Die wohl außergewöhnlichste und erfolgreichste niederländische Künstlerin feiert am 3. Juni ihren 360. Geburtstag: Rachel Ruysch (1664-1750). Ihre prachtvollen, täuschend echt wirkenden Blumenstillleben mit exotischen Pflanzen und Früchten, Schmetterlingen und Insekten galten bereits zu Lebzeiten als gesuchte und kostspielige Sammlerstücke. Die Nachfrage war so groß, dass es sich die Amsterdamer Malerin leisten konnte, nur wenige Stücke im Jahr zu produzieren.
Abb. oben: Rachel Ruysch (1664-1750), Stillleben mit Rosen, Tulpen und Sonnenblume, 1710 Öl auf Leinwand, 88,9 × 71,1 cm, Inventarnummer L1317, The National Gallery, London On loan from the collection of Janice and Brian Capstick © Private Collection
Als Tochter des renommierten Professors für Anatomie und Botanik, Frederik Ruysch, erstes weibliches Mitglied der Confrerie Pictura, Hofmalerin in Düsseldorf, Lotteriegewinnerin und Mutter von elf Kindern war sie eine Ausnahmeerscheinung ihrer Zeit. Dennoch sind ihr Leben und Werk bisher kaum erforscht worden. Daher widmet ihr die Alte Pinakothek ab dem 26. November 2024 die weltweit erste Retrospektive: Die Ausstellung „Rachel Ruysch – Nature into Art“ setzt sich eingehend mit dem Leben der Künstlerin, ihrem langjährigen und produktiven Schaffen und ihrem anhaltenden Ruhm auseinander. Im Blickfeld steht zugleich ihr künstlerisches und intellektuelles Umfeld. Dabei sollen insbesondere die Verbindungen zwischen ihrem Schaffen und den großen wissenschaftlichen Fragen des 17. und 18. Jahrhunderts nachvollzogen werden. Denn die berühmte Sammlung naturwissenschaftlicher Präparate ihres Vaters, Frederik Ruysch, dürfte eine ganz wesentliche Inspirationsquelle für ihre künstlerische Arbeit gewesen sein.
Rachel Ruysch arbeitete ihr ganzes Leben lang in Amsterdam. Im Alter von etwa 15 Jahren ging sie dort bei dem führenden Stilllebenmaler Willem van Aelst in die Lehre. Inspiriert von den Werken ihrer vor allem männlichen Künstlerkollegen machte sie sich rasch einen Namen und wurde 1701 erstes weibliches Mitglied der renommierten Künstlergemeinschaft Confrerie Pictura in Den Haag. Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts malte sie große, anspruchsvolle Blumenbouquets, die ihren Ruf als eine der führenden Blumenstilllebenmalerinnen begründeten. 1708 wurde sie zur Hofmalerin des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz in Düsseldorf ernannt und blieb bis zu dessen Tod im Jahr 1716 in seinen Diensten. In dieser Zeit kombinierte sie regelmäßig prächtige Blumensträuße mit detailreichen Fruchtstücken, in denen es von Insekten wimmelt. Im letzten Jahrzehnt ihres beinah siebzigjährigen Schaffens erfand sie sich quasi nochmals neu, indem sie ihren Stil mit lichter Farbpalette und einem aufgehellten Hintergrund dem aktuellen Geschmack des französischen Rokoko anpasste. Viele dieser späten Gemälde tragen nicht nur ihre Signatur und die Jahreszahl des Werkes, sondern auch die Angaben ihres Alters. Offenbar war sie zurecht stolz darauf, noch mit über 80 Jahren hochklassige Werke zu vollenden.
Diese große internationale Ausstellung zu Rachel Ruysch führt ihre bedeutendsten Werke aus europäischen und US-amerikanischen öffentlichen sowie privaten Sammlungen, darunter auch etliche Neuentdeckungen, zusammen. Hinzu kommen Porträts von Rachel Ruysch, ihrer Familie und ihrem Vater sowie Bücher, Druckgrafiken, Zeichnungen und naturwissenschaftliche Exponate. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Botanikern, Zoologen und Wissenschaftshistorikern wird ihr Werk in den Kontext der wissenschaftlichen Entdeckungen und Debatten ihrer Zeit stellen.
Die Schau wirft neues Licht auf die Verbindungen von Kunst und Wissenschaft in einer Zeit des wissenschaftlichen Umbruchs und auf die Rolle der Frauen bei der Erforschung der Natur. Dabei werden auch die Beziehung Rachel Ruyschs zu anderen namhaften Stilllebenmalerinnen und
-malern sowie die Tradition der Blumenmalerei, auf der sie aufbaute, einbezogen. Durch die Gegenüberstellung mit Gemälden ihres Lehrers Willem van Aelst, ihrer Zeitgenossen Jan Davidsz. de Heem, Otto Marseus van Schrieck und Abraham Mignon sowie anderer talentierter Künstlerinnen wie ihrer Schwester Anna Ruysch, Maria van Oosterwijck und Alida Withoos werden ihre Einflüsse, ihre Experimentierfreude und ihre Innovationskraft verdeutlicht.
Mit einer Auswahl ihrer besten Werke wird die Ausstellung „Rachel Ruysch – Nature into Art“ erstmals die unterschiedlichen Schaffensphasen und die Vielfalt an Bildthemen vorstellen, getrennte Gemäldepaare wiedervereinen und die herausragende Qualität der Künstlerin im Kontext ihrer Zeitgenossen vor Augen führen. Zugleich widmet sich das Ausstellungs- und Forschungsprojekt dem künstlerischen und intellektuellen Umfeld, in dem sie lebte und arbeitete.
Mit insgesamt über 200 Exponaten, darunter rund 80 Gemälde nationaler und internationaler Leihgeber sowie über hundert Leihgaben Staatlicher Museen und Institutionen in Bayern, ist diese Ausstellung für die Alte Pinakothek außergewöhnlich.
Die Ausstellung wird von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek, München sowie dem Toledo Museum of Art und dem Museum of Fine Arts, Boston veranstaltet. Die Ergebnisse des langjährigen gemeinsamen und disziplinenübergreifenden Forschungsprojektes werden in einer ausstellungsbegleitenden wissenschaftlichen Monografie vorgestellt.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Sophie Prinzessin von Bayern.
Weitere Informationen zur Ausstellung
www.pinakothek.de/nature-into-art
Toledo Museum of Art, Ohio | 13. April 2025 – 27. Juli 2025
Museum of Fine Arts, Boston | 23. August 2025 – 07. Dezember 2025
WANN?
Austellungdaten:
Dienstag, 26. November bis Sonntag, 16. März 2025
Öffnungszeiten:
Täglich außer Montag von 10.00-18.00 Uhr
Dienstags und Mittwochs von 10.00-20.00 Uhr
WO?
Alte Pinakothek
Barer Str. 27
80333 München
KOSTET?
Ständige Sammlung 9 €
6 € ermäßigt
Sonntags 1 € jeweils