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Donnerstag, Februar 13, 2025

Esvin Alarcón Lam – The Practical Guide to Gardening – Künstlerhaus Bethanien | 24.01.-16.02.2025

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In seiner Ausstellung The Practical Guide to Gardening, die am 23. Januar 2025 eröffnet wird, verbindet Esvin Alarcón Lam intime Fotografien mit seiner tiefgreifenden, andauernden Erforschung von Bambus – einem Material, das sowohl symbolisch als auch praktisch für seine künstlerische Praxis von Bedeutung ist. Der Künstler nutzt Bambus sowohl als Metapher als auch als Medium, um Themen wie Identität, Queerness und Kolonialismus zu erforschen.

Abb.oben: The Practical Guide to Gardening (after Marlene NourbeSe Philip), 2024, Credits: Hazel Kılınç & Deniz Karagül.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Selbstporträts, die den Heilungsprozess nach einer Haartransplantation dokumentieren. Diese intimen Bilder zeigen eine verletzliche Seite des Künstlers und laden den Betrachter ein, über die gesellschaftlichen Erwartungen an Männlichkeit und Schönheit sowie an Geschlecht und Körper nachzudenken. In Alarcón Lams Werk wird der Körper sowohl zu einem Ort der Heilung als auch zu einem Akt der stillen Rebellion – eine Rückgewinnung der Handlungsfähigkeit, die ebenso persönlich wie politisch ist.

Alarcón Lam verbindet diese körperliche Erfahrung mit der Geschichte des Bambus, einer Pflanze, deren Einführung und Verpflanzung in Mittelamerika Spuren kolonialer Ausbeutung offenbart. Der von der United Fruit Company importierte Bambus wurde zunächst im Botanischen Garten Lancetilla in Honduras kultiviert, einem für die koloniale Ausbeutung emblematischen Ort. Der in den 1920er Jahren gegründete Garten diente als Versuchsfeld für exotische“ Pflanzen, die an das Klima der Region angepasst werden sollten, um Monokulturen zu schaffen, die auf den US-Markt zugeschnitten waren. In diesem Zusammenhang wurde Bambus sowohl zu einer Ware als auch zu einem Kontrollinstrument.

Diese Geschichte ist eng mit der Rolle der Botaniker verbunden, die in den kolonisierten Gebieten oft zu Instrumenten der Enteignung und Unterdrückung wurden. Ein solches Beispiel ist Floyd McClure, der sowohl für das USDA als auch für die US-Armee arbeitete und damit die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Imperialismus verkörperte. McClure importierte Bambus aus China nach Amerika – offiziell zu landwirtschaftlichen Zwecken, aber auch zur Erfüllung militärischer Ziele. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Bambusskistöcke von der 10th Mountain Division, einer Eliteeinheit der Colorado Rangers, verwendet, um sich in schwierigem Gelände zurechtzufinden. Diese Skistöcke, die wie Verlängerungen des menschlichen Körpers funktionierten, verbesserten die Mobilität der Soldaten in schwierigen Landschaften.

Die Arbeit White Snow / Mud Trails erweitert diese Themen, indem sie Landschaften und ihre Verbindung zu kolonialen und militärischen Narrativen kritisch untersucht. Mit dieser Arbeit stellt die Künstlerin die romantisierte Sichtweise von Landschaften als idyllische Räume in Frage und hebt stattdessen deren Funktion als Orte der Macht und Kontrolle hervor. Die Spuren im Schlamm ähneln den Skispuren von Luxusresorts und ziehen eine Linie zu militärischen Operationen.

Durch diese komplexen Zusammenhänge setzt sich Esvin Alarcón Lam auch mit der kulturellen Symbolik des Bambus auseinander. Als exotisches Symbol der asiatischen Kultur ist Bambus oft mit Stereotypen behaftet, denen Alarcón Lam als chinesisch-guatemaltekischer Künstler, der in globalen Kontexten agiert, entgegentritt. Durch die Neuinterpretation der kolonialen und kulturellen Geschichte des Bambus zeigt er, wie solche Narrative instrumentalisiert und kommerzialisiert wurden, sowohl historisch als auch in zeitgenössischen globalen Kontexten.

Mit The Practical Guide to Gardening lenkt der Künstler die Aufmerksamkeit auf die schmerzhaften Geschichten von Transplantation und Transformation – sowohl in Bezug auf seinen eigenen Körper als auch auf Bambus. Er zeigt, wie persönliche und kulturelle Eingriffe Spuren hinterlassen, die sowohl von Verlust als auch von Widerstand sprechen. Wie der Bambus, der durch koloniale Praktiken in fremde Landschaften verpflanzt wurde, erzählt sein Körper eine Geschichte von Anpassung und Überwindung, von Verletzlichkeit und der Möglichkeit, neue Wurzeln zu schlagen. Der Künstler lädt uns ein, Identität, Körper und Kultur als Prozesse zu verstehen, die von Bruch, Migration und Erneuerung geprägt sind.

Esvin Alarcón Lam ist ein multidisziplinärer Künstler mit Sitz in Guatemala-Stadt. In seinen Arbeiten setzt er sich mit Themen wie Identität, kulturellem Erbe und soziopolitischer Geschichte auseinander, wobei er häufig wiederverwendete Materialien und symbolische Objekte einsetzt.

Alarcón Lam war Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Neben seiner Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien wird er vom 17. Januar bis 20. März 2025 auch in der daadgalerie zu sehen sein.

WANN?

Vernissage: Donnerstag, 23. Januar 2025, 19 Uhr

Ausstellungsdaten: Freitag, 24. Januar – Sonntag, 16. Februar 2025. Dienstag – Sonntag: 14 – 19 Uhr

WO?

Künstlerhaus Bethanien
Showroom
Kottbusser Straße 10
10999 Berlin

KOSTET?

Eintritt frei

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