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Mittwoch, April 30, 2025

Gerald Jackson. Keep Looking: Works from 1978–2025 – Kienzle Art Foundation | 03.05.-05.07.2025

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Die Kienzle Art Foundation präsentiert ab 03. Mai 2025 (Vernissage: 02. Mai 2025) Keep Looking: Werke von 1978–2025 anzukündigen, die erste Einzelausstellung von Gerald Jackson (*1936, Chicago, USA) in Europa. Die Ausstellung wurde von Matthew Higgs kuratiert, dem Direktor von White Columns – einem der ältesten alternativen Kunsträumen New Yorks – dort hatte der Künstler bereits 2021 eine viel beachtete Einzelausstellung. Jackson zählt zu den wandelbarsten Künstlern seiner Generation. In den vergangenen sieben Jahrzehnten hat er sich mit bemerkenswerter Freiheit zwischen Malerei, Skulptur, Assemblage, Collage, Zeichnung, Mode, Musik, Poesie und Performance bewegt. Keep Looking, benannt nach dem gleichnamigen Song der britischen Band Sade aus dem Jahr 1988 (eines von Jacksons Lieblingsliedern), präsentiert einen konzentrierten Blick auf sein Werk von den späten 1970er Jahren bis heute.

Abb. oben: Gerald Jackson, o.T., 1988, Collage: Fotokopie, Farbstift, Graphit, 43 x 28 cm. © LeWitt Collection, Chester, Connecticut.

Nach einem Einsatz in der US-Armee zog Gerald Jackson Anfang der 1960er-Jahre von seiner Heimatstadt Chicago in die Lower East Side von New York. Dort stieß er auf eine lebendige Gemeinschaft avantgardistischer Künstler und Jazzmusiker, die sich um Slugs’ Saloon (1964–1972) versammelten – einen noch heute legendären Jazzclub in der East 3rd Street, in dem Sun Ra einst regelmäßig Montagabends auftrat. Diese enge Verflechtung von Kunst, Musik und Leben durchzieht Jacksons Werk als ein roter Faden. Jackson studierte zunächst am School of the Art Institute of Chicago und später an der Brooklyn Museum Art School, bevor er Mitte der 1960er-Jahre begann, seine Arbeiten öffentlich auszustellen.

Von den frühen 1970er-Jahren bis zur Zwangsräumung im Jahr 2002 lebte und arbeitete er – mit kaum nennenswerter finanzieller Unterstützung – in einem roh ausgebauten Gewerbeloft an der Bowery in New York. Dort teilte er sich die Nachbarschaft mit anderen Künstlern und Musikern, aber auch mit Gastronomiebedarfsläden, Absteigen, Bars und der großen obdachlosen Bevölkerung des Viertels. Für Jackson spiegelte die Bowery die harten Realitäten und das Versagen der amerikanischen Gesellschaft wider – zugleich bot sie ihm einen Rückzugsort, an dem er seine künstlerische Vision frei entfalten konnte. In Downtown Manhattan fand Jackson Inspiration in einer lebendigen Szene Gleichgesinnter, darunter McArthur Binion, Peter Bradley, Ornette Coleman (mit dem er zeitweise eine Wohnung teilte), David Hammons, Corrine Jennings, Lorraine O’Grady, Joe Overstreet, Bob Thompson und Stanley Whitney.

Im Verlauf seiner Karriere, die sieben Jahrzehnte umfasst, hat Gerald Jackson stets auf soziale Bedingungen reagiert, denen er im Laufe seines Lebens ausgesetzt war – darunter Armut, Rassismus und Gewalt. Seine künstlerische Praxis ist dabei von einem zutiefst philosophischen und konzeptuellen Ansatz geprägt, durchdrungen von Poesie und politischem Bewusstsein. Jacksons Werke machen diese Strategien in ihrer formalen Umsetzung sichtbar: etwa durch die Transformation von Alltagsrelikten und vermeintlichem Abfall in Objekte der Schönheit und Bedeutung. Durch die Aneignung und Umdeutung kultureller und spiritueller Ausdrucksformen zur Schaffung neuer, befreiender Mythen; oder durch die Untersuchung von Farbe und Licht als Kräfte der Heilung und der Transzendenz.

DEEDS.NEWS - Kienzle Art Foundation - Gerald Jackson - foto Paul Salveson
Gerald Jackson, o.T. (Skid Painting), 1980er Jahre, Öl, Acryl, Sprühfarbe, Pastellkreide, Leinwand, Holz, Heftklammern, Nägel, 145 x 160 cm. © Courtesy of Gordon Robichaux, New York and Parker Gallery, Los Angeles, 2025. Foto: Paul Salveson

Keep Looking ist inhaltlich um vier miteinander verbundene Werkgruppen strukturiert: Zum einen um die sogenannten Skid Works, die ab den 1980er-Jahren entstanden sind und die durch eine Gruppe gesprühter und schablonierter Arbeiten aus den 1970er-Jahren ergänzt werden. Des Weiteren liegt ein Schwerpunkt auf Jacksons fortlaufender Auseinandersetzung mit Sprache und Farbe, die sich seit den 1980er-Jahren durch seine Arbeit zieht und die in der Ausstellung durch eine Auswahl handgefertigter Kleidungsstücke, die bereits seit den 1970er-Jahren ihren Anfang nehmen abgerundet wird.

