Vom 12.09.2024 bis 12.01.2025 präsentiert das Haus am Waldsee in Kooperation mit dem Georg-Kolbe-Museum und den Sophiensælen das künstlerische Werk von Gisèle Vienne (*1976) erstmals in Berlin. Im Haus am Waldsee gibt es eine große Einzelausstellung, die sich über das gesamte Haus erstreckt. Die französisch-österreichische Künstlerin, Choreografin und Regisseurin hat in den letzten 25 Jahren ein komplexes und eigenwilliges Werk geschaffen, das unsere Wahrnehmungsmodelle in Frage stellt und künstlerische Sprachen erfindet, um den Weg für strukturelle gesellschaftliche Veränderungen zu ebnen. Viennes Kreationen, sowohl auf der Bühne als auch in ihrer visuellen Praxis, werden gemeinsam mit Tänzern und Schauspielern entwickelt und oft von anthropomorphen Figuren und Puppen belebt, um die Sinnlichkeit, Wut und Kreativität der Gegenkulturen in ihrem ganzen subversiven Potenzial zu erforschen. Indem er seine philosophischen Einflüsse mit seiner reichen ästhetischen Erfahrung verbindet, versucht er in seiner Arbeit auf der Bühne und anderswo, die vorherrschenden Strukturen umzustürzen und neue künstlerische Formen zu entwickeln, die versuchen, die Welt anders zu kodifizieren.
Abb. oben: Gisèle Vienne, L’Etang, 2020, Foto: Estelle Hanania © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Vienne arbeitet vorwiegend auf der Bühne, wo sie ihre Praxis durch die Einbeziehung vorwiegend lebensgroßer Puppen erweitert, die hauptsächlich Jugendliche darstellen. Ihre Verwendung von Puppen, angesiedelt in der figurativen Bildhauerei, entfaltet eine dezidiert politische Dimension in Bezug auf den Körper als einen Ort, an dem kulturell und sozial konstruierte Wahrnehmungsdispositive in Frage gestellt, kritisiert und möglicherweise aufgelöst werden können. Indem sie die Sehnsucht und Ängste einer krisengeschüttelten Jugend inszeniert, erkennt sie die Empfindungen ihrer Protagonist*innen in all ihren politischen und gesellschaftlichen Aspekten an. Viennes Werk ist Teil eines Kampfes gegen normierende, autoritäre Kräfte, die auf Psyche und Körper einwirken. „Gisèle Vienne begibt sich auf eine akribische, hartnäckige und anspruchsvolle Suche. Sie erkundet den Rahmen der Intelligibilität, die unsere Gestik, unsere Vorstellungskraft und unsere kollektiven Mythen, unsere Identitäten, unsere Moral und letztendlich die soziale Ordnung bestimmt.“ [1]
Die Ausstellung versammelt die lebensgroßen Puppen, die Vienne in den letzten zwanzig Jahren geschaffen hat, in einer sorgfältig komponierten Installation neben einem Konvolut an Fotografien der Künstlerin, die das vielfältige Spektrum der Puppen abbilden. Die Inszenierung der Ausstellung in Form eines Puppenspiels wurde gezielt für die Architektur des Hauses am Waldsee entwickelt, wo Überlagerungen von Sprache, Klang und Bewegung mit der Stille und Unbeweglichkeit der ausgestellten Puppen kontrastiert werden. Hier schafft Vienne ein Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdbestimmung und beleuchtet Momente, die “das Bewusstsein zum Zerbrechen bringen“. Der Titel This Causes Consciousness to Fracture ist einem Track aus dem Album Patterns of Consciousness (Important Records, 2017) von Caterina Barbieri entlehnt, Viennes Kollaborateurin für das Bühnenstück Extra Life (2023).
Die Ausstellung ist Teil einer Zusammenarbeit zwischen dem Haus am Waldsee, dem Georg Kolbe Museum und den Sophiensælen. Die drei Institutionen bringen Viennes Werk in seiner ganzen Komplexität im Rahmen der Berlin Art Week 2024 in die Stadt und präsentieren unterschiedliche Zugänge zu ihrer facettenreichen Praxis, die sich zwischen Fotografie, Skulptur und Installation, Film, Choreografie und Theater ansiedelt. Das Haus am Waldsee eröffnet This Causes Consciousness to Fracture am 11.9.2024 (Ausstellung vom 12.9.24 – 12.1.25). Im Georg Kolbe Museum eröffnet die Ausstellung Ich weiß, daß ich mich verdoppeln kann. Gisèle Vienne und die Puppen der Avantgarde am 12.9.2024 (Ausstellung vom 13.9.24 – 9.3.25). Der Film Jerk von Gisèle Vienne wird im Rahmen eines Künstlerinnengesprächs zwischen Gisèle Vienne und Florentina Holzinger in den Sophiensaelen am 15.9.2024 präsentiert. Die Aufführungen von Crowd werden dort am 14./15./16.11.2024 gezeigt.
Gisèle Vienne ist eine französisch-österreichische Künstlerin, Choreografin, Theater- und Filmregisseurin. Seit ihrer Kindheit wurde sie von ihrer Mutter, Dorothéa Vienne-Pollak, in der bildenden Kunst ausgebildet. Sie studierte Tanz und Musik, Philosophie und Puppenspiel. In den letzten zwanzig Jahren waren ihre Arbeiten in Europa, Asien und Amerika auf Tournee, darunter die Produktionen Showroomdummies (2001/2009/2013/2020), I Apologize (2004), Kindertotenlieder (2007), Jerk (2008), This Is How You Will Disappear (2010), LAST SPRING: A Prequel (2011), The Ventriloquists Convention (2015) in Zusammenarbeit mit dem Puppentheater Halle, Crowd (2017), L’Etang (2021) und EXTRA LIFE (2023, eingeladen zum Theatertreffen 2024). Viennes Fotografien und Installationen wurden in zahlreichen Museen ausgestellt, unter anderem im Whitney Museum, New York; Centre Pompidou, Paris; Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires und im Centre d’Art Contemporain, Genf. Sie hat zwei Bücher veröffentlicht: JERK/Through Their Tears (2011) in Zusammenarbeit mit Jonathan Capdevielle, Dennis Cooper und Peter Rehberg sowie 40 PORTRAITS (2003–2008) in Zusammenarbeit mit Dennis Cooper und Pierre Dourthe (2012). Ihre Arbeit hat zu diversen Publikationen und die Originalmusik ihrer Shows zu mehreren Alben geführt.
Im Rahmen der Präsentationen in Berlin wird im Herbst eine neue Publikation erscheinen, die der gemeinsamen Arbeit von Gisèle Vienne und Estelle Hanania gewidmet ist. Mit Texten von Anna Gritz und Elsa Dorlin. Herausgegeben vom Haus am Waldsee in Zusammenarbeit mit Spector Books. 180 Seiten, Deutsch/Englisch/Französisch, 152 Farbabbildungen, Hardcover. Vor Ort im Haus am Waldsee und Georg Kolbe Museum: 49 Euro / Im Buchhandel: 78 Euro.
WENN?
Donnerstag, 12.9.2024 – Sonntag, 12.1.2025
Haus am Waldsee:
Ausstellung, Skulpturenpark und Café sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Jeder 2. Freitag im Monat: 11 bis 20 Uhr.
An Feiertagen geöffnet (außer am 24.,25. und 31.12.)
Georg Kolbe Museum:
Mittwoch bis Montag, 11.00 – 18.00 Uhr
WO?
Haus am Waldsee
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
Georg Kolbe museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin