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Dienstag, April 29, 2025

Tea and Dry Biscuits: Eine Jubiläumsausstellung – Georg Kolbe Museum | 17.04.-28.09.2025

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Das Georg Kolbe Museum wird am 17. April 2025 sein 75-jähriges Bestehen feiern. Zum Auftakt zeigt das Georg-Kolbe-Museum die Gruppenausstellung „Tea and Dry Biscuits“ (Tee und trockene Kekse).

Abb. oben: Blick in das Atelier um die Museumseröffnung 1950, Foto: Archiv Georg Kolbe Museum

Eine Jubiläumsausstellung, die sich mit der eigenen Institutionsgeschichte befasst und die Inszenierung von Erinnerung in den Fokus stellt. Dreizehn internationale zeitgenössische Kunstschaffende zeigen mit zum Teil neu entstandenen Werken einen erweiterten lebendigen Dialog zwischen Gestern und heute. Die Ausstellung stellt den Eröffnungsmoment der Institution 1950 in den Mittelpunkt. Das Museum, das in Kolbes ehemaligem Wohn- und Atelierhaus untergebracht ist, war das erste neu gegründete Museum im Nachkriegs-West-Berlin – entstanden auf Wunsch des Künstlers selbst, der in seinem Testament die Bewahrung seines künstlerischen Erbes verfügt hatte.

„Nach der Zeremonie gingen die Trauernden zurück in Kolbes Atelier und betrachteten noch einmal die Gipsfiguren, mit denen es gefüllt war. […] Es gab Tee und trockene Kekse.“ 

Manchester Guardian, Januar 1948

Mit Arbeiten von:
Christian Borchert, Cao Fei, Ryan Gander, Itamar Gov, Heike Kabisch, Taus Makhacheva, Laure Prouvost, Hande Sever, Kaari Upson, Álvaro Urbano, Marion Verboom, Danh Vo, Ruth Wolf-Rehfeldt und Georg Kolbe.

Georg Kolbe (1877-1947), ein Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, lebte und arbeitete von 1928/29 bis zu seinem Tod im heutigen Museumsgebäude. Danach übernahm seine langjährige Assistentin Margrit Schwartzkopff die Leitung des Hauses. Sie war es, die Kolbes Atelier in einen Erinnerungsraum verwandelte – mit einem Blumen geschmückten Porträt, arrangierten Werkzeugen und klassischer Musik vom Schallplattenspieler. Besuchende erlebten die Räume als Möglichkeit, dem Künstler auch nach seinem Tod nachzukommen.

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Heike Kabisch, CYCLE (B) behind a double door & CYCLE (B) there is a hole, 2024. Courtesy of the Artist and ChertLüdde, Berlin. © VG Bild-Kunst

Die damalige Ausstellung zeigte Skulpturen aus allen Schaffensphasen Kolbes, wobei überlebensgroße Gipsfiguren aus den 1930er- und 40er-Jahren den Raum dominierten. Die Präsentation war auf eine umfassende Würdigung des „Meisters“ angelegt – ein Atelier als Ort des Gedenkens, das eher emotional als kunsthistorisch konzipiert war.

1970 übernahm Kolbes Enkelin Inge Herold die Leitung des Hauses. Sie entwickelte das Museum bis 1978 zu einer städtisch geförderten Institution mit einem öffentlichen Programm. Werke wurden konzentrierter, die Ausstellungsgestaltung sachlicher – mit klassischen Sockelpräsentationen statt Atelierszenierung.

Beide ersten Direktorinnen standen Kolbe persönlich nahe. Kritik an seiner Haltung während des Nationalsozialismus wurde in dieser frühen Phase weitgehend ausgeblendet. Das junge Museum bewegte sich im Spannungsfeld zwischen Traditionspflege, familiärer Verehrung und mangelnder kritischer Distanz.

Die Jubiläumsausstellung des Georg Kolbe Museums nimmt diese Geschichte nun erstmals zum Ausgangspunkt. Ein nachgebauter Atelierraum ermöglicht es, die Erzählung des Museums über Kolbe in den ersten Jahrzehnten zu erleben und einen Blick auf die Rezeptionsgeschichte des Museums und das Werk des Künstlers in einem historischen Kontext zu werfen.

