Tonbandgeräte waren noch nicht auf dem Markt und Vinyl war rar. Als das Sowjet-Regime während des Kalten Krieges die Tonträgerindustrie brutal kontrollierte, kamen Musikliebhaber im Untergrund auf eine außergewöhnliche Idee: Mit eigens gebauten Aufnahmegeräten pressten sie zensierte Musik auf alte Röntgenbilder aus Krankenhäusern.
Auf diese Weise fanden auch verbotene Lieder und Genres – von westlichem Jazz, Rock ’n‘ Roll, russischen Auswanderer-Volksliedern, Gypsy-Tangos bis Prison Songs – ihren Weg im Verborgenen auf die Schallplattenspieler damaliger Musikfans.
Die für die Villa Heike in Berlin produzierte Ausstellung BONE MUSIC erzählt die Geschichte eines einzigartigen Untergrundphänomens in der UdSSR der 1940er bis 1960er Jahren, in der sich Untergrundtechnologie, verbotene Kultur, Recycling, die Politik des Kalten Krieges und menschliche Genialität überschneiden.
Es war eine Zeit, in der eine wagemutige Subkultur von Schmuggler:innen Röntgenbilder verwendete, um Aufnahmen von verbotenem ausländischen Jazz, Rock ‘n’ Roll und russischen Emigrantenliedern zu erstellen und verbreiten. Die Ausstellung lässt das Publikum anhand historischer Artefakte und Objekte, Sound, Filmen und Installationen in die Welt der Schmuggler:innen eintauchen und erforscht ihre Aktivitäten im Untergrund, die sowohl trotziger kultureller Protest als auch ein geniales Unterfangen waren.
Ich nahm diese weiche, flexible Schallplatte in meine Hände und betrachtete sie durch das Licht, und ich sah das Bild von Knochen. Das hat mich sofort fasziniert. Dann legte ich die Schallplatte auf das Grammophon meiner Mutter und hörte eine Stimme singen. Ich war verblüfft.
Kolja Vasin, geb. 1945, Leningrad, Käufer von BONE MUSIC-Platten
Vom 14. August bis 5. September 2021 erzählt BONE MUSIC – die Ausstellung zum X-Ray Audio Projekt dieses spannende und hochpolitische Stück Musikgeschichte aus einer Zeit, in der Menschen für ihre Lieblingsmusik Strafen oder sogar Haft riskierten. Zugleich enthüllt die Ausstellung die unbeabsichtigte Schönheit und Eleganz der seltenen „BONE MUSIC”-Platten, die einst aus der Not heraus entstanden sind.
BONE MUSIC ist immer donnerstags bis sonntags von 12:00 bis 20:00 Uhr in der Villa Heike nahe der Gedenkstätte Hohenschönhausen im ehemaligen Stasi-Sperrgebiet bei freiem Eintritt geöffnet.
Nach Tel Aviv, Moskau, Tokyo, London, Belfast und St. Petersburg kommt BONE MUSIC nun nach Berlin. BONE MUSIC wird kuratiert vom X-Ray Audio Project (UK), Stephen Coats und Paul Heartfield, in Zusammenarbeit mit Cardboardia (RUS) und buero doering – Fachhandel für Ereignisse und wird gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds und das Bezirksamt Lichtenberg, Amt für Weiterbildung und Kultur. Kooperationspartner sind die Gedenkstätte Hohenschönhausen und Dussmann.
WO? Villa Heike, Freienwalder Straße 17, 13055 Berlin-Alt-Hohenschönhausen
WANN? 14.08.-05.09.2021, Do-So 12:00 – 20:00 Uhr
KOSTET? Eintritt frei
Lange Nacht der Bilder in Lichtenberg 03.09.2021, 12:00 – 24:00 Uhr