Die Malerin Gudrun Brüne ist am 25. Januar 2025 im Alter von 83 Jahren in Neuruppin nach langer Krankheit verstorben. Mit ihrer Kunst, die durch klare, allegorische Darstellungen, generationenübergreifende Themen und eine tiefe gesellschaftliche Reflexion geprägt ist, bleibt sie als Künstlerin von großer, zeitloser Relevanz. Gudrun Brünes Gemälde, auf denen Masken, Puppen und metaphorische Szenerien in figurativer Weise dargestellt wurden, umkreisen zentrale Fragen des menschlichen Daseins: Liebe, Vergänglichkeit, Manipulation, Selbstbestimmung, Zerstörung und die Suche nach der wahren Identität. Diese Themen, die die Grundfragen ihrer Kunst ausmachen, entsprangen wohl auch den prägenden Erfahrungen ihres Lebens.
Abb. oben: Gudrun Brüne in ihrem Atelier in Strodehne im Havelland, 1992 © Gudrun Brüne Estate
Gudrun Brüne wurde 1941 in Berlin geboren. Mit nur zwei Jahren verlor sie ihren Vater, der während des Zweiten Weltkriegs bei einem U-Boot-Einsatz starb. Mit Mutter und Schwester wurde sie in die Nähe von Bremen evakuiert. 1947 zog die Familie nach Leipzig, wo Gudrun Brüne aufwuchs. Ende der 50er Jahre absolvierte sie eine Buchbinderlehre in Pößneck / Thüringen. Von 1961 bis 1966 folgte ihr Studium bei Heinz Wagner und Bernhard Heisig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, welches sie mit Diplom abschloss. Die prägende Einflussnahme dieser Lehrer spiegelte sich in ihrem späteren Werk wider. Zugleich gelang ihr das Finden eines unverkennbaren malerischen Stils. Von 1966 bis 1977 arbeitete Gudrun Brüne freischaffend und zeitweise im Atelier ihres späteren Ehemannes Bernhard Heisig. 1973 präsentierte sie ihre erste Einzelausstellung in Leipzig.

Von 1974 bis 1982 war Brüne Mitglied der Sektionsleitung Maler/Grafiker des Verbandes Bildender Künstler der DDR, was ihre Stellung in der Kunstszene zusätzlich festigte. Ab 1977 übernahm sie die Rolle einer Assistentin und unterrichtete von 1979 bis 1999 als Dozentin für Malerei und Grafik und Leiterin einer Fachklasse an der Hochschule für Kunst Burg Giebichenstein. 1988 wurde die Malerei von Gudrun Brüne auf der Biennale in Venedig gezeigt, zehn Jahre später auf der Art Cologne. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 1987 mit dem Kunstpreis der DDR und 1981 mit der Verdienstmedaille der DDR. Ihre Arbeiten, die während der Zeit der deutschen Teilung vornehmlich in der DDR ausgestellt wurden, erweckten nach dem Mauerfall auch in westdeutschen Galerien und in Chicago Aufmerksamkeit.