Im Zentrum der Ausstellung steht ein Dialog zwischen historischen Spuren und zeitgenössischen Perspektiven. Werke von Georg Kolbe treten in einen offenen Austausch mit Arbeiten von dreizehn internationalen Künstler*innen, darunter Christian Borchert, Cao Fei, Ryan Gander, Itamar Gov, Heike Kabisch, Taus Makhacheva, Laure Prouvost, Hande Sever, Kaari Upson, Álvaro Urbano, Marion Verboom, Danh Vo und Ruth Wolf-Rehfeldt.

Die künstlerischen Beiträge hinterfragen, wie Erinnerung entsteht, weitergetragen oder auch verdrängt wird: Álvaro Urbanos Installation Noches en los Jardines de España (2020), präsentiert im ehemaligen Atelier Kolbes, konfrontiert das Erbe des Ortes mit Fragen nach Exil und Vergänglichkeit. Verfaulte Orangen, auf dem Boden verstreut, stehen sinnbildlich für das, was verloren ging – eine stille, aber eindringliche Reflexion über historische Gewalt und kulturelles Gedächtnis. Taus Makhacheva verknüpft in ihren filmischen Arbeiten kollektive Geschichte mit persönlichen Erinnerungen. Die Geschichten ihres Großvaters, des Dichters Rasul Gamzatov, werden zur Bühne für eine kritische Auseinandersetzung mit Erinnerung und Narration. Arbeiten von Christian Borchert und Ruth Wolf-Rehfeldt ergänzen die Schau um Perspektiven aus der DDR – sie erlauben eine erweiterte Reflexion auf Kolbes Werk und die Bruchlinien des 20. Jahrhunderts.

Tea and Dry Biscuits bietet eine Reflexion über die Möglichkeiten und Grenzen der Erinnerung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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Marion Verboom, Broken Glory, 2021. Courtesy of the artist and Wentrup, Berlin. Foto: Nicolas Brasseur. © VG Bild-Kunst

Highlights des Jubiläumsjahres 2025
Die Ausstellung Tea and Dry Biscuits. Eine Jubiläumsausstellung bildet den Ausgangspunkt eines vielseitigen Rahmenprogramms im Jubiläumsjahr 2025, das das Georg Kolbe Museum als lebendigen Ort der Kunst und Forschung feiert. Die Gartenausstellung David Hartt – The Fountain eröffnet am 14.06.2025 – um 12 Uhr mit anschließendem Künstlergespräch. Das entstehende Neuwerk tritt in einen ortsspezifischen Dialog mit dem historischen Skulpturengarten des Museums. Hartt setzt sich künstlerisch mit dem Tänzerinnen-Brunnen (1922) von Georg Kolbe auseinander. Begleitend zur Ausstellung erscheint die Publikation The Fountain / Der Brunnen (2025, Distanz Verlag), die sich der herausfordernden Objektgeschichte des Brunnens aus kunsthistorischer und kunsthistorischer Perspektive nähert. Und Texten von unter anderem Kirsty Bell, Max Czollek, Markues, Jimmy Robert und Kasia Fudakowski umfasst. Im Rahmen der Berlin Art Week, die vom 10. bis 14. September 2025 stattfindet, richtet das Georg Kolbe Museum gemeinsam mit der Villa Romana in Florenz ein mehrtägiges Festivalprogramm aus.

Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Villa Romana und des 75. Jubiläums des Georg Kolbe Museums beleuchtet das Programm die Geschichte, Gegenwart und Zukunft beider Institutionen. Die weitergeführte Vortragsreihe Von den Rändern.Wiederentdeckte Leben aus Archiven widmet sich dem Leben und Schaffen außergewöhnlicher Persönlichkeiten aus dem weiten Feld der bildenden Kunst, die aus vielfältigen Gründen in Vergessenheit geraten sind, marginalisiert und an den Rand gedrängt wurden. Nach dem erfolgreichen Auftakt zu Rom Landau im Herbst 2024 stellen John Palatini und Susanne Köller nun am 15.05.2025 Hans-Hasso von Veltheim vor – Sammler, Weltreisender und Vermittler zwischen den Kulturen, Religionen und philosophischen Haltungen, dem das Kunstmuseum Moritzburg 2025 eine Ausstellung widmet.

