Der Niederländer Geer Pouls ist seit 1996 als Galerist tätig. Ende 2006 zog er von Rotterdam nach Berlin und betreibt seit dem in der Torstraße in Mitte die Galerie Brutto Gusto Fine Arts für Keramiken und Gefäße. In den Räumen befindet sich auch ein Blumengeschäft. Geer Pouls vertritt derzeit 17 internationale Künstlerinnen und Künstler. Dieses Interview wurde für unseren Podcast aufgenommen und aus dem Gespräch transkribiert. Es gibt den O-Ton des Galeristen unverfälscht wieder.
Abb. oben: Galerist Geer Pouls im Gespräch mit DEEDS.NEWS
Geer, wie lautet die Geschichte hinter der Galerie und dem Galeristen?
Der Galerist, der war, ja … eigentlich ist der ausgebildet ursprünglich als Florist, hat aber nachher dann, weil er da nicht so glücklich war in dem Floristenberuf, hat er nochmal ein Kunststudium gemacht und dann nachher als Künstler angefangen. Es gab Aufträge: Kunst am Bau, Galerieausstellungen, das ganze Programm, was Künstler so durchleben. Und dann war in Rotterdam ein Tag der Offenen Tür bei den Künstlern und auch ich hatte mein Atelier aufgestellt und als Parodie darin einen Blumenladen gemacht. Die Idee war auch nur, dass es nach zwei/drei Monaten wieder vorbei war, aber mittlerweile sind es zweiunddreißig Jahre. Das hat also ein bisschen gedauert. Bei der Eröffnung hatten dann auch ein paar Künstler mit ausgestellt, die Blumen gemalt haben, oder Gefäße gemalt oder fotografiert hatten, und so fing das an, eine Galerie zu werden. Die Funktion wurde immer wichtiger. Nach fünf/sechs Jahren wurde ich auch gefragt, mich zu beteiligen an der Messe Art Amsterdam. In dem Moment war ich, glaube ich, auch richtig Galerie. Das ist ein langsamer Prozess gewesen. Ich habe immer noch als Künstler gearbeitet und dann habe ich in 2002 gesagt, Schluss damit, das ist zu viel: Blumenladen führen, Galerie führen, Künstler sein. Ich mache jetzt nur noch weiter als Galerie. Ich habe keine Blumen mehr eingekauft. Die Blumen sind aus dem Laden verschwunden. Ich habe auch keine Kunst am Bau mehr gemacht, keine Galerieausstellungen mehr selber gemacht als Künstler. Ich bin nur richtig aktiv geworden weil, als Galerist muss man ganz andere Sachen machen. Man muss Marketing machen, man muss viele Kontakte pflegen, man muss gerade auch mit den Museen viel zusammen arbeiten, Leihgaben vermittlen. Es ist mehr, als dass man da eine Skulptur oder ein Gefäß in den Laden stellt und wartet, bis da einer kommt. Ich meine, da ist richtig viel Arbeit daran. Dass aber Arbeit daran ist, ist nicht schlimm – man muss auch Arbeit behalten, damit auch die Zukunft da garantiert ist. Und das hat dann auch gut funktioniert. Ich war zwischenzeitlich auch in die Stadt (nach Rotterdam, Anm. d. Red.) gezogen, in einen richtigen Ladenraum. Und ich merkte, dass das Programm, was inzwischen entstanden war, und daraus erwachsen war, auch ziemlich international war, Piotr Nathan war dabei aus Berlin, es war die Ritsue Mishima aus Japan, es war Morten Løbner Espersen. Es war schon ein richtiges Programm geworden, und ich merkte eigentlich, dass die Stadt zu klein wurde für mich. Ich hatte auch aus privaten Gründen großes Heimweh nach Berlin, wo ich in meiner Jugend mal zwei Jahre verbracht hatte, deswegen habe ich Ende 2006 beschlossen, Rotterdam total hinter mir zu lassen und nach Berlin zu ziehen.
Warum glaubst Du, kaufen Menschen Kunst?
Aus mehreren Gründen. Ich meine, man merkte auch gerade durch den Umzug, den ich gemacht habe von Rotterdam nach Berlin, dass es wirklich zwei große Beweggründe gibt: In Holland habe ich sehr erfahren, dass die Leute es wirklich für ihren Spaß, für Wohnungsdekoration – das darf man eigentlich nicht sagen in der Kunstwelt – aber einfach um sich selber zu umgeben mit Kunst, dass das für die Holländer privat sehr wichtig ist. In Berlin sieht man das auch, aber der andere Teil, der in Berlin sehr wichtig ist, ist doch die Wertanlage. Dass man eigentlich denkt: Ja später, später, später, später … Die Rente wird es nicht bringen. Und die bringt es auch nicht, das sehen wir mittlerweile auch. Der Umgang mit Geld und auch die Wertschätzung von Geld ist in den zwei Ländern, in denen ich arbeite und immer noch arbeite – ich kann das sagen, weil ich in Holland gearbeitet habe – ist total anders. Die Holländer, die leben, glaube ich, freier mit ihrem Geld. Die Deutschen, die sind dann doch – ja vielleicht auch durch die Erfahrungen mit der Geldentwertung von früher – die leben dann doch ein bisschen verklemmter mit dem Geld.
