Das Museum Folkwang in Essen erhält als erste öffentliche Institution in Deutschland den Tiemann-Preis. Es konnte mit seiner Bewerbung für eine Werkgruppe des in Berlin lebenden Malers Armin Boehm (*1972) überzeugen und nimmt den mit 50.000 Euro dotierten Ankaufsetat am 3. November 2023 bei einem Festakt im Beisein des Künstlers und des Stifterpaares Tiemann im Museum Folkwang in Essen entgegen. Die neu ins Leben gerufene Auszeichnung richtet sich direkt an Museen und Kunstinstitutionen und ermöglicht die Erweiterung der jeweiligen Sammlung durch den Ankauf zeitgenössischer Malerei. Kurz nach Bekanntgabe der Juryentscheidung findet am 7. September 2023 ein Künstlergespräch mit Armin Boehm im Rahmen der Ausstellung VERMEER CONTEMPORARY in Berlin statt (Termin siehe unten), an der Boehm mit einem Werk beteiligt ist.
Abb oben: Armin Boehm, Monetozän, 2017, Öl und Stoff auf Leinwand, 170 x 180 cm © Lepkowski Studios Berlin
Die Jury überzeugte der Wunsch des Museums, vier Werke von Armin Boehm in seine Sammlung aufzunehmen. Mit seinen gemalten Gesellschaftsallegorien greift Boehm jenes Genre auf, das Künstler wie Max Beckmann, George Grosz und Otto Dix maßgeblich geprägt haben. Durch den Ankauf der repräsentativen Werkgruppe von Armin Boehm erweitert das Museum Folkwang seine Sammlung, die u. a. einen Schwerpunkt im Expressionismus und verwandter künstlerischer Positionen der 1920er und 1930er Jahre hat, und setzt zugleich den Ausbau der Sammlung um bedeutende malerische Werkgruppen der Nachkriegs- und Gegenwartskunst eindrucksvoll und zeitgemäß fort. Da das Museum seine Sammlung seit 2019 nicht mehr chronologisch, sondern nach Themen präsentiert, werden Armin Boehms Werke künftig in direkter Nachbarschaft zu den verwandten Exponaten des 20. Jahrhunderts zu sehen sein.
„Boehm widmet sich in seinen Bildern den Konflikten und Verwerfungen aktueller (westlicher) Gesellschaften, wobei er insbesondere die Macht der Sozialen Medien thematisiert. Sujets von Memes, Hassbildern und aktivistischen Bildformaten überträgt er in eine mit textilen Elementen angereicherte Ölmalerei, verbindet sie dabei ebenso virtuos wie provokant und liefert so ein Panoptikum an Motiven politischer Ideologisierung und Radikalisierung. Apokalyptische Ängste und Nachtgedanken prägen die Stimmung von Boehms Bildern nicht anders als die seiner Vorbilder aus dem letzten Jahrhundert“, heißt es in der Begründung der Fachjury.
Die Jury
Die Fachjury für den Tiemann-Preis 2023 bildeten in diesem Jahr:
Dr. Anette Hüsch, Direktorin, Kunsthalle zu Kiel
Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin, Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main
Prof. Dr. Annette Tietenberg, Professorin für Kunstwissenschaft, HBK, Braunschweig
Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Kunsthistoriker und Autor, Leipzig/München
Marcus Woeller, Redakteur und Autor, Berlin
Die vom Museum Folkwang für den Tiemann-Preis 2023 eingereichte Werkgruppe des Künstlers Armin Boehm besteht aus insgesamt vier Gemälden, in deren Zentrum das großformatige Bild Monetozän (2017) steht, eine Allegorie auf unser globalisiertes, turbokapitalistisches Zeitalter. Das Bild handelt von der mitleidlosen Verwertung des Menschen in einem als mechanisiert dargestellten System aus Geld, Öl und Krieg. Inspiriert ist das Bild von dem Film „Metropolis” von Fritz Lang. Vor der Kulisse einer brennenden Wüstenstadt, der Zentrale eines Ölkonzerns und dem Holocaust-Mahnmal spielen groteske Figuren ein dubioses Kartenspiel mit den Konterfeis von Diktatoren. Das Buch „Blood Diamonds” liegt auf dem Tisch, die darum sitzenden Kartenspieler erinnern mit ihren hybriden Gesichtern sowohl an Roboter aus der Pop- & Filmkultur, als auch an bekannte Persönlichkeiten wie Theresa May, George Soros, Wladimir Putin, Mohammed bin Salman al-Saud, Barack Obama oder den Amazon-Gründer Jeff Bezos, der ein wucherndes Gehirn mit dem Auge des Supercomputers HAL hat.
