Liebe. Wir wollen wissen, was das ist. Wir wissen: Sie verbindet. Verbindet zu Beziehungen. Aber was genau – welche Elemente von Beziehungen bilden eine Schnittmenge? Gibt es eine universelle Sprache des Herzkörpers? Dieser Fragestellung widmen sich Laura Witzleben und Simon Köslich mit Zweisamkeiten – eine choreografische Real-Performance, die Berliner:innen in der Zeit vom 25. bis 27. November 2022 in dem ehemaligen Luftschutzbunker Culterim in Charlottenburg erfahren können. Real-Performance deshalb, weil die Regisseurin:innen dafür drei real existierende Tanz- und Liebespaare gefunden haben, die wortwörtlich miteinander durchs Leben tanzen.
Abb. oben: Courtesy Culterim
Jean und Brigitte, Tatjana und Milena sowie Yasmin und Sean sind allesamt Liebende und professionelle Tänzer zugleich. In intensiven Interviews und während der Proben sprachen Simon Köslich und Laura Witzleben mit den Protagonisten über Themen wie Vertrauen, Visionen, Nähe, Endlichkeit und Tod. Die Notizen und Texte, die Geschichte der Paare, ihre Vergangenheit und Gegenwart und die damit einhergehenden unterschiedlichen, aber auch ähnlichen Gedanken- und Gefühlswelten sind der Ausgangspunkt für drei individuelle und in sich stimmige choreografische Räume, die Zweisamkeiten für die Zuschauer:innen öffnet.
“Wie sich Menschen aufeinander einlassen und sich verlassen, ist eine menschliche Konstante, die uns bei unserer künstlerischen Arbeit regelmäßig fasziniert. Uns begleitet eine Begeisterung für Biografien und für Beziehungen von Menschen. Zweisamkeiten beschäftigt sich mit der Wirkung von diversen Tanzästhetiken als choreografische Erzählung durch ein Ensemble mit heterogener Altersstruktur, unterschiedlicher Ausbildung und Herangehensweise. Die Liebe ist so ein großes Thema, das es schon immer gab und wohl immer geben wird – es beschäftigt jeden Menschen, ob in Glück oder in Trauer. Es ist in uns verankert und verbindet uns alle – wir lieben und wollen geliebt werden. Wir zeigen es nur in unterschiedlicher Art, manchmal in gleicher Weise. Und unsere Körper sprechen für sich eine eigene Sprache ”, so Laura Witzleben.
Die über Kopfhörer übertragene und von Davidson Jaconello entwickelte Klanglandschaft, bestückt mit Zitaten aus den vorangegangenen Interviews, geht dabei in einen spannungsvollen Dialog mit der Körperlichkeit der Tänzer:innen und den Örtlichkeiten des Bunkers. Die Besucher:innen dürfen so mit mehreren Sinnen in die Biographie der Paare eintauchen und vielleicht auch Schnittmengen zu ihren eigenen Beziehungen entdecken.
“Vielleicht erkennen sich die Zuschauer:innen in der Unterschiedlichkeit als auch in den Parallelen der Protagonist:innen wieder und können mit Zweisamkeiten einen Strauß von Eindrücken als eine Art Spiegel mit nach Hause nehmen und damit auch ein Gefühl von Verständnis für sich und für andere. Letztlich geht es um das Erkennen, dass wir uns alle in wellenartigen Prozessen bewegen. Es geht um den Ursprung und um das, was uns verbindet – um die Liebe”, so Simon Köslich.
Jean Chaize und Brigitte Cuvelier
“Wir waren beide zu Beginn der Spielzeit 1982-83 im gleichen Ballettensemble engagiert. Beide neu in einer fremden Stadt, beide mit der gleichen Muttersprache, beide am Rheinufer sitzend auf die BASF blickend … Die Geschichte unserer Beziehung lässt sich nur schwer von unserem beruflichen Leben trennen. Deshalb können wir nicht über uns als Paar reden, ohne die Arbeit in den Vordergrund zu stellen. Wir haben keine gemeinsamen Kinder. Wir haben nie geheiratet, nie einen Fernseher gehabt. Wir finden keinen übermäßigen Gefallen an dem Familienleben und sind in keinem sozialen Netzwerk. In den ersten 22 Jahren hatten wir getrennte Haushalte, seit 18 Jahren freuen wir uns jeden Tag zusammen zu wohnen.
Tatjana Mahlke und Milena Nowak
“Wir sind seit fast 3 Jahren ein Paar, nach relativ kurzer Zeit zusammengezogen und verbringen viel Zeit miteinander – egal ob beruflich oder privat. Kennen gelernt haben wir uns ganz unromantisch in dem Büro eines Tanzstudios, in dem wir zu der Zeit gearbeitet haben. Tatjana musste immer anfangen zu grinsen, wenn Milena in den Raum kam. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir die jeweils andere Person nicht nur freundschaftlich gut finden, sondern uns auf dieser „Kicher-Grins-Basis“ noch intimer kennenlernen wollen. Das war spannend und aufregend für uns beide, besonders weil es für uns beide die erste gleichgeschlechtliche Beziehung ist. Bis heute geht es im öffentlichen Raum immer wieder um Vergleiche – welche Sichtbarkeit es gibt, wohin wir reisen können, wer uns wie wahrnimmt, warum sehen wir die Notwendigkeit, hier unsere gleichgeschlechtliche Liebe als solche zu benennen? All das sind immer wieder Fragen, die uns privat aber auch beruflich begleiten”
Yasmin Schönmann und Sean Nederlof
Yasmin und Sean sind zwei zeitgenössische Tänzer:innen aus München und San Francisco, die sich 2015 in New York kennengelernt haben. “Sean ist mein bester Freund und jemand, auf den ich mich 100%ig verlassen kann, um mich mental abzuholen, wo immer ich bin. Wenn ich in einer lustigen Stimmung bin, kann er das ausgleichen, oder wenn ich in einer eher nachdenklichen Stimmung bin, auch. Es ist wirklich ein starkes Band, das wir haben, und zwar nicht nur als Paar, das sich liebt, sondern auch in anderen Bereichen, in denen wir uns gegenseitig unterstützen. Wir sind auch beste Freunde und arbeiten im selben Bereich. Manchmal ist das eine Herausforderung, aber sehr oft hilft es. “OK, Yasmine war jemand, der mich immer verblüfft hat. Sie hat mich immer beeindruckt. Ich war schon von ihrer Geschichte fasziniert. In gewisser Weise war ich der Meinung – na ja, die Welt ist ein ziemlich harter Ort und – weißt du, manchmal kann man nicht an seinen Überzeugungen und seiner Moral festhalten. Und du warst wirklich stark und selbstbewusst in diesen Dingen. Und du. Du hast mich wirklich. Du hast mich aus meinem Schneckenhaus herausgeholt.”
WANN?
Termine:
Fr, 25.11.22, 20:00 Uhr
Sa, 26.11.22, 20:00 Uhr
So, 27.11.22, 16:00 / 20:00 Uhr
Dauer der Performance: 60 Minuten
Ausstellungsdaten: Freitag, 25. November bis Sonntag, 27 November
KOSTET?
15€ / ermäßigt 10 € (zzgl. VVK-Gebühr)
WO?
Culterim
Kaiserdamm 102
14057 Berlin-Charlottenburg