Macht die Regierung in den Niederlanden etwas, um Galeristen und Künstler zu unterstützen?
Ja, das hat die Regierung … das hat nach dem Krieg angefangen. Es kamen natürlich viele … auch in Holland … viele Leute, die im Widerstand waren. Und das waren gerade die Künstler, wie so oft. Und als der Krieg vorbei war, saßen die eigentlich ohne Geld da, weil man keine Kunst kaufen konnte. Und die Regierung hat dann so eine Maßnahme gemacht, um die Künstler zu fördern. Das war eine ganz gute Fördermaßnahme. Hat bis ‘88 standgehalten. Dann hat man das politisch aber verändert und nicht länger verantworten können. Und das Geld … der Staat hat dann gesagt, ok, wir geben dann jetzt, ich weiß nicht wieviel, aber lass mal sagen 100 Millionen spendieren wir da im Jahr. Das Geld ist da geblieben, aber umfunktioniert. Und eine wichtige Maßnahme, die ich immer noch sehe und sehr gut finde, obwohl die den Staat fast nichts mehr kostet mittlerweile, ist die Galerieförderung. Privatkunden können in Holland zinsenfrei ein Darlehen nehmen von dem Staat – bis 7000 EUR. 7000 EUR steht für 70 % von 10.000. Also man sagt, dass ist das maximale Darlehen, das sie geben. Die geben dieses Darlehen, und das ist zinsenfrei. Der Staat zahlt dann die Zinsen. Da kann man durchrechnen, was man der Staat empfängt an Mehrwertsteuer. Also der Staat verdient sogar durch diese Regelung. Und so gibt es noch mehr Förderungen. Es gibt Atelierförderungen: Künstler, die sich jahrelang gut bewertet haben, die kriegen dann so ein Stipendium. Das ist aber eine kleine Gruppe im ganzen Land, denke ich. Im Gegensatz zu früher, wo es über 2000 waren, sind es jetzt 250, die so ein Stipendium bekommen pro Jahr.
Deine Galerie ist ein Mischkonzept, Du ergänzt den Galeriebetrieb um ein außergewöhnliches, anspruchsvolles Angebot an Blumen, die die Besucher ebenfalls erwerben können. Hältst du ähnliche Mischkonzepte für klassische Galerien ebenfalls für sinnvoll? Und wenn ja, in welcher Verbindungen glaubst Du, könnte das in Zukunft Sinn machen?
Oh, das ist eine schwierige Frage. Damit habe ich mich nie befasst, weil wenn eine Galerie zum Beispiel … wir haben – das ist auch so eine Entwicklung, als wir nach Berlin gezogen sind – in Rotterdam habe ich ein breiteres Programm gezeigt. Da habe ich sogar auch Bilder gezeigt, Fotografie. In Berlin habe ich das völlig abgebaut, zurück gebaut nach nur Keramik und Glas – oder Kunst, die sich direkt mit der Idee Blumenladen auseinander setzt. Es kann auch mal eine Konsumkritik sein. Es ist anders als in Rotterdam. Also wenn ich denke, eine klassische Galerie, die sich mit dem Köper befasst, Portraits, Performance, ja – was soll die da verkaufen? Strumpfhosen oder Textilien, Hüte? Ich weiß es nicht, ob das so leicht ist. Ich kann mir auch vorstellen … ich habe mal auf der KunstRAI war das in Amsterdam, dass jemand einen Friseurstand hatte auf der Messe. Da konnte man sich die Haare schneiden lassen. Das hat eigentlich ganz gut gepasst. Aber ich kann mir das bei einer guten klassischen Galerie sehr wenig vorstellen. Das muss dann schon eine sehr ausgefallene Idee sein, wenn das klappt.
Wie häufig kommt es vor, dass sich Menschen spontan, in ein in Deiner Galerie ausgestelltes Kunstwerk verlieben? Oder braucht das Zeit und mehrere Anläufe, ja gar schon eine Vetrauensbasis?
