Die Sonderausstellung Geschichte(n) Tansanias, die ab dem 28. November 2024 im Humboldt Forum zu sehen ist, beleuchtet die wechselvolle(n) Geschichte(n) des heutigen Tansania. Kuratoren aus Dar es Salaam, Songea und Berlin haben die Ausstellung gemeinsam entwickelt. Sie tauschten sich mit Vertretern aus Tansania aus und zeigen in der Ausstellung deren unterschiedliche Perspektiven und Erzählungen, die sich auch mit der gewaltsamen deutschen Kolonialherrschaft und ihren Folgen auseinandersetzen. Zu sehen sind auch Kurzfilme von Schülerinnen und Schülern aus Berlin und Dar es Salaam, die sich in ihren Städten auf die Suche nach Spuren des Kolonialismus begeben haben. Ergänzt wird die Ausstellung durch ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm tansanischer Künstler aus den Bereichen Film, Tanz, Fotografie, Medienkunst und Musik. Als Höhepunkt des Programms rund um die Eröffnung wird die tansanische Tanzkompanie MUDA Africa die Europapremiere ihres aktuellen Stücks Frozen Power präsentieren.
Abb. oben: Geschichte(n) Tansanias © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Studio Gründer Kirfel, Foto: Michael Degener.
Das Gebiet des heutigen Tansanias blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Durch seine Lage am Indischen Ozean waren die dortigen Gesellschaften früh Akteur*innen in transregionalen Handelsnetzwerken. Während der deutschen Kolonialherrschaft zwischen 1884 und 1919 war Tansania Teil der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“, danach wurde es bis zur Unabhängigkeit 1961 unter dem Namen „Tanganyika“ unter britische Herrschaft gestellt. Die Folgen von Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt der Kolonialherrschaften sind bis heute spürbar. Während dieser Zeit wurden Tausende, heute Cultural Belongings genannte ‚Objekte‘ nach Deutschland gebracht. Allein im Ethnologischen Museum in Berlin befinden sich heute mehr als 10.000 ‚Objekte‘ aus dem Gebiet des heutigen Tansania.
Sonderausstellung
Welche Geschichten erzählen diese Cultural Belongings? Die Ausstellung zeigt die über Jahrhunderte gewachsenen Verflechtungen des heutigen Tansanias mittels verschiedener Erzählungen und Perspektiven. Ein Schwerpunkt liegt auf der Zeit der kolonialen Unterdrückung und Ausbeutung. Koloniale Erzählungen werden kritisch reflektiert und rassistische Zuschreibungen hinterfragt.
Die Ausstellung wurde kollaborativ entwickelt: Kurator*innen aus Dar es Salaam, Songea und Berlin sowie Vertreter*innen von Communities in Tansania kommen in Texten und filmischen Interviews in der Ausstellung zu Wort. Werke von ostafrikanischen Künstler*innen setzen sich kritisch mit dem kolonialen Blick auseinander. Die Cultural Belongings und die Beiträge unterschiedlicher Perspektiven werden in einer Architektur aus Teakholz und Bambus präsentiert, die die ‚Objekte‘ zugleich schützt und eine ästhetisch-sinnliche Erfahrung bietet.
Kurzfilmprojekt City Research
Integraler Bestandteil der Ausstellung ist das internationale Schüler*innenprojekt City Research. Zwei Gruppen von Schüler*innen – eine in Berlin, eine in Dar es Salaam – haben sich auf Stadterkundungen begeben und sich mit heute erkennbaren Spuren des Kolonialismus befasst. In der Ausstellung werden Kurzfilme aus dem Projekt gezeigt, die sich z.B. mit Gebäuden, Straßennamen und Plätzen beschäftigen.
Die Ausstellung ist eine Kollaboration des National Museum of Tanzania, des Ethnologischen Museums und des Zentralarchivs, Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.
