Mikołaj Sobczak beschäftigt sich in verschiedenen Medien wie Malerei, Film, Performance, Zeichnung und Keramik vor allem mit der Darstellung historischer Ereignisse. Mit Leibeigene zeigt die Kunsthalle Münster die erste institutionelle Einzelausstellung des Künstlers außerhalb Polens, die die verschiedenen Facetten seines künstlerischen Schaffens präsentiert.
Abb. oben: New Kingdom Orgy
Mehrere Werkgruppen des Künstlers, die in den letzten Jahren entstanden sind, werden in der Kunsthalle zu sehen sein. Neben der Serie der Metamorphosen (2021) – einer Reihe von frei im Raum stehenden Cut-Outs – wird sein Film Upiór (2022) gezeigt, umgeben von mehreren Gemälden, die auf die polnisch-ukrainische Geschichte und die Unterdrückung der Ukraine Bezug nehmen. Sobczaks neuer Film Up in the Attic (2022) wird im Rahmen der Ausstellung uraufgeführt, ebenso wie sein monumentales Gemälde The Vision (2022), das speziell für die Ausstellung geschaffen wurde. Ausgangspunkt des Werks ist die sozioökonomische Situation des frühen 16. Jahrhunderts, in der eine lange Reihe von europäischen Aufständen und Widerstandshandlungen neue Modelle des Zusammenlebens hervorgebracht haben.
Sobczak stellt mit seinen Arbeiten Fragen nach einer neuen kollektiven Identitäts- und Erinnerungskultur. Indem er sich auf historische Ereignisse, aber auch auf fiktionale Erzählungen wie Märchen, Sagen und Mythen bezieht, erweitert er die Erzählmuster, die der traditionellen, kanonisierten und instrumentalisierten Geschichte zugrunde liegen, um Momente der Emanzipation. In Zeiten politischer Radikalisierung lädt Sobczaks Kunst dazu ein, sich mit der Konstruktion von Geschichtsschreibung auseinanderzusetzen. In seinen Gemälden spielt er mit der Konvention der klassischen Historienmalerei, indem er die ursprünglichen Qualitäten des Genres für seine Arbeiten nutzt. Seine verdichteten Darstellungen basieren häufig auf Kompositionen ikonischer Gemälde; die Zitate werden collageartig zusammengestellt und in neue Kontexte übertragen, nicht zuletzt durch die Konfrontation mit Mo-tiven aus der Gegen- oder Populärkultur. Mit Figuren, die aus den unterschiedlichsten Kontexten stammen – jede Person, jeder Ort, jeder Gegenstand hat seine eigene Geschichte – sind seine Werke von einer recht komplexen Ikonografie geprägt. Die Collage als gewählte künstlerische Form legt Fragmente der Geschichte frei, ermöglicht es, Geschichte(n) in ihrer ganzen Vielfalt zu erzählen und bricht so mit einer historischen Vereinfachung der Ereignisse. Die Geschichte erweckt hier nicht den Eindruck, vollständig erzählt oder abgeschlossen zu sein. Im Gegenteil, sie bietet vielfältige Anknüpfungspunkte für den Betrachter. Sobczak widmet sich den Geschichten jenseits der ideologischen Darstellungen der offiziellen Geschichtsschreibung. So schafft er zeitgeschichtliche Bilder mit Darstellungen herausragender Protagonisten aus dem LGBTQI+-Aktivismus, aus queeren und emanzipatorischen gegenkulturellen Milieus und Widerstandsbewegungen, in imaginärer Gesellschaft mit phantastischen Gestalten und Kreaturen, die die Vision einer transnationalen Utopie repräsentieren. Sein Fokus liegt vor allem auf marginalisierten Persönlichkeiten, die von der Geschichte ausgegrenzt oder ausgelöscht wurden.
WANN?
16, Oktober 2022 bis 22, Januar 2023
WO?
Kunsthalle Münster
Hafenweg 28
48155 Münster