Der Hamburger Bahnhof ist in der Gegenwart angekommen: Neuproduktionen und erste institutionelle Ausstellungen von acht Berliner und internationalen zeitgenössischen Künstler*innen präsentieren dem Publikum Themen wie künstliche Intelligenz, indigenes Wissen oder kollektives Träumen. Interaktive Räume wie das Rieckhallenatelier intensivieren den Austausch der Besucher*innen mit der Kunst, etablierte eintrittsfreie Formate wie Berlin Beats und das Open House gehen in die dritte Runde und für die Jüngsten wird das Angebot für Familien und Schulen ausgebaut. Die Sammlung zeitgenössischer Kunst kann durch langfristige Förderung erweitert werden.
Abb. oben: Berlin Beats, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 7. Juni 2024 / Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart / Alexander Rentsch
Die Direktoren Sam Bardaouil und Till Fellrath haben in den vergangenen zwei Jahren die Nationalgalerie der Gegenwart grundlegend neu aufgestellt. Mit der neuen Präsentation zu Joseph Beuys und der Wiedereröffnung der Rieckhallen sind die Sammlungspräsentationen im Hamburger Bahnhof mit Kunst nach 1989 bis heute vollständig, das Museum ist in der Gegenwart angekommen. Das Ausstellungsprogramm 2025 widmet sich mit Klára Hosnedlová, Susan Philipsz, Petrit Halilaj, Annika Kahrs, und Saâdane Afif in Berlin lebenden Künstler*innen und zeigt internationale Positionen von Ayoung Kim, Delcy Morelos, und Toyin Ojih Odutola.
Der im Oktober 2023 zur Förderung von Diversität und Inklusion gegründete Hamburger Bahnhof International Companions e.V. ermöglicht auch im kommenden Jahr neben Programmformaten den Zuwachs der Sammlung. 2024 unterstützte er das Museum mit 3 Mio. Euro für Ausstellungen und Programme und ermöglichte die Erweiterung der Sammlung unter anderem mit Werken von Elmgren & Dragset, Mona Hatoum und Lee Ufan.
Der Ausbau der Vermittlungs- und Veranstaltungsprogramme für das wachsende Publikum steht im Fokus des kommenden Jahres. Die erfolgreichen kostenlosen Formate wie Berlin Beats, Open House und In Conversationwerden auch 2025 fortgeführt.
Die Gesprächsreihe In Conversation etwa hat 2025 unter anderem mit Thomas Demandt und Haegue Yang zu Gast. Neben den etablierten Familiensonntagen der Volkswagen Group Art4All Family Sundays wird sich zudem ein teils kostenloses Programm für Familien und Schulen verstärkt dem jüngeren Publikum zuwenden. Zusätzlich werden den Ausstellungsbesucher*innen im Jahr 2025 1.000 kostenlose Führungen angeboten. Damit wird das kostenlose Veranstaltungsangebot fortgeführt und weiter ausgebaut, mit dem der Hamburger Bahnhof 2024 mit Berlin Beats, dem Open House, der Gesprächsreihe In Conversation und freien Sommer-Workshops für Kinder und Jugendliche zusätzlich zum Ausstellungspublikum ca. 100.000 Menschen erreichte.
Mit neuen Programmlinien wie der Kooperation mit dem Literaturhaus Berlin erschließt das Museum neue kulturelle Felder und Publika. In der Veranstaltungsreihe „Crossroads“ begegnen sich Kunst und Literatur: Autor*innen treffen auf Maler*innen, Bildhauer*innen auf Schriftsteller*innen, Multimedia-Künstler*innen auf Dichter*innen; ihre Wege kreuzen sich im Museum. Die Rieckhallen des Hamburger Bahnhofs sind mehr als nur ein Raum zur Kunstbetrachtung – sie sind ein Ort des Verweilens, Gestaltens und gemeinsamen Erlebens.