Ja, das gibt es. Ich habe es schon mehrmals erlebt, dass Leute rein kommen und dass die dann auch entweder eigentlich nur zum Gucken kamen, oder um ein paar Blumen zu kaufen, und dann doch mit einer guten Arbeit nach Hause gegangen sind. Nicht gleich von diesen großen Beträgen wie von unserer Ritsue Mishima. Aber im mittleren Bereich können Leute spontan sein, um das Geld auszugeben. Und ich freue mich eigentlich am meisten über diese Kunden, die verliebt sind, und eigentlich vergessen, dass sie noch neue Reifen auf dem Auto brauchen, oder egal was. Da freue ich mich drauf, viel mehr als Leute, die dann nochmal nach Hause gehen, und dann nochmal googeln, ob der Künstler so und so ist. Einfach, dass man direkt sagen kann: Das gefällt mir. Wie die Amerikaner. Die kommen echt rein und: „Oh, what’s a nice piece! I wanna have it!“ Die kaufen es dann auch. Und die Holländer, die sind dann auch ein bisschen lockerer. Aber die fragen dann immer, wieviel Rabatt sie bekommen (lacht).
Wie wichtig ist Hospitality im Galeriebetrieb?
Ich finde es sehr wichtig. Ich bin … das ist lustig: Das erste Mal, als ich in New York war, das ist schon lange her, da war ich richtig schockiert, dass die Counter in New York, wo die Galerie-Assistenten dahinter sitzen, ungefähr 1,40 m hoch sind, dass man die gar nicht sieht. Die stehen auch nicht auf. Die bleiben einfach hinter ihrem Computer sitzen und tippen weiter. Die grüßen keinen Kunden und das war für mich ein richtiger Kulturschock. Ich meine, ich grüße die Leute. Ich frage, ob sie Wünsche haben. Wenn sie etwas mehr Zeit brauchen, dann kann es auch sein, dass wir einen Kaffee anbieten, wenn der gerade da ist. Und dann lassen wir die Leute einfach gucken und wenn sie Fragen haben, dann sollten sie uns einfach stören. Ich laufe da auch nicht hin und klebe an den Leuten. Da habe ich echt keinen Bock drauf. Die Leute müssen sich frei fühlen in unserem Geschäft.
Müssen Galerien in Berlin eine andere Willkommens Kultur entwickeln um auch die Berliner als Kunden zu gewinnen?
Ich weiß es nicht. Ich war letzte Woche noch in Charlottenburg auf einer Vernissage. Das war in einem großen Raum, der war gerappelt voll. Die Leute kommen schon. Aber es sind natürlich viele -wenn ich da so herum gucke – es sind zwei Cliquen: Es sind junge Leute, wo man denkt, wenn man da auch nach den Klamotten guckt, dass es selber Künstler sind. Und dann die zweite Schicht, die ist etwas älter. Die ist sehr gut gekleidet und das sind dann doch Sammler auch. Gerade auf der Vernissage kann man auch nicht sagen, ob die aus Berlin kommen. Die Künstler kommen aus Berlin. Aber die anderen Leute, da weiß ich nicht wo die herkommen.
Was tut Ihr, um die Menschen in die Galerie zu ziehen und auf Euch aufmerksam zu machen?
Wir machen klassisch immer noch Papier-Einladungskarten. Wir haben da eine Datei. Wir versuchen, wenn Leute in den Laden kommen, wenn wir die nicht kennen, dass wir die gut ansprechen. Und dann auch fragen, ob sie in der Datei sein möchten. Und dann natürlich, dass das mit dem Netz auch gut funktioniert. Wir haben eine ziemlich große Email-Datei. Aber Email ist natürlich sehr vergänglich und schnell vorbei. Deswegen wollen wir immer noch Papier haben. Und sonst versuchen wir natürlich auch, Kunstzeitungen anzuschreiben – ich muss mir mal kurz ein Wasser holen … so – ja, die papierene Einladungskarte ist sehr wichtig. Die Email ist mehr eine Erinnerung, dass man nochmal kurz angestoßen wird. Ich mache das meistens erst zwei Tage vor der Vernissage, damit das gut ins Gehirn kommt. Sonst ist es auch „nach außen treten“, selber Vernissagen besuchen, Leute ansprechen, damit man auch wieder Visitenkarten austauscht. Messen – wir haben Jahre gehabt, in denen wir fünf/sechs Messen gemacht haben. Was machen wir noch mehr? Presseberichte. Und auch viel Akzent darauf legen, dass wir gute Fotografie haben.
Ist zeitgenössische Kunst ein Investment? Und wenn ja, wie wichtig ist dieser Aspekt?
