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Marta Vovk: If you wanna be my lover, you gotta send heavy weapons to Ukraine – Neuer Kunstverein Gießen | 05.08.-16.09.2023

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Der Neue Kunstverein Gießen zeigt ab 5. August 2023 die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin Marta Vovk.

Abb. oben: Пішли всі нахуй, 2022

Krieg: schlecht. Frieden: gut. Welch wohlig Gefühl umarmt die als polarisiert verschriene Gesellschaft, sind sich einmal alle einig.

Gemeinsam für den Frieden ersitzen wir uns den ersehnten Platz auf der richtigen Seite der Geschichte, nennen es Aufstand – faktisch irgendwie teillegitimiert ob der fehlenden Bestuhlung. Und so geht auch der besorgte Bürger endlich auf in zur Bewegung erklärten Tausenden, denen ein gemütliches Dahinschaukeln im Minimalkonsens als moralischer Verdienst zu gelten scheint.

Eineinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine blickt Marta Vovk auf die Deutschen: entgeistert, ermattet, amüsiert und streitlustig. Der Kern ihrer politischen Identität erodiert in Anbetracht der Umstände. Sie wünscht sich konkrete Unterstützung für die Ukraine, während linke Vordenkerinnen ihre Sicherheit hierzulande mit Warnungen vor dem Dritten Weltkrieg zu zementieren suchen und die linke Instagram-Bubble mit den Werkzeugen US-amerikanisch geprägter Rassismustheorie antislawische Rassismen umkreist.

Wie passt Vovk da rein? Im Neuen Kunstverein Gießen präsentiert sie eine Militarismus-geile Manga-Figur, phallisch ausstaffiert mit Schwert zwischen den nackten Schenkeln. Die Kriegerin ist als Persiflage auf die Rolle zu verstehen, in der die Künstlerin sich seit Monaten wiederfindet. „If You Wanna Be My Lover, You Gotta Send Weapons to Ukraine”: Der Titel ihrer Ausstellung führt vom spaßigen Versprechen in die politische Forderung, lockt krisenmüde Schaulustige vor ein Panorama deutscher Peinlichkeit.

Kommet ihr Fliehenden, aber bleibt nicht so lange, irgendwann brauchen wir unsere Turnhallen zurück. Dann seht ihr uns doch nicht mehr so ähnlich und dass ihr den Nationalismus nicht restlos durchreflektiert habt, wird uns misstrauisch machen. Das sehen wir hier nicht so gern und wir wollen auch keine Atombomben. Wir haben nichts gegen Russ:innen. Ferner wollen wir darauf verweisen, wie gut ihr es bei uns hattet.

Vovk ist enttäuscht von ihrer linken Peer Group, von befindlichkeitsgetriebener Rhetorik der Unterwerfung genauso wie von einem Gegeneinander-Ausspielen von Schicksalen, das einem differenzierten Verständnis diskriminierender Strukturen wenig zuträglich ist. Ihre Ausstellung ist eine Abrechnung mit drei Generationen Selbstgerechtigkeit, ein heiter-garstiges Spektakel wider die schwindende Aufmerksamkeit. Deko-Teller für die Boomer, Wandtattoos für die Gen X, internetreferenzielle Collagen medialer Referenzen für die Millennials.

Setz dich und nimm dir ein bisschen Zeit für Frieden, während gut 1000 Kilometer weiter Menschen sterben. Menschen sterben immer irgendwo. Hock dich vor die Glotze wie früher. RTL wird es schon wissen. Sonst frag Mama – oder die Echo Chamber. Hinter den verschlossenen Türen des auslaufenden Aufstiegsversprechens nagele dir die Tokens bester Absichten an die Wand. Alice, Richard, Sahra, Franziskus, sie haben sich stets bemüht.

Text von Anna Meinecke

WO?

NEUER KUNSTVEREIN GIESSEN e.V.
Ecke Licher Str./Nahrungsberg
35394 Gießen

WANN?

Ausstellungsdaten: Samstag 05. August – Samstag 16. September

Künstlergespräch: Samstag 16. September, 14:00 Uhr

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