Das Rieckhallenatelier bietet einen Raum, in dem Begegnungen stattfinden und neue Ideen entstehen. Hier können Gruppen ungestört kreativ arbeiten, aber auch Einzelbesucher*innen sind herzlich eingeladen, während ihres Rundgangs eine kreative Pause einzulegen. Die verschiedenen Bereiche des Rieckhallenateliers ermöglich auch für Schulen innovative Formate die ab sofort über den Museumsdienst Berlin buchbar sind.
Sam Bardaouil und Till Fellrath, Direktoren des Hamburger Bahnhof: „Das Museum wird zu einem lebendigen Ort, an dem Kunst und Publikum in direktem Austausch stehen. Mit innovativen Vermittlungsformaten in den Ausstellungen, spontanen Begegnungen mit der Kunst und über 100 Tagen voller außergewöhnlicher Events wird jeder Besuch zu einem Erlebnis. Das Publikum rückt ins Zentrum und das vielfältige Programm lädt Stimmen aus allen Richtungen ein, miteinander in Dialog zu treten.“
Das Ausstellungsprogramm beginnt im Februar mit Ayoung Kim (geboren 1979). Ihre erste Einzelausstellung in einem deutschen Museum zeigt ein Jahrzehnt ihrer künstlerischen Praxis. In ihren Werken verwendet die Künstlerin Video, VR, KI, Spielsimulationen und Sonic Fiction als Mittel spekulativen Erzählens und thematisiert Migration, Xenophobie, Queerness sowie bio- und geopolitische Fragen. Die Ausstellung im Kabinett Ost behandelt die Symbiose zwischen Daten, Menschen und dem Planeten (28.2. – 20.7.2025).
Ab April bespielt Klára Hosnedlová (geboren 1990) die historische Halle mit einer monumentalen Installation, die um die Heimat, Utopien und den Alltag in unterschiedlichen politischen Systemen kreist. Eindrücke aus postkommunistischer Architektur, Filmen und Romanen und die futuristischen Bilder ihrer aktuell an verschiedenen Orten im Osten und Westen Berlins durchgeführten performativen Interventionen bilden den Aus-gangspunkt. Die raumgreifende, skulpturale Szenerie besteht aus Flachsfasern, Stickereien, gegossenem Glas, Sandstein, Eisen- und Betonplatten. Mit Hosnedlová präsentiert der Hamburger Bahnhof im Rahmen des Gallery Weekends erneut in der Haupthalle eine junge Künstlerin, die Grenzen des Skulpturalen erweitert (25.4. – 26.10.2025).
Im Juni feiert der Hamburger Bahnhof bereits das 3. eintrittfreie Open House (13.-15.6.2025) Wochenende, an dem auch die 3. Ausgabe der Open Air DJ Reihe Berlin Beats beginnt. Aus diesem Anlass entwickelt die schottische Klangkünstlerin Susan Philipsz (geboren 1965) für die „Unendliche Ausstellung“ eine neue Soundinstallation für den Innenhof des Hamburger Bahnhof, in der sie sich mit dem Ort und seiner Geschichte auseinandersetzt. Die „Unendliche Ausstellung“ umfasst damit 21 Installationen, Interventionen und Skulpturen, die dauerhafte Bestandteile der Innen- und Außenräume des Museums und Teil der Sammlung des Hamburger Bahnhof sind (ab 13.6.2025).
Die erste Einzelausstellung in Deutschland von Delcy Morelos (geboren 1967) präsentiert ab Juni eine neue, raumgreifende Installation, die sich mit den Themen Erde, indigenes Wissen, Regeneration und der Verbundenheit von Natur und Mensch befasst. Dabei setzt sich Morelos mit den Aktionen, Skulpturen und Environments von Joseph Beuys auseinander, die in der Dauerausstellung zu sehen sind (13.6.2025 – 11.1.2026).
