16. April 2025 (Deutschland) – Die Kunsthalle Schweinfurt präsentiert mit Rolf Sachs: be-rühren die bislang umfangreichste institutionelle Ausstellung des Künstlers, die einen Überblick über sein multidisziplinäres Schaffen von den 1990er-Jahren bis heute gibt. Die Ausstellung, die vom 18. Juli bis zum 5. Oktober 2025 zu sehen ist, zeigt mehr als 150 Werke, von modularen Möbeln über Fotografie und Skulptur bis hin zu neuen Gemälden, die heute ein fester Bestandteil seines künstlerischen Schaffens darstellen. Der Titel be-rühren bringt Sachs’ Fokus auf den Punkt: eine zutiefst einfühlsame und sinnliche Auseinandersetzung mit dem menschlichen Sein.
Abb. oben: Left: Rolf Sachs, ‘Angst’, 2013. Mit freundlicher Genehmigung von Byron Slater. Right: Rolf Sachs, ‘Koln, Half Chair’, 1992. Mit freundlicher Genehmigung von Rolf Sachs Studio.
Rolf Sachs: be-rühren ist als Reise durch das lebenslange Experimentieren des Künstlers konzipiert. Die Ausstellung, die sich über das gesamte Erdgeschoss des Museums erstreckt, folgt keinem chronologischen Muster, sondern lädt die Besucher ein, sich mit dem vielseitigen Schaffen von Rolf Sachs auseinanderzusetzen. In jedem Raum werden einzelne Werkgruppen sowie ortsspezifische Installationen präsentiert, die seine poetische Sensibilität in einer Vielzahl von Medien offenbaren.
Ein Feingefühl für Gegenstände
Die Ausstellung beleuchtet die anhaltende Faszination des Künstlers für alltägliche Gegenstände und sein Feingefühl beim Umgang mit den verschiedensten Werkstoffen. Sie zeigt, wie sich diese Haltung durch sein gesamtes Werk zieht. In den skulpturalen Arbeiten der letzten 30 Jahren wird sichtbar, wie Sachs Gebrauchsgegenstände und Materialien auf humorvolle und tief reflektierte Weise neu kontextualisiert – eine Herangehensweise, die zum Beispiel in Werken wie Angst (siehe Bilder) oder Sisyphus deutlich wird. Dieser Ansatz findet sich auch in einer Reihe monumentaler Vitrinen wieder, welche mit Heu, Rosshaaren, Wolle und Kuhmist gefüllt sind, man spürt richtiggehend deren Materialität, sowie in Bodenständigkeit, einem in Bronze gegossenen Fichtenzweig. Diese Werke sind auch Ausdruck der engen Verbundenheit des Künstlers mit der Alpenkultur.
Die frühe Ha-all Installation von Sachs, die zum ersten Mal seit Mitte der 1990er-Jahre präsentiert wird, lenkt die Aufmerksamkeit auf das emotionale Potenzial eines scheinbar banalen Materials wie schallabsorbierendem Schaumstoff.

Sachs’ Fotografie: Eine Momentaufnahme
In der Fotografie nutzt Sachs meist Langzeitbelichtungen mit Blitz als Beleuchtungstechniken, um dynamische Bewegungen und die geheimnisvollen, flüchtigen Qualitäten von Personen, Skulpturen oder Alltagsgegenständen neu zu erfassen. In Anlehnung an das Genre des Stilllebens reflektieren die Serien Moving Stills und Shadows den Lauf der Zeit sowie den menschlichen Wunsch, diese einzufangen. Die scheinbar banalen Gegenstände erhalten so ein Eigenleben. In der Serie Shadows löst Sachs die Solidität und das sonst gleich scheinende Glas, indem er deren unterschiedliche Schattenbilder festhält. In Moving Stills verwandeln sich Toilettenpapier, Dosen oder Spaghetti in lebendige, vieldeutige Bilder. Beide Projekte vermitteln die Ausdruckskraft menschlicher Emotionen anhand von Alltagsgegenständen.
In seiner einjährigen Fotoserie Camera in Motion führt Sachs, der in der Schweiz aufgewachsen ist, den Betrachter mithilfe Langzeitbelichtungen auf eine Reise entlang der Albula-Bahn, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Spiegelbildlich zur Geschwindigkeit der Reise fangen Sachs‘ Fotografien flüchtige, zufällig gewählte Momente ein und offenbaren das unausweichliche Vergehen der Zeit. Durch den Kontrast zwischen dem fokussierten Objekt und der vorbeiziehenden Landschaft schweben die Arbeiten zwischen Abstraktion und Realität, Fotografie und Malerei, wobei letztere durch die verschwommene Qualität der Landschaft suggeriert wird, die wie mit üppigen Pinselstrichen aufgetragen malerisch wirkt.
Neuinterpretation von Form und Funktion
Die Ausstellung präsentiert zum ersten Mal seit über 30 Jahren Sachs’ modulare Möbelserie p-arts + fun c’tion und gewährt einen seltenen Einblick in diesen konzeptionellen Werkkomplex. Indem er seine Kreationen auf die grundlegenden Elemente von Winkeln und Kuben reduziert, stellt Sachs mit seinen Stühlen, Sesseln und Schreibtischen, die alle Nägel- oder schraubenfrei sind und für die Nutzung allein auf Schwerkraft und Reibung angewiesen sind, traditionelle Konventionen in Frage. Keines der Möbelstücke ist statisch, ihre Form bleibt agil und fließend und kann sich in unendlich vielen Konfigurationen stets neu zeigen. Dieser innovative Ansatz ermöglicht es, den Stücken immer wieder ein neues Erscheinungsbild zu geben und somit eine gewisse „Freiheit“ zu schenken. Bei dem Bett attraction spielt er auf den unterschiedlichen Charakter der Nutzer an, der kalte Stahl trifft auf das warme Holz, es suggeriert eine gewisse Empathie zwischen den beiden Betthälften, wie hoffentlich ihre Nutzer.
Seit 1992 hat Sachs den Horgenglarus-Stuhl, ein rein funktionales Möbelstück, das üblicherweise in Schulen und Verwaltungsgebäuden verwendet wird, immer wieder neu interpretiert. Indem der Stuhl aus Silikon, Schiefer, Wachs, Filz oder Harz gefertigt wird, ermöglicht er eine neue, veränderte Wahrnehmung. Durch die Wiederholungen wird der Stuhl zu einer Leinwand, auf der menschliche Emotionen oder Charakterzüge Ausdruck finden. Dem anspruchslosen Stuhl wird durch die neuen Interpretationen stets ein neues „Selbstgefühl“ verliehen.

