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Altes Museum: Klasse und Masse. Die Welt griechischer Tonfiguren | 07.10.2022–02.07.2023

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Tonfiguren waren in der Antike ein weit verbreitetes Massenprodukt, doch befanden sich darunter stets auch kunstvoll gearbeitete und wertvolle Einzelstücke. Viele der farbenfroh bemalten Figuren wirken fast wie aus dem Leben geschnitten. Im 19. Jh. als bloße Dekoration abgetan, weiß man heutzutage, dass sie im antiken Griechenland eine wichtige Rolle im Alltag der Menschen einnahmen. Anhand von 56 ausgewählten Exponaten gibt die Antikensammlung Einblick in die vielfältige Welt antiker Tonfiguren, aber auch in ihre sonst verborgenen reichhaltigen Bestände dieser Gattung. Durch den Fokus auf ihren Verwendungszweck werden zugleich neue Perspektiven auf dieses oft unterschätzte Medium eröffnet.

Abb. oben: Weibliche Sitzfiguren, 510-480 v. Chr., © Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Kramer

Obwohl Tonfiguren seit dem 7. Jh. v. Chr. aus Hohlformen (Matrizen) in Serie hergestellt wurden, gibt es eine große Bandbreite: von gleichförmigen, billigen Massenprodukten bis zu sehr individuellen kleinen Meisterwerken, die neben der kleinformatigen Steinskulptur durchaus bestehen können. Zu der großen Variationsbreite, aber auch zum Reiz der Stücke trägt die farbenfrohe Bemalung bei, die sich oft erstaunlich gut erhalten hat. Seit dem späten 4. Jh. v. Chr. wurden teure Farben wie Blau und Gold, aber auch Pastelltöne wie Rosa und Hellgrün eingesetzt. So geben die Tonfiguren einen Eindruck von dem in der Plastik vorherrschenden Farbspektrum, das bei der heute weißen Großplastik aus Marmor verloren ist.

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Sog. Aphrodite Heyl, 2. Jh. v. Chr., © Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Laurentius

Als um 1870 die sog. Tanagrafiguren auftauchten – in der griechischen Stadt Tanagra gefundene Tonstatuetten eleganter junger Frauen mit Mantel und Hut – lösten sie einen wahren „Terrakottenhype“ aus. Angesichts einer großen Nachfrage kamen bald auch Fälschungen auf, die sich teilweise bis heute unerkannt in Museen befinden. Denn die „Tanagräerinnen“ trafen den Geschmack des damaligen Bürgertums und galten schnell als antike Äquivalente zu kleinformatigen Porzellanfiguren, wie man sie zur Dekoration in den Salons aufstellte. Eine solche rein dekorative Funktion hatten die antiken Terrakotten aber keinesfalls. Vielmehr geben die Fundkontexte in Gräbern, Heiligtümern und Häusern Hinweise darauf, dass ein und dieselbe Figur in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet werden konnte. Die Tonfiguren hatten wohl fast immer eine Bedeutung im Kult, denn sie wurden zu bestimmten Anlässen im Leben in Heiligtümer geweiht, bei Mädchen v. a. anlässlich von Hochzeit und Mutterschaft. In Privathäusern dürften sie im Rahmen von Hauskulten zum Schutz der Familie aufgestellt gewesen sein. In Nekropolen fanden sie sich vor allem in Gräbern jung Verstorbener und galten deshalb wohl als Ersatz für Objekte, die den Göttern bei Riten anlässlich wichtiger Stationen auf dem Weg zum Erwachsenwerden gestiftet worden wären.

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Geflügelter Liebesgott Eros, 2. Jh. v. Chr., © Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Franziska Vu

Unter den 56 ausgestellten Exponaten der Ausstellung befinden sich eine Vielzahl bisher selten oder noch nie gezeigter Objekte aus den reichhaltigen Beständen der Antikensammlung. Ergänzt werden sie durch ausgewählte Highlights der Dauerausstellung, wie die berühmte Statuette der sog. Aphrodite Heyl, und einzelne Leihgaben aus dem Kunstgewerbemuseum und dem Vorderasiatischen Museum der Staatlichen Museen zu
Berlin. Die Ausstellung thematisiert Herstellung, Verwendung und Rezeption antiker Tonfiguren. Die Stücke werden gemeinsam mit Keramik und marmornen Statuetten präsentiert und somit wieder in ihren historischen Verwendungskontext eingebunden.

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Miniaturschrein mit Darstellung des Hermes mit zwei Begleiterinnen, 400-350 v.Chr., © Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Kramer

„Klasse und Masse. Die Welt griechischer Tonfiguren“ rückt eine lange verkannte Gattung ins Zentrum der Aufmerksamkeit, welche einen Einblick in viele Aspekte des täglichen Lebens im antiken Griechenland und darüber hinaus gibt: Von Religion über Bestattungen bis hin zu gesellschaftlichen Rollenbildern.

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Figürliches Salbgefäß mit Darstellung des Erosknaben, 400-350 v. Chr., © Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung / Johannes Kramer

Die Ausstellung wird kuratiert von Valentin Veldhues und Frederik Grosser, Volontär bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Antikensammlung. Zur Ausstellung erscheint eine Begleitpublikation im Michael Imhof Verlag

WANN?

Freitag, 7. Oktober 2022 – Sonntag 2. Juli 2023

KOSTET?

Eintritt frei

WO?

Am Lustgarten, 10178 Berlin-Mitte

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