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transmediale 2020 | End to End | 28.01.-01.03.2020

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Die transmediale 2020 mit dem Titel End to End (End2End) hat eine umfassende Neubewertung von Netzwerken und deren Grenzen zum Ziel. Neben der Ausstellung The Eternal Network im Haus der Kulturen der Welt (20.01.-01.03.2020), einem Film- und Videoprogramm, einem Student Forum und einem Workshop-Programm im HKW präsentiert die Transmediale ein zweitägiges Symposium in der Berliner Volksbühne (31.01.-01.02.2020).

Abb. above: transmediale 2020 – The Laboratory of Manuel Bürger

Netzwerke sind überall, seien es persönliche oder organisatorische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche, zentrale oder dezentrale: Knotenbasierte Kommunikation und Informationsaustausch sind wohl zum entscheidenden Ausdruck der Globalisierung und der digitalen Gesellschaft geworden. Ein gewisser Netzwerk-Idealismus umspannt die Welt, so dass sämtliche Netzwerkformen und -praktiken vor allem durch die techno-bürokratische Urform des Internets definiert werden. Bereits 1967 schrieben die Künstler Robert Filliou und George Brecht „The Network is Everlasting“. Die Zeile stammt aus einem Vor-Internet-Gedicht, in dem die Vernetzung alltäglicher Handlungen in einer zunehmend globalisierten Welt zelebriert wird. Diese poetische Vorstellung von einem „unendlichen Netzwerk“ erinnert daran, dass Netzwerkkulturen auch jenseits der technischen Realität der „real existierenden“ Netzwerkkultur, wie wir sie heute kennen, bestehen.

Inspiriert von dieser Vor-Internet-Vorstellung von Netzwerken beschäftigt sich die transmediale 2020 – End to End mit vergessenen und möglichen Zukunftsszenarien mit und ohne Netzwerke. Ein Jahrzehnt hinter sich lassend, das vor allem durch einen Backlash gegen das Internet und die Netzwerkgesellschaft gekennzeichnet ist, hat die transmediale eine umfassende Neubewertung von Netzwerken und deren Grenzen zum Ziel. Als Ausgangspunkt dient die Geschichte europäischer, in den 1990ern entstandener kritischer Internetkulturen: Zusammen mit einer Reihe anderer weltweiter Experimente zur autonomen Vernetzung boten sie immer wieder Alternativen zum Denken des Technologischen Solutionismus und den zentralisierten Geschäftsmodellen des Silicon Valley.

Über das Erbe kritischer und unabhängiger Internetkulturen will die transmediale 2020 nicht nur die Grenzen internetbasierter Netzwerke sichtbar machen, sondern auch Alternativen für einen nachhaltigen sozialen Wandel aufzeigen. Gibt es eine denkbare Gegenmacht zu Netzwerken? Welche alternativen technologischen Modelle und kulturellen Narrative sind nötig, um die Grundsätze der End-to-End-Kommunikation neu zu verhandeln? In der kommenden Festivalausgabe werden diese Fragen in der Eröffnungswoche mit Talks, Workshops, Screenings und Performances sowie in einer einmonatigen Gruppenausstellung untersucht. Darin werden neue künstlerische Arbeiten präsentiert, die Netzwerke gleichermaßen infrage stellen wie neu entwickeln.

Die Ausstellung und das Konferenzprogramm werden vom künstlerischen Leiter Kristoffer Gansing mit Beratung durch Clemens ApprichDaphne DragonaGeert Lovink und Florian Wüst kuratiert, die darüber hinaus weitere Programmpunkte verantworten. 

transmediale 2020 Symposium | Volksbühne Berlin

2020 findet das Symposium der transmediale am 31. Januar und am 1. Februar 2020 zum ersten Mal in der Volksbühne Berlin statt.

An zwei Tagen richten mehr als 50 Künstler*innen und Denker*innen in intensiven Gesprächen sowie Screenings und Performances ihr Augenmerk auf Netzwerke als soziale, technologische und künstlerische Infrastrukturen. Mit Blick auf ein durch den Netzwerkidealismus geprägtes Zeitalter beschäftigen sie sich mit der Frage, ob das Netzwerk noch ein tragfähiges Modell ist, auf dringende Herausforderungen wie den Klimawandel und die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz zu reagieren – und wie eine Zukunft jenseits der Netzwerkgesellschaft aussehen könnte.