Die Skid Works entstanden aus gefundenen Holzpaletten, die Jackson auf der Straße vor seinem Loft an der Bowery sammelte. Die Struktur dieser Paletten erinnerte an umkonstruierte oder dekonstruktierte Keilrahmen, was Jackson dazu veranlasste, sie zugleich als Bildträger und formale Grundlage weiterzudenken. Er bearbeitete sie mit Filzbändern, Elektrokabeln und Leinwandstreifen, die er annagelte, tackerte, wickelte, spannte oder band. Anschließend bemalte er die Oberflächen, versah sie mit leuchtenden, pastos aufgetragenen Farbschichten und Fragmenten von zerbrochenem Holz.

Die so entstehenden hybriden Objekte, die Jackson selbst als „Skids“ bezeichnet, zeugen von seiner präzisen Sensibilität für Material und Form sowie von seiner Fähigkeit, das Übersehene und Ausrangierte in Gegenstände kontemplativer Tiefe zu verwandeln. Seit den 1970er-Jahren entwickelte Jackson darüber hinaus ein eigenes Vokabular aus gesprühten Piktogrammen, die mithilfe gefundener und selbst gefertigter Schablonen entstehen. Diese grafischen Zeichen setzt er als optische Muster ein, die er in Schichten über Bettlaken, Holzplatten, gespannte Leinwände oder Kleidungsstücke legt. Die wiederkehrenden Symbole, die oft durch Porträts ergänzt werden, entfalten eine visuelle Erzählweise, die zwischen Zeiten und Kulturen vermittelt. Sie erinnern gleichermaßen an prähistorische Höhlenmalerei, urbane Graffiti und die Ästhetik früher Videospiele: Sie verweisen auf Jacksons tiefes Interesse an kulturellen und spirituellen Bildsprachen.

DEEDS.NEWS - Kienzle Art Foundation - Gerald Jackson - foto Marc Tatti
Gerald Jackson, o.T., undatiert, Zwei Kleidungsstücke: Stoffapplikation auf gefundener Kleidung. © The Gerald Jackson Trust. Courtesy of Gordon Robichaux, New York and Parker Gallery, Los Angeles, 2025. Foto: Marc Tatti

Für Jackson sind Sprache und Farbe fundamentale soziale und politische Anliegen, die untrennbar mit Erfahrung sowie mit der Möglichkeit von Empowerment und Befreiung verbunden sind. In seinem fortlaufenden Werk, das den Farben Blau und Grün gewidmet ist, nutzt Jackson die assoziative Kraft dieser Farben (Grün für die üppige Erde und Blau für Himmel und Wasser) sowie deren spirituelle Qualitäten. In einer stark körperlich wirkenden Arbeit einer thematisch korrespondierenden Serie integriert Jackson ein détournierte Bild von Da Vincis Vitruvianischem Menschen, wobei er die zentrale Figur mit Kohle und Ölkreide nahezu völlig auslöscht. In seinen jüngsten Textzeichnungen werden Worte, die bestimmte Farben bezeichnen (z. B. „BLACK“ oder „RED“), auf Schreibpapier geschrieben und in rasterähnlichen Formationen angeordnet. Die Texte suggerieren eine Art von Abstraktion durch Sprache, wobei Jacksons stakkatoartige Textzeichnungen zwischen konkreter Poesie und einer Form von musikalischer oder lyrischer Partitur oszillieren. In Jacksons jüngsten figurativen Collagen, einschließlich der  Arbeiten aus der Serie Divine Providence, werden Aspekte seiner Biografie – darunter Selbstporträts – mit seinen eigenen Texten, gefundenen Bildern und Symbolen sowie Fragmenten von Partituren von Mozart und Ornette Coleman kombiniert.

Jede der Galerieräume der Kienzle Art Foundation ist durch das Vorhandensein einer Schaufensterpuppe verbunden, die in einem von Jacksons handgefertigten, funktionalen Kleidungsstück gekleidet ist. Diese Outfits wurden von dem Kunsthändler Jack Tilton 2003 treffend als „chop and paste clothing“ und als eine Form von „dreidimensionalem Funk“ beschrieben. Jackson trug sie im Sinne einer Künstlerkleidung oft selbst, wie im 1987 von Peter Bellamy aufgenommenen Porträt des Künstlers in seinem Atelier, auf dem er einem handschablonierten Mantel trägt –hinter ihm die Arbeiten der Skids Serie zu erkennen.

Wie die Kritikerin Roberta Smith 2021 in der New York Times bemerkte: „Multikulturell in ihren Anspielungen und atemberaubend in ihren Farben, suggerieren diese Kleidungsstücke eine weltweite Rafinesse. Sie sind für Bürger der Welt gemacht.“

Text: Matthew Higgs

WANN?

Eröfnung: Freitag, 2. Mai 2025, 18 bis 21 Uhr

Ausstellungsdaten: Samstag, 3. Mai bis Samstag, 5. Juli 2025

Öffnungszeiten: Do und Fr: 13 – 18 Uhr, Sa: 14 – 18:30 Uhr

WO?

Kienzle Art Foundation
Bleibtreustrasse 54
10623 Berlin

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