Malerei: Ein neues Kapitel in Sachs‘ Oeuvre
Im Großen Halle der Kunsthalle Schweinfurt kulminiert Rolf Sachs’ Freigeist in Gestalt einer eindrucksvollen Schau seiner jüngsten Werke. Auf rund 500 Quadratmetern wird eine Reihe von Gemälden und Zeichnungen gezeigt, die seit 2020 das Zentrum seiner künstlerischen Arbeit bilden. Stets konzeptionell unterschiedlich, aber verwandt, sind seine Can Paintings, die Défroissage-Serie und die unmittelbaren, körperlich betonten Touchée-Arbeiten. Diese Werke, die gelegentlich zwischen Malerei und Objekt schwanken, zeichnen sich durch eine direkte, physische Interaktion mit dem Gegenstand aus. Die Touchée-Arbeiten entstehen durch das empathische gedachte Berühren und Bemalen der Leinwand mit den Fingern. Es entstehen meist abstrakte Bilder, die durch den persönlich direkten Malprozess eine neuartige, frische Ausdrucksform besitzen.
Die Kunst von Sachs oszilliert zwischen Abstraktion und Figuration und stellt eine Manifestation seiner Suche nach dem Ungreifbaren dar. Sie thematisiert die körperliche Präsenz und strebt eine emotionale, viszerale Verbindung zum Betrachter an. In dieser intensiven Auseinandersetzung mit der Materie und dem eigenen Körper eröffnet Sachs einen Raum, der die Grenzen der klassischen Malerei sprengt und den unmittelbaren Dialog zwischen Kunst und Publikum fördert.

Begleitend zur Ausstellung erscheint die Monografie Rolf Sachs, eine reich bebilderte, 300-Seiten Publikation bei DISTANZ. Mit redaktioneller Unterstützung von Coralie Malissard und Salvatore Lacagnina und gestaltet vom Londoner Studio Kellenberger & White, enthält das Buch eine Reihe von Essays namhafter Persönlichkeiten. Die Monografie, die im Sommer 2025 veröffentlicht wird, ist sowohl in Englisch als auch in Deutsch erhältlich und bietet einen tiefgehenden Einblick in Sachs’ künstlerische Entwicklung und seine experimentelle Praxis.
Die Ausstellung der Stadt Schweinfurt wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Kulturstiftung Schweinfurt, des Bezirks Unterfranken, der Stiftung Städt. Sparkasse Schweinfurt sowie der Barbara-Brockardt-Stiftung in Coburg.
Rolf Sachs
Rolf Sachs (*1955) ist ein multidisziplinärer Künstler und Designer, der derzeit in Rom lebt. Er wendet einen unverwechselbaren menschlichen und konzeptionellen Ansatz in einer Vielzahl von Medien an, die von Skulptur, Fotografie und Design bis hin zu Architekturprojekten und Bühnenbildern für Oper und Ballett reichen. Sein Umzug nach Rom hat Sachs dazu inspiriert, sich endlich ernsthaft der Malerei zu widmen. Seit den 1990er-Jahren stellt Sachs vorgefasste Anwendungen von Materialien, Verfahren und Alltagsgegenständen in Frage und verleiht ihnen eine neue Bedeutung. Mit Humor und Witz versucht er, emotionale und sinnliche Reaktionen hervorzurufen. Sein Werk hat jedoch nichts von der Trockenheit, die oft mit Konzeptkunst assoziiert wird. Vielmehr ist es voller Menschlichkeit, Sensibilität und Respekt gegenüber den verwendeten Materialien. Vielmehr sind sie voller Menschlichkeit und Sensibilität gegenüber den verwendeten Materialien. Sie sind poetisch, humorvoll, augenzwinkernd, aber niemals respektlos. Gegenwärtig konzentriert sich seine Arbeit besonders auf die Erforschung der menschlichen Psyche, des Charakters, der Beziehungen, der Seele und des Geistes der Menschen.
Seine Arbeiten wurden international in Galerien und Museen ausgestellt, darunter das Victoria and Albert Museum, London, das Museum für Angewandte Kunst, Köln, das MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, die Peggy Guggenheim Collection, Venedig; Vitra Design Museum, Weil am Rhein; Stalla Madulain, Madulain; Hauser & Wirth, Gstaad; Galerie von Bartha, S-chanf und Monika Sprüth, Köln.
WANN?
Pressevorbesichtigung: Mittwoch, 17. Juli 2025, 14 Uhr
Ausstellungsdaten: Donnerstag, 18. Juli– Sonntag, 05. Oktober 2025
Täglich: 10:00 – 19:00 Uhr
Donnerstags: 10:00 – 21:00 Uhr
Montags geschlossen (an Feiertagen geöffnet)
WO?
Kunsthalle Schweinfurt
Rüfferstraße 4,
97421 Schweinfurt