Tag 1
Am ersten Tag bringen drei Exchange Sessions Gäste wie Clemens Apprich, Ryan Bishop, Daphne Dragona, Matthew Fuller & Olga Goriunova, Mél Hogan, Diana McCarty, Ulises A. Mejias, Bernard Stiegler und Michelle M. Wright zusammen. Die End to End Exchanges bilden den Kern des Symposiums: Sie behandeln in Vorträgen und damit verbundenen dynamischen Diskussionen mit zusätzlichen Perspektiven aus Kunst, Wissenschaft, Politik und Aktivismus verschiedene Aspekte der Kernthemen des Festivals. In der ersten Session wird die totalisierende infrastrukturelle Form von Netzwerken diskutiert und darüber hinaus die Notwendigkeit, sie durch die Berücksichtigung ihrer blinden Flecken zu dezentralisieren und zu dekolonisieren. In der zweiten und dritten Session werden die materiellen Folgen von Netzwerken, Plattformen und Big-Data-Infrastrukturen – soziale und ökologische Kosten – thematisiert und die menschliche Existenz jenseits des Anthropozäns betrachtet.

Die Exchange Sessions sind durch die performativen Vorträge end-to-end, p2p, my to me von Olia Lialina sowie Double Counting: The Odum Oration von Cycles of Circulation (Jamie Allen & Karolina Sobecka) miteinander verbunden. end-to-end, p2p, my to me verhandelt die End-to-End-Prinzipien, die die ursprüngliche Gestaltung und Nutzerkultur des Internets beeinflusst haben. Jamie Allen und Karolina Sobecka untersuchen in Double Counting anhand von zwei amerikanischen Biologen, den Brüdern E. P. und H. T. Odum, die Entstehung der Systemökologie – und wie diese zeitgenössische Netzwerke und ein gesellschaftliches Naturbewusstsein geprägt hat.

Tag 2
Am zweiten Tag des Symposiums finden zwei Exchange Sessions statt, unter anderem mit Roel Roscam Abbing & Aymeric Mansoux, Stephanie Dick, Rachel O’Dwyer und Eva Haifa Giraud. Die vierte Sitzung hat zum Ziel, die Absolutheit des Netzwerkmodells zu hinterfragen und Netzwerke jenseits von Plattformen neu zu definieren. Außerdem wendet sich das Symposium Künstlicher Intelligenz und ihrem Paradigma von computergestützten neuronalen Netzen zu: Was geschieht beim Übergang vom Netzwerk als Struktur verteilter Knoten zu einem, das aus komplexen Abläufen algorithmischer neuronaler Netze besteht?

Zwischen den Exchange Sessions halten We Are Not Sick (Geert Lovink und John Longwalker) ihren performativen Vortrag Sad by Design. Darin reflektieren sie durch Social-Media-Architekturen hervorgerufene Traurigkeit.

Abgeschlossen wird das Symposium mit einer Doppelvorstellung, bestehend aus der audiovisuellen Performance Eternity Be Kind von LaTurbo Avedon und Myriam Bleau sowie der Deutschland-Premiere des Langfilms AIDOL von Lawrence Lek und einem anschließenden Künstlergespräch mit Lek und Florian Wüst, Kurator des Film- und Videoprogramms der transmediale End to End. In Eternity Be Kind tritt die virtuelle Künstlerin LaTurbo Avedon in einer Multiplattform-Performance mit Musik von Myriam Bleau und weiteren Inhalten auf, die dem Publikum über ein Wifi-Netzwerk zugänglich gemacht werden. Darüber wird die Kodifizierung von Performance-Räumen sichtbar gemacht und die Möglichkeit einer andersartigen Zukunft persönlicher und musikalischer Repräsentation aufgezeigt. Zwischen Hyper-Pop, mythischer Symbolik und barocken Verweisen regen die Künstler*innen die vielschichtige Erfahrung einer kollektiven Mise en abyme an.

Lawrence Leks computergenerierter Langfilm AIDOL erzählt die Geschichte eines verblassenden Superstars, Diva, der einen angehenden KI-Songwriter beauftragt, eine Comeback-Performance beim Olympia-Finale 2065 eSports zu präsentieren. Zwischen fantastischer Architektur, fühlenden Drohnen und schneebedeckten Dschungel dreht sich AIDOL um den langen und komplexen Kampf zwischen Menschlichkeit und Künstlicher Intelligenz.

transmediale.de


Die transmediale ist ein Projekt von transmediale e.V. und Kulturprojekte Berlin GmbH im Haus der Kulturen der Welt. Die Kulturstiftung des Bundes fördert die transmediale bereits seit 2004 als kulturelle Spitzeneinrichtung.

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