen, Vorträgen, Tribunalen, Spoken Word, Gedenkspaziergängen und Stand-up-Comedy.
Folgende Künstler*innen sind Teil der 13. Berlin Biennale:
KW Institute for Contemporary Art
Akademia Ruchu; Anawana Haloba; Armin Linke; Bwanga „Benny Blow“ Kapumpa; Chaw Ei Thein; Die Fliege (Htein Lin, Chaw Ei Thein); Etcétera; Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt; floral (Ceija Stojka, Erika Kobayashi, Fredj Moussa, Hannah Höch, Nyi Pu Lay und Ma Thida, OMARA Mara Oláh, Steve McQueen); Freeszfe; Gernot Wieland; Gernot Wieland mit Carla Åhlander & Konstantin von Sichart; Han Bing & Kashmiri Cabbage Walker; Huda Lutfi; Iris Yingzen; Judith Blum Reddy; Kazuko Miyamoto; Kikí Roca, Las Chicas del Chancho y el Corpiño; Margherita Moscardini; Mila Panić; Mila Panić und Gäste (Carmen Chraim, Deo Katunga, Maya Upchurch, Sasha Dolgopolov, Tamer Katan, Victor Patrascan); Nge Nom; Panties for Peace; parallelgesellschaft; Piero Gilardi; Sarnath Banerjee; Sawangwongse Yawnghwe; Tsuyoshi Ozawa (mit Andreas Eberlein, Dagmar Tinschmann, Daisuke Deguchi, Jinran Kim, Kathrin Schiffbauer, Li Koelan, Manuela Warstat, Yuan Shun); Yoshiko Shimada und BuBu de la Madeleine; Zoncy Heavenly
Sophiensæle
Amol K Patil; Daniel Gustav Cramer; Luzie Meyer; Major Nom
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Gabriel Alarcón; Jane Jin Kaisen; Larissa Araz; Vikrant Bhise; Zamthingla Ruivah Shimray
Ehemaliges Gerichtsgebäude Lehrter Straße
Anna Scalfi Eghenter; Artcom Platform; Busui Ajaw; Elshafe Mukhtar; Exterra XX – Künstlerinnengruppe Erfurt; flüchtigkeit (Daniella Bastien, ☂️ M. M. Thein, Steve McQueen); Fredj Moussa; Helena Uambembe; Htein Lin; Isaac Kalambata; Memory Biwa; Memory Biwa und Gäste (Anike Joyce Sadiq, Céline Barry, Lusine Khurshudyan); Merle Kröger; Milica Tomić; Padmini Chettur; People’s Tribunal (mit Bana Group for Peace and Development, ALPAS Pilipinas und International Coalition for Human Rights in the Philippines (ICHRP) – Germany, சிந்துஜன் வரதராஜா (Sinthujan Varatharajah), مشترى هلال (Moshtari Hilal)); Salik Ansari; Shahana Rajani; Simon Wachsmuth; Stacy Douglas.
Für die 13. Berlin Biennale gestaltet atelier le balto den Garten am ehemaligen Gerichtsgebäude Lehrter Straße und betreut das künstlerische Projekt von Nge Nom in den KW Institute for Contemporary Art.
Encounters und fugitive acts
Während der gesamten Laufzeit der 13. Berlin Biennale finden an verschiedenen Orten der Stadt Aktivierungen statt. Unter dem Titel Encounters öffnen sie den Raum der Ausstellung auch für unerwartete und ephemere Akte, nicht alle kündigen sich im Vorhinein an. Diese geplanten und überraschenden Begegnungen zielen auf unmittelbare Kompliz*innenschaft, auf ein anderes Verhältnis zwischen Kunstwerk und Publikum.
Programm am Eröffnungswochenende:
Han Bing: Walking the Cabbage in Berlin [Den Kohl in Berlin ausführen], 2020/25
Einen Kohl auf einem kleinen Wagen spazieren zu führen, ist eine absurde Geste, die die Absurdität gewisser politischer Realitäten in Zeiten von Militarisierung oder Zensur satirisch verspottet. Walking the Cabbage ist eine soziale Intervention, die Han Bing erstmals im Jahr 2000 auf dem Tiananmen-Platz in Peking performte. Seitdem führt Bing Kohlköpfe, aber auch andere Gemüse- und Obstsorten durch den öffentlichen Raum spazieren, um einen Dialog anzuregen und kritische Reflexion zu fördern. Anlässlich der Eröffnung der 13. Berlin Biennale wird Bing unter dem Titel Walking the Cabbage in Berlin [Den Kohl in Berlin ausführen] (2020/25) den Kohl erneut „Gassi führen“. Bing begreift Kohlgemüse als Symbol für die Ernährung auf dem Land und verweist auf seine Bedeutung im heutigen China als Hauptnahrungsmittel für Menschen mit begrenzten Ressourcen.
