Die temporäre Ausstellung Über Grenzen, die ab 3. Oktober 2024 im Ethnologischen Museum + Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum gezeigt wird, thematisiert die internationalen (kultur)politischen und künstlerischen Beziehungen der DDR mit befreundeten sozialistischen Staaten und deren Nachwirken in der Gegenwart.
Abb oben: Su-Ran Sichling Gelehrtensteine (1950), (1950), (1970), 2015 – Waschbeton, Terrazzo Nussholz,Messing,Holz, Gummi – Foto © Robert Vanis
Komplementär zum Jahresschwerpunkt des Humboldt Forums Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart von der Kuratorin für Moderne und Zeitgenössische Kunst des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin Kerstin Pinther konzipiert, eröffnet die temporäre Ausstellung Über Grenzen in einem Zusammenspiel künstlerischer Positionen und Archivmaterialien ein differenziertes Spektrum: Es reicht von der offiziellen Außenkulturpolitik der DDR gegenüber den mit ihr befreundeten sozialistischen Staaten und Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und den Amerikas über die (Bild-)Politik der internationalen Grafikausstellung Intergrafik hin zu den Migrationsgeschichten und damit verbundenen (post-)migrantischen Erinnerungskulturen und Transformationen nach 1989. Der sozialistische musikalische Internationalismus wird durch den DDR-Rundfunk und das Festival des politischen Liedes repräsentiert und basiert auf dem an der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelten Forschungsprojekt Second World Music: Latin America, East Germany, and the Sonic Circuitry of Socialism.
Individuelle Erfahrungen und kollektive Geschichte vermitteln sich in der Ausstellung über künstlerische Arbeiten und Werkgruppen von Maithu Bùi, Seiichi Furuya, Mio Okido, Minh Duc Pham und Su-Ran Sichling. Collagen und Zeichnungen der Künstlerin Mio Okido berühren Fragen kultureller Erinnerung und mitunter widerstreitender Erinnerungspraktiken in der DDR und BRD (weitere Werke der Künstlerin sind derzeit in der Sonderausstellung Mio Okido: Erinnerte Bilder, imaginierte Geschichte(n) – Japan, Ostasien und ich des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum zu sehen). Vom Zusammenfall individueller wie kollektiver Ereignisse handeln die Arbeiten des Fotografen Seiichi Furuya. In loser Hängung arrangiert, zeigt er Stadtaufnahmen und Innen(an)sichten aus Ostberlin von 1985 bis 1987.
Su-Ran Sichlings materialbewusste Arbeiten sind Auseinandersetzung mit Abgrenzung und Durchlässigkeit, gesellschaftlicher Normierung und Exklusion. Ihre Serie Gelehrtensteine erinnert an die ostasiatische Tradition natürlich geformter Felsen als Objekte der Kontemplation, wurde aber aus Werkstoffen der ostdeutschen Nachkriegsmoderne geschaffen. Auch Minh Duc Pham und Maithu Bùi machen sich in ihren Werken die Konnotation von Materialien zu eigen, um Assoziationen und Bezüge zur Einwanderungsgeschichte von Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam und den Bedingungen ihres Aufenthaltsstatus zu reflektieren. Leihgaben aus der Sammlung von Hung The Cao verweisen auf die informelle Textilarbeit vietnamesischer Vertragsarbeiter*innen. Blick zu Nachbarn (Wiedervorlage), eine für Über Grenzen geschaffene textile Arbeit von Su-Ran Sichling thematisiert diesen migrantische Beitrag zu ‚alternativen‘ Modegeschichten der DDR und verknüpft sie mit den staatlich geförderten Arbeiten in den Textilzirkeln.
Kulturpolitische und internationale Austauschbeziehungen werden in einem dokumentarisch-archivarischen Modul zur Intergrafik dargestellt und können dort recherchiert werden. Die Intergrafik, die internationale Grafikausstellung, fand erstmals 1965 anlässlich des 20. Gedenktages zum Ende des Zweiten Weltkrieges statt und wurde ab 1967 als Triennale vom Zentralvorstand des Verbandes Bildender Künstler ausgerichtet. Die Einladung von Künstler*innen und die Auswahl ihrer Werke für diese Ausstellung wurden als kultur- und außenpolitisches Instrument genutzt. Die Intergrafik bildete die komplexen Verflechtungen und Netzwerke einer globalen Kunstwelt ab, wobei keineswegs nur Werke mit politischen Inhalten gezeigt wurden. In West-Berlin ermöglichte erst Horizonte 79, das 1. Festival der Weltkulturen, eine Begegnung mit den Künsten des globalen Südens. Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre, die als PDF ab dem 2. Oktober online verfügbar ist.
Eine temporäre Ausstellung der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss und des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz in Zusammenarbeit mit den Künstler*innen Maithu Bùi, Seiichi Furuya, Mio Okido, Minh Duc Pham und Su-Ran Sichling sowie Sydney Hutchinson (Humboldt-Universität).
Thementage Transformiert euch! vom 3. bis 6. Oktober
Vom 3. bis 6. Oktober widmet sich das Humboldt Forum unter dem Titel Transformiert euch! den Monaten und Jahren der Transformation vor und nach 1989. In Debatten, Lesungen, Performances und Konzerten wird das Haus ein Ort der Zusammenkunft des Publikums mit prominenten Gästen. Im Zentrum stehen Begriffe wie Veränderung, (Über-)Forderung, Teilhabe und die Frage: Wie geht es mit dem vereinten und gleichsam noch geteilten Deutschland weiter?
WANN?
Eröffnung: Anwesenheit aller beteiligten Künstler und Performance von Minh Duc Pham: Mittwoch, 2. Oktober 2024, 18.00 Uhr.
Ausstellungszeitraum: ab Donnerstag, 3. Oktober 2024
Öffnungszeiten: Mittwoch – Montag, 10:30 – 18:30 Uhr
WO?
Humboldt Forum
Schloßplatz 1
10178 Mitte Berlin