Veranstaltungen – Programm zur Eröffnung
Ergänzt wird die Ausstellung am Eröffnungswochenende und danach durch ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm aus Filmen, Tanz, gemeinsamem Essen, Fotografie- und VR-Präsentationen, Bao-Spiel-Workshops und Konzerten, das aktuelle, künstlerische Positionen aus Tansania und der tansanischen Diaspora präsentiert. Die tansanischen Künstler*innen reflektieren den langen Schatten der Kolonialzeit auf künstlerisch-kritische Art und Weise und formulieren Zukunftsvisionen jenseits kolonialer Narrative. Das Publikum erhält Einblicke in aktuelle Debatten, Ästhetiken und Strategien der kulturellen (Wieder-)Aneignung und erlebt in Schlaglichtern die dynamische, junge und stetig wachsende Kultur- und Kunstszene Dar es Salaams, eine der am schnellsten wachsenden Metropolen weltweit.
Highlights (Auswahl)
Am 30. November 2024 präsentierte das legendäre Plattenlabel SISSO Records aus Dar es Salaam eine Singeli Label Night mit Live-Acts der Singeli-Szene u.a. mit Jay Mita, Kadilida, Nana & Zai. Singeli ist der Sound des jungen Dar es Salaam – ein hybrider Mix traditioneller tansanischer Musikformen wie Taraab und Ngoma mit Electro-Beats, gepitcht auf bis zu 300 bpm – tanzbar, ekstatisch, subversiv, für die eigene Community geschaffen und wie der urbane Raum von Dar es Salaam pulsierend vielschichtig.
In einer Music Lecture am 30.11. und 1.12.2024 führt der legendäre John Kitime, seit über 50 Jahren leidenschaftlicher Chronist der tansanischen Musikkultur, durch die Geschichte(n) Tansanias und macht diese hör- und erlebbar. Er spielt Hits und Raritäten aus seinem einzigartigen Archiv und erzählt all die Geschichten, die sich hinter Plattencovern, Demo-Tapes und Vinyl-Raritäten verbergen – von den Jahren des Unabhängigkeitskampfes, über die prägende Zeit des afrikanischen Sozialismus (Ujamaa) bis in die Gegenwart. Unermüdlich bereist der populäre Musiker und Radio-Moderator das Land, um vermeintlich verlorene Tonträger zu katalogisieren, zu digitalisieren und zugänglich zu machen.
Das DAR Foto Festivals ist am gesamten Eröffnungswochenende mit einer Pop-Up-Präsentation im Humboldt Forum präsent. Fünf junge Fotograf*innen wurden vom Festival beauftragt, sich mit dem Thema „Koexistenz“ auseinanderzusetzen, und Fragen zu historischer Erinnerung, Vielfalt und Identität im heutigen Tansania zu behandeln.
Als weiteren Höhepunkt des Eröffnungsprogramms präsentiert die tansanische Tanz Company MUDA Africa vom 5.–8. Dezember 2024, jeweils um 19 Uhr, die Europapremiere ihrer aktuellen Arbeit Frozen Power. In einer Mischung aus zeitgenössischem Tanz und Theater thematisiert der Choreograf Ian Mwaizunga Female Empowerment und die Kraft der Re-Imagination von Geschichte. Fünf Tänzer*innen und ein Live-Musiker erzählen die Geschichte einer Herrscherin, die zwischen Kolonialbesatzung und lokalen Intrigen um ihre Macht kämpfen muss.
WANN?
Eröffnung: Donnerstag, 28. November 2024
Ausstellungsdaten: ab Donnerstag, 28. November 2024
Öffnungszeiten: Mittwoch – Montag, 10:30 – 18:30 Uhr
Singeli Label Night: Samstag, 30. November 2024, 19 Uhr
Europapremiere: Frozen Power. Tanz-Gastspiel von MUDA Africa aus Dar es Salaam: Donnerstag, 5. Dezember – Sonntag, 8. Dezember 2024, 19 Uhr
WO?
Humboldt Forum
Schloßplatz
10178 Berlin