Ergänzt wird das zentrale Gemälde durch drei weitere Arbeiten: Die beiden Porträts Sils Maria (Friedrich Nietzsche) und Climate change (Greta Thunberg), aus einer aktuellen Serie von 2022, zeigen Prominente und Persönlichkeiten der westlichen Geistesgeschichte, dargestellt als humorvolle Memes, die ihren Ursprung in der amerikanischen Comicfigur „Pepe the Frog“ haben. Das Gemälde Hibiskusrot (2020/21) repräsentiert die langjährige Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Motiv des Stilllebens. Alle ausgewählten Werke vereinen die für Armin Boehm charakteristische Collagetechnik aus Ölmalerei und textilen Elementen. Ab dem 3. November wird das Museum die vier Gemälde erstmals öffentlich präsentieren und dem Hauptwerk Monetozän einen eigenen Sammlungsraum widmen.
Der Künstler
Armin Boehm, 1972 geboren in Aachen, lebt und arbeitet in Berlin. Boehm besuchte die Kunstakademien in Münster und Düsseldorf, wo er bis 2001 Schüler von Konrad Klapheck und Meisterschüler bei Jörg Immendorff war. Er erhielt Stipendien der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf für die Cité Internationale des Arts Paris. Boehm ist bundesweit und im Ausland in namenhaften Galerien mit Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten.
Das Museum Folkwang
Einzigartige Werke von Cézanne und Gauguin treffen auf Arbeiten von Dix, Grosz, Rothko und Richter: Das Museum Folkwang ist eines der renommiertesten deutschen Kunstmuseen mit einer herausragenden Sammlung der Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts, der Klassischen Moderne und der Kunst nach 1945 sowie der Fotografie. Als erstes deutsches Kunstmuseum dieser Größe gewährt das Museum Folkwang allen Besucherinnen und Besuchern freien Eintritt in die Sammlung.
Die traditionsreiche Sammlung präsentiert sich unter dem Titel „Neue Welten“ aus überraschender Perspektive: Malerei trifft auf Fotografie, Skulptur oder Grafik und geht mit Weltkunst und Plakat inspirierende Konstellationen ein. So treten Lieblingswerke in Dialog mit noch unbekannten Objekten. Die 24 Ausstellungsräume sind medien- und epochenübergreifend arrangiert und verbinden sich für die Besucherinnen und Besucher zu einem anregenden Spaziergang von den Anfängen der Sammlung mit Hauptwerken von Rodin und van Gogh über die deutschen Expressionisten bis in unsere Gegenwart mit Werken von Katharina Sieverding oder Eliza Douglas.
Die Tiemann-Stiftung
Die Ingeborg und Dr. H. Jürgen Tiemann-Stiftung verleiht 2023 erstmals den mit 50.000 Euro dotierten Tiemann-Preis. Der Preis richtet sich an Museen und Kunstinstitutionen, die über eine eigene Sammlung zeitgenössischer Kunst verfügen. Der bundesweit ausgeschriebene Preis ermöglicht es, die jeweilige Sammlung durch den Ankauf eines Werks oder einer Werkgruppe aus dem Bereich Malerei zu erweitern. Er soll damit einen wesentlichen Beitrag zum aktuellen Kunstdiskurs beitragen und herausragende malerische Positionen dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Die Ingeborg und Dr. H. Jürgen Tiemann-Stiftung wurde 2018 gegründet und engagiert sich, neben der neu ins Leben gerufenen Initiative zur Förderung zeitgenössischer Malerei, in den Bereichen Bildung, Denkmalpflege, Naturschutz und Musik. Unter dem Namen „Tiemann-Stiftung“ werden bei der Studienstiftung des deutschen Volkes Mittel im Rahmen von Forschungsprojekten vergeben. Auf dem Gebiet der Denkmalpflege und des Naturschutzes ist die Tiemann-Stiftung bei der Finanzierung von Restaurierungen aktiv und unterstützt u.a. den Verein Freunde Preußischer Schlösser und Gärten e.V. sowie das Berliner Stadtschloss. Darüber hinaus ist die Tiemann-Stiftung ein wichtiger Partner der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.
WAS?
Künstlergespräch Armin Boehm
Artist-Talk mit dem Künstler Armin Boehm (*1972 in Aachen) und Publizist Sebastian C. Strenger im Rahmen der Ausstellung VERMEER CONTEMPORARY
WANN?
Donnerstag, 07. September 2023, 19.30 Uhr
WO?
CSR.ART, Friedrichstraße 69, 10117 Berlin