Gudrun Brüne war eine der wenigen Künstlerinnen, die in der männerdominierten Leipziger Schule Anerkennung fand. Ihr Werk ist nicht nur von technischer Fertigkeit, sondern auch von emotionaler Tiefe und symbolischer Kraft geprägt. Brünes Gemälde, die durch einen klaren, figurativen Stil bestechen, stellen die zeitlosen Themen des Menschseins in den Vordergrund. Sowohl die verhüllenden Masken, als auch die Puppen, die entweder dominant als einzelnes Objekt oder aufgehäuft zu Bergen von beschädigten Leibern und fragmentierten Körperteilen dargestellt werden, sind wiederkehrende Leitmotive ihres Schaffens. Sie symbolisieren das Undurchschaubare, die Fassade, die Spaltung zwischen einer heilen Welt und der Konfrontation mit der Zerstörung, was in den 1980er Jahren besonders resonierte. Gudrun Brüne formulierte dies in einem Interview im Jahr 1988 so: „Von den zerstörten Puppen geht doch eine gewisse Faszination aus. Sie lassen bei den Leuten Gefühle und Gedanken auf sehr unterschiedliche Weise wach werden. Das gefällt mir. Ich glaube nämlich. dass die Puppen mehr Betroffenheit auslösen als die Realität der Zerstörung, die zum Beispiel durch das Fernsehen täglich zu uns ins Zimmer kommt. Die Koppelung von heiler Welt, die die Puppe symbolisiert, und Zerstörung bringt die Gemüter der Leute in Bewegung.“
Mit dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt und dessen Ehefrau Loki waren Gudrun Brüne und Bernhard Heisig in besonderer Weise verbunden. Schmidt hatte 1985 – also vier Jahre vor dem Mauerfall – entschieden, dass nicht ein westdeutscher Künstler, sondern der DDR-Maler Bernhard Heisig sein Portrait für die sogenannte Kanzlergalerie anfertigen solle. So geschah es im darauffolgenden Jahr. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine Freundschaft. Jahre später malte Gudrun Brüne ein Portrait von Loki Schmidt, mit einem schwebenden Blütenkranz über dem Haupt der leidenschaftlichen Botanikerin. Gudrun Brüne erzählte dazu: „Auf der ersten Version des Gemäldes erschien Helmut Schmidt seine Frau etwas depressiv dargestellt. Er meinte, das würde ihr nicht entsprechen, sie sei doch eher ein optimistischer Typ. Ich habe daraufhin eine Neufassung angefertigt. Diese hat Helmut Schmidt dann Jahre später, nach Lokis Tod, in meinem Atelier gesehen. Er hatte das Bild wohl vergessen, blieb mit seinem Rollstuhl erstaunt davor stehen und sagte: ‚Oh, das ist ja Loki‘. Später schrieb er mir dann, dass er das Bild gerne haben möchte.“

Seit 1991 lebte und arbeitete Gudrun Brüne mit ihrem Mann Bernhard Heisig in Strodehne im Havelland, ein Ort, so sagte sie selber, den man damals als das „Worpswede des Ostens“ bezeichnete. In einem eigens errichteten Doppel-Atelier arbeitete das Ehepaar über zwanzig Jahre Seite an Seite. 2011 starb Bernhard Heisig. Gudrun Brüne blieb in Strodehne.
Gudrun Brüne war nicht nur eine Künstlerin, sondern auch eine Frau, die den Herausforderungen ihrer Zeit mit Mut begegnete. In der künstlerischen Partnerschaft, die über 50 Jahre währte, stand sie an der Seite ihres Ehemannes Bernhard Heisig, einem der bekanntesten Maler der ehemaligen DDR. Trotz des Gewichtes seines Ruhms gelang es ihr, eine eigene künstlerische Stimme zu finden, die über die Jahre hinweg immer deutlicher wurde. Ihr Werk und ihr Leben sind untrennbar mit der Geschichte der Leipziger Schule und der deutschen Kunstszene des 20. Jahrhunderts verbunden. Die Malerin schuf über einen Zeitraum, der sich von den frühen 1960er Jahren bis Ende 2024 erstreckt, eine Vielzahl an Arbeiten. Ihr Lebenswerk umfasst mehr als 600 Gemälde und Zeichnungen.
Wer Gudrun Brüne kannte, war beeindruckt von ihrer Disziplin, ihrem Fleiß und ihrer Zielstrebigkeit. Die Malerei bestimmte ihren Tag. Bis zuletzt arbeitete sie mit dem ihr eigenen Anspruch an Technik und Perfektion, und ohne Rücksicht auf ihre nachlassenden Kräfte, an neuen Werken in ihrem Atelier in Strodehne.
Der Tod von Gudrun Brüne hinterlässt eine große Lücke, aber ihr Werk bleibt lebendig und zeitlos. Es fordert uns weiterhin heraus, über unsere eigene Menschlichkeit und die Welt, die wir gestalten, nachzudenken. Sie wird als eine der prägendsten Künstlerinnen ihrer Zeit in Erinnerung bleiben.
Wir werden Gudrun vermissen und trauern mit der Familie und allen, die ihr nahestanden.
Text: Stephanie Schneider