Es ist sicher ein Investment. Wir haben da auch ein paar Künstler im Programm, die auf Versteigerungen schon eine große Rolle spielen. Aber eigentlich, wenn man Kunst richtig liebt, soll das eigentlich keine Rolle spielen. Das ist einfach so wie die Amerikaner dann rein kommen und sagen: I like it, I wanna have it. Und die fragen sich das nicht. Und eigentlich – die guten Sachen, die man kauft, da braucht man auch keinen Namen dran zu kleben. Am Ende treiben die doch oben. (denkt einen Moment nach) Man kann das vergleichen mit einer Keramik, die ich in Frankreich fand, vor 25 Jahren. Es gab kein Internet. Das waren Kerzenleuchter, und die waren so unmöglich … Ich denke, ach – die sind ja lustig, die kaufe ich. Vielleicht haben die 5 EUR pro Stück gekostet, ich weiß es nicht mehr. Ich habe die in den Laden gebracht – und weil ich die sehr besonders fand, habe ich da einen guten Preis drauf geklebt. Und innerhalb einer Woche waren die weg. Später fand ich die nochmal. Da musste ich schon wesentlich mehr bezahlen. Aber auch die waren wieder weg. Und dann jetzt – wo das Internet ist – habe ich auch endlich gefunden, was es ist, und ich habe sie noch zu billig verkauft (lacht).
Du beschäftigst Dich in Deiner Galerie im Schwerpunkt mit Plastiken, Gefäßen mit und ohne Funktion, aus Ton und Keramik. Welchen Künstler aus diesem Bereich hältst Du momentan für spannend und vielversprechend?
Ja, Johannes Nagel. Da kann ich nur eine Antwort geben. Für unser Programm … Takure Komata (Schreibweise wird gepüft, Anm. d. Red.), das ist ein Japaner, der auch ziemlich vielversprechend ist. Obwohl der schon sehr hoch gehandelt wird. Johannes hat noch Preise, die sehr zugänglich sind auch für den kleineren Liebhaber. Und auch, finde ich, wenn man so was kauft, dass man dafür noch einen Platz in der Wohnung findet. Nicht jeder hat ein Wohnzimmer von 200 qm, und die Objekte von Nagel sind von groß bis klein. Die sind alle spannend und herausfordernd.
Macht Kunst aus Deiner Sicht süchtig und wenn ja, wie und warum?
Ja, es macht schon süchtig. Manchmal sagen wir, wenn wir neue Kunden haben, dann kaufen sie ein Stück und dann kommen sie nach einem Jahr oder einem halben Jahr zurück, und dann sagen die, sie möchten nochmal ein Stück kaufen. Und dann sage ich: Jetzt seid Ihr Sammler, Ihr habt zwei Stücke. Wenn man mehr als zwei Stücke hat, ist man Sammler. Und ich merke es selber bei mir auch, dass ich eigentlich auch immer auf Messen doch nach Hause gehe, und ich denke: aaargh, dass müsste ich kaufen – oder nicht. Und man kann nicht alles kaufen, weil der Platz ist beschränkt. Das Portemonnaie übrigens auch. Aber: Sammeln ist doch etwas sehr Schönes.
Warum hast Du Dich für den Galerienamen „Brutto Gusto“ entschieden (es bedeutet „schlechter Geschmack“)?
Das war die Parodie damals beider Installation im Atelier, ich war nun doch nach einem Teil verwandt mit dem Floristen. Und die laufen da alle rum mit ihrer schicken Kleidung und so und so … dass man die Blumen so arrangieren muss … und dass man Gelb nicht neben Rosa setzt, und so weiter. Und ich hatte längst in der Malerei gesehen, dass man gerade Gelb neben Rosa setzt. Und die machen dann auch so „Gute Geschmacksübungen“, Design-Symposien und so weiter. Und das ist inhaltslos. Ich habe eigentlich damit versucht, das zu verarschen. Ich habe dann auch in dem Geschäft Zweite-Hand Vasen hingestellt, die ich auf dem Flohmarkt gefunden habe, oder die ich sogar auf dem Sperrmüll gefunden habe, und am Ende habe ich alles verkauft. Und das ist das Lustige daran. Wer entscheidet, was richtig ist? Ich meine, das ist der Begriff von Brutto Gusto, dass die Leute mit ihren eigenen Augen, ihrem eigenen Bauch sagen können: Das gefällt mir, egal ob das einen großen Namen hat oder keinen. You like it, and you like to live with it.
Sage in drei Sätzen, was die Menschen erwartet, die Eure Galerie besuchen – was macht Euch als Galerie aus?
Ich weiß es nicht. Ich kann da keine Antwort geben. Ich hoffe, dass die Leute sich da gedeckelt fühlen. Dass sie ihre Phantasie erreichen können. Das ist alles.
Brutto Gusto Fine Arts
Torstraße 175
10115 Berlin-Mitte
+49 30 3087 4646
www.bruttogusto.berlin
Montag – Samstag 10:00 – 18:00 Uhr