Darüber hinaus beinhaltet das Programm zur Ausstellung weitere Vorträge, Gespräche von Kunstschaffenden und Führungen, sowie Workshops für Kinder und Jugendliche.

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Ruth Wolf-Rehfeldt, Flugversuch, o.J. /n.d.. Zinkografie. © Weserburg Museum für moderne Kunst, Fonds Ruth Wolf-Rehfeldt.

KünstlerInnenbiografien:

Georg Kolbe (1877–1947, Deutschland)
Georg Kolbe war ein Bildhauer in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bekannt für seine Bronzeskulpturen, die den menschlichen Körper in idealisierter Bewegung zeigen, gelang ihm 1911 mit der Tänzerin der Durchbruch. Sein Werk Morgen wurde 1929 im Barcelona-Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe aufgestellt. Kolbe war in Künstlerkreisen bestens vernetzt und pflegte enge Kontakte zu Max Beckmann, Renée Sintenis, Walter Gropius und anderen. Sein konservativ-moderner Stil fand in vier politischen Systemen Anerkennung – vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus bis in die Nachkriegszeit. Die kritische Aufarbeitung seiner Rolle in den 1930er- und 40er-Jahren ist ein zentrales Anliegen der heutigen Forschung.

Christian Borchert (1942, Dresden, Deutschland – 2000, Berlin, Deutschland)
Sein Schaffen konzentriert sich auf Porträt-, Sozial- und Stadtdokumentation, wobei er die sozialen Strukturen der DDR sowie die Transformationsphase nach der Wiedervereinigung und verschiedene Formen des persönlichen sowie kollektiven Gedächtnisses untersuchte.

Cao Fei (1978 in Guangzhou, Volksrepublik China)
Cao Fei kombiniert in ihren Filmen und Installationen kritische Positionen, populäre Ästhetik, surreale Bezüge und dokumentarische Konventionen. Ihr Werk reflektiert die raschen und fortschreitenden Veränderungen in der chinesischen Gesellschaft.

Ryan Gander (1976, Chester, Vereinigtes Königreich)
Ryan Gander kreiert parahistorische, fiktive Räume, Institutionen und Figuren. Seine Arbeiten kombinieren fiktive Präsenz und Abwesenheit, wobei angedeutete Leerstellen als Beschwörung der Kraft der Fantasie fungieren und auf reale sowie imaginäre Ereignisse, Kunstwerke oder Personen verweisen.

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Ryan Gander, I bee (Ixxx), 2024. Courtesy of the artist and Esther Schipper Berlin/Paris/Seoul. Foto: © Andrea Rosetti

Itamar Gov (1989, Tel-Aviv, Israel)
Itamar Gov ist ein interdisziplinärer Künstler, dessen Praxis ortsspezifische Installationen, Skulpturen, Gemälde, fotografische Serien, Neonschriften, grafische Arbeiten und Videos umfasst. In seinen Projekten setzt er sich mit den komplexen Beziehungen zwischen Geschichte, Ideologie und Ästhetik auseinander und untersucht unterschiedliche Formen des persönlichen, kollektiven und institutionellen Gedächtnisses.

Heike Kabisch (1978, Münster, Deutschland)
In ihren Skulpturen, Installationen, Zeichnungen und Collagen nutzt sie Fragmentierung als poetisches Mittel der Regeneration. Offen für Überarbeitung, Zufall und Zeit verweigern sich ihre Werke der endgültigen Fertigstellung. Ihre Zeichnungen folgen einem fiktiven Erinnerungsfluss.

Taus Makhacheva (1983, Moskau, Sowjetunion)
Taus Makhacheva erforscht in ihren Werken die unruhigen Verbindungen zwischen historischen Erzählungen und Fiktionen kultureller Authentizität. Ihre Methodik umfasst die Neugestaltung von Materialien, Landschaften und Denkmälern sowie die Öffnung institutioneller Räume, um eine mehrstimmige Perspektive zu ermöglichen.