KW Institute for Contemporary Art
Treffpunkt: Gehweg vor den KW Institute for Contemporary Art
13. Juni 2025, 20 Uhr
Major Nom mit Shu1o1O, Ngar galay (Little Fish), Larmashee: The Beggars’ Convention [Die Bettler*innen-Tagung], 2025
Der burmesische Regisseur und Junta-Kritiker Zarganar schrieb das Theaterstück Beggars’ National Convention, in dem er die Burma Socialist Programme Party verspottete, 1987 im Vorfeld der Wahlen. Nach einer der Aufführungen wurden die Spielenden verhaftet. Für die 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst wird Major Nom, eine Schlüsselfigur des Civil Disobedience Movement nach dem Militärputsch in Myanmar 2021, das vormals männlich besetzte Stück als Anyeint-Performance mit queeren und sich als weiblich identifizierenden Darsteller*innen in Drag neu inszenieren.
Sophiensæle, Festsaal
14. Juni 2025, 17 Uhr + 20 Uhr
15. Juni 2025, 17 Uhr + 20 Uhr
Gabriel Alarcón: 4000 m ü. NN, 2025
Die Prozessionswege in den Anden sind durch apachetas markiert – Steinhaufen, die gemeinschaftlich von Wander*innen errichtet wurden, von denen jeder einen Stein trägt, der ihre Wünsche und Bitten an übernatürliche Wesen repräsentiert. Die Präsenz dieser Steinansammlungen symbolisiert die Widerstandskraft einer Kultur, die nicht vollständig ausgelöscht werden konnte. Gabriel Alarcón errichtet in Berlin eine kleine apacheta unter Verwendung lokaler Steine und Elemente.
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Treffpunkt: Haupteingangstor auf der Invalidenstraße
15. Juni 2025, 14 Uhr
Milica Tomić: The Berlin Statement. Who Makes Profit on Art and Who Gains From It Honestly? [Das Berlin Statement. Wer profitiert von der Kunst und wer profitiert ehrlich von ihr?], 2025
Die Performance The Berlin Statement. Who Makes Profit on Art and Who Gains From It Honestly? [Das Berlin Statement. Wer profitiert von der Kunst und wer profitiert ehrlich von ihr?] von Milica Tomić erweitert das Edinburgh Statement des jugoslawischen Konzeptkünstlers Raša Todosijević (1945–2024). Er schrieb und performte dieses Werk 1975 als scharfe Kritik und Analyse der Machtverhältnisse des globalen Kunstsystems. In ihrer Performance nutzt Tomić Raum und Sprache, um von Todosijević ausgehend die Rollen und Dynamiken im heutigen Kunstsystem zu entlarven und neue Antworten auf die gegenwärtige Lage zu finden. Ihr Werk spiegelt die Verschiebungen in der Kunstwelt unter dem Druck des globalen neoliberalen Kapitalismus und dem Aufstieg der oligarchischen Technokratie und zeigt, wie auch im Feld der Kunst weiterhin Klassenkämpfe ausgefochten werden.
Tomić führte das Edinburgh Statement erstmals 2012 im Rahmen der Pančevo Biennale und des Symposiums Oktober XXX auf. 2016 überarbeitete sie das Stück unter dem Titel The Nottingham Statement aus feministischer Sicht. Eine weitere Version, mit der sie das Stück in einen neuen kulturellen und politischen Kontext stellte, performte sie 2022 unter dem Titel The Belgrade Statement im 59. Oktober-Salon.
Ehemaliges Gerichtsgebäude Lehrter Straße
Treppenhaus, 1. OG
15. Juni 2025, 18 Uhr
Ausstellungsbegleiter / Publikation
Die begleitende Publikation zur 13. Berlin Biennale enthält Informationen zu den Künstler*innen sowie weiterführende Texte zum kuratorischen Konzept und den Ausstellungsorten der 13. Berlin Biennale. Autor*innen sind Alicja Schindler, Claire Tancons, Kate Sutton, Kito Nedo, Somrak Sila, Sumesh Sharma, Valentina Viviani und Zasha Colah. Die Publikation ist an den Kassen in den KW Institute for Contemporary Art und im ehemaligen Gerichtsgebäude Lehrter Straße, bei Walther König im Hamburger Bahnhof sowie auf der Website der 13. Berlin Biennale erhältlich.
184 Seiten, 12 €
Gestaltung: Enver Hadzijaj
ISBN 978-3-00-082629-0
WANN?
Eröffnung: Freitag, 13. Juni 2025, 19 Uhr
Ausstellungsdaten: Samstag, 14. Juni – Sonntag, 14. September 2025
WO?
1.
KW Institute for Contemporary Art
Auguststraße 69
10117 Berlin
2.
Sophiensæle
Sophienstraße 18
10178 Berlin
3.
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Invalidenstraße 50
10557 Berlin
4.
Ehemaliges Gerichtsgebäude in der Lehrter Straße
Lehrter Straße 60
10557 Berlin