Ab Juli sind die figurativen Multimedia-Zeichnungen von Toyin Ojih Odutola (geboren 1985) zu sehen, die für ihre detaillierte Auseinandersetzung mit Identität und visueller Erzählkunst bekannt sind. Die Figuren dienen als Mittel, den Charakter und die persönliche Geschichte einer Person zu erforschen, wobei das Thema der Reise oder des Transports des Selbst ein wiederkehrendes Motiv ist. Durch die Auseinandersetzung mit lokalen Sammlungen untersucht Odutolas Ausstellung Themen wie Repräsentation, Identität und persönliche Geschichten (11.7.2025 – 25.1.2026).
Petrit Halilaj (geboren 1986) zeigt ab September seine erste große institutionelle Einzelausstellung in Berlin. Neben Zeichnungen, Skulpturen und Installationen werden neue, ortsspezifische Arbeiten ausgestellt. Im Mittelpunkt steht eine raumgreifende, partizipatorische Installation, die das Potenzial des kollektiven Träumens erkundet, offene, emanzipatorische Welten hervorzubringen (5.9.2025 – 31.5.2026).
Im November eröffnet die in Berlin lebende Künstlerin Annika Kahrs (geboren 1984) die bislang umfangreichste Auswahl ihrer Arbeiten. In ihren Videos, Sound-Installationen und Performances erforscht sie die Grenzbereiche von Musik. Kahrs geht den kulturellen und sozialen Funktionen von Musik sowie ihren kommunikativen Dimensionen und formalen Strukturen nach. Die Ausstellung gliedert sich in drei künstlerische Komponenten: Live-Performance, Film/Video, Sound/Musik. Die Arbeit mit Musik als Material sowie die Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen sind feste Bestandteile ihrer Kunst (14.11.2025 – 3.5.2026).
Die letzte Ausstellung des Jahres widmet sich am Dezember dem Künstler Saâdane Afif (geboren 1970). Im Zentrum steht das vielteilige Werk „The Fountain Archives“ (2008-2022), das 2023 als Schenkung an die Nationalgalerie kam und im Hamburger Bahnhof erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird. In Form eines künstlerischen Archivprojekts hat Afif die Rezeptionsgeschichte des legendären Readymades „Fountain“ von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1917 nachgezeichnet. Die Ausstellung zeigt dieses einem prominenten Kapitel der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts gewidmete Werk zusammen mit weiteren Arbeiten des Künstlers, die tiefgründig und mit feinem Humor die Institution des Kunstmuseums hinterfragen (12.12.2025 – 16.8.2026).
Zu den für 2025 geplanten Einzelausstellungen erscheint bei Silvana Editoriale jeweils ein Ausstellungskatalog in der Publikationsreihe des Hamburger Bahnhof (12 Euro). Zusätzlich zu einer kuratorischen Einführung enthalten die Kataloge ausführliche Interviews mit den Künstler*innen, einen externen Textbeitrag sowie zahlreiche Abbildungen, da-runter auch Ausstellungsansichten. Damit umfasst die seit 2022 erscheinende Publikationsreihe des Hamburger Bahnhof insgesamt 18 Ausgaben.
WANN?
Programm:
Ayoung Kim: Sonntag, 28.02. – Sonntag, 20.07.2025
Klára Hosnedlová: Freitag, 25.04. – Sonntag, 26.10.2025
Delcy Morelos: Freitag, 13.06.2025 – Sonntag, 11.01.2026
Susan Philipsz: ab Freitag, 13.06.2025
Toyin Ojih Odutola: Freitag, 11.07.2025 – Sonntag, 25.01.2026
Petrit Halilaj: Freitag, 05.09.2025 – Samstag, 31.05.2026
Annika Kahrs: Freitag, 14.11.2025 – Samstag, 03.05.2026
Saâdane Afif: Freitag, 12.12.2025 – Sonntag, 16.08.2026
WO?
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Invalidenstraße 50
10557 Mitte-Berlin