Laure Prouvost (1978, Croix-Lille, Frankreich)
Laure Prouvost entwickelt in ihrer künstlerischen Praxis fiktive Erzählungen, die von der Geschichte ihrer erfundenen Großeltern ausgehen. Ihr Werk verbindet Elemente von Fiktion und Realität und lädt die Betrachtenden dazu ein, sich mit den persönlichen sowie kollektiven Dimensionen von Erinnerung, Fantasie und Hoffnung auseinanderzusetzen.

Hande Sever (1990, Istanbul, Türkei)
Hande Sever beschäftigt sich in ihrer forschungsbasierten Praxis mit der Konstruktion und Manipulation historischer Narrative. Auf der Grundlage von Theorien der Souveränität und Nekropolitik untersucht ihre Arbeit rechtliche Bestimmungen, die Verteilung von Kapital und die Kunstgeschichte, insbesondere in Bezug auf militärische Gewalt, Überwachung und Zensur. Oftmals auf die Verfolgungsgeschichte ihrer Familie zurückgreifend, navigiert Severs objektbasierte Praxis durch die Überschneidungen von persönlichem und kollektivem Gedächtnis und deckt auf, wie visuelle Kultur genutzt wird, um Geschichte sowohl auszulöschen als auch zu konstruieren.

Alvaro Urbano (1983, Madrid, Spanien)
Alvaro Urbano schafft Werke mit einem starken Bezug zu Architektur und Fiktion. Er bedient sich dabei unterschiedlichster Medien, die von raumgreifenden Installationen über Film bis hin zu performativen Aktionen reichen.

Danh Vo (1975, Bà Rịa, Vietnam)
Danh Vo verwendet in seinen konzeptionellen Arbeiten und Installationen persönliche Lebenserfahrungen, um umfassendere historische, soziale und politische Themen zu thematisieren. Sein Schaffen erforscht die Verbindung von Objekten und Geschichten sowie die Spiegelung nationaler Ängste und persönlicher Identitäten.

Marion Verboom (1983, Frankreich)
Marion Verboom ist für ihre Werke bekannt, die traditionelle Vorstellungen von Skulptur und Materialität infrage stellen. Verbooms Arbeiten erforschen die Überschneidungen von Geschichte, Architektur und kultureller Identität. In ihren Skulpturen kommen oft

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Marion Verboom, Achronie 44, 2023. Courtesy of the artist and Wentrup, Berlin. Foto: Nicolas Brasseur. © VG Bild-Kunst

Ruth Wolf-Rehfeldt (1932, Wurzen, Deutschland, – 2024, Berlin, Deutschland)
Ruth Wolf-Rehfeldt ist bekannt für ihre Typewritings und grafischen Arbeiten, die sie seit den 1970er Jahren mit einer Erika-Schreibmaschine realisierte. In ihren Arbeiten setzte sie sich mit konkreter Poesie, Linguistik, Grafikdesign und Konzeptkunst auseinander und formulierte dabei ein politisches Statement, das der Mail-Art-Bewegung zuzurechnen ist.

Kaari Upson (1970, San Bernardino, Kalifornien, USA – 2021, New York, New York, USA)
Kaari Upson arbeitete mit einer Vielzahl von Medien, darunter Skulptur, Video, Zeichnung und Malerei. Ihr künstlerisches Schaffen vereint autobiografische und kollektive Traumata, Ängste und Fantasien und thematisiert wiederholt Aspekte der amerikanischen Kultur und Identität.

WANN?

Eröffnung: Mittwoch, 16.April 2025, 18 Uhr

Einige der Künstler*innen und Künstler werden anwesend sein. Um 19 Uhr begrüßen Dr. Kathleen Reinhardt und Dr. Elisa Tamaschke mit Redebeiträgen zur Ausstellung.

Ausstellungsdaten: Donnerstag, 17.April – Sonntag, 28.September 2025

WO?

Georg Kolbe Museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin

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