Manfred P. Herrmann, geboren 1948, Steuerberater und Partner in der Steuerkanzlei HPTP in Berlin-Kreuzberg, schätzt an der zeitgenössischen Kunst vor allem den Gespräche anregenden Aspekt. Gemeinsam mit seiner Frau, der Kunsthistorikerin Burglind-Christin Schulze-Herrmann, gründete er vor neun Jahren eine Kunststiftung. Im THE INTERVIEW IN|DEEDS spricht er mit uns über seine Leidenschaft für die Kunst, über Veränderungen in der Kunstszene, und gibt Tipps für Menschen, die sich näher mit Gegenwartskunst befassen möchten.
Abb. oben: Manfred P. Herrmann, courtesy M. Herrmann
Herr Herrmann, welches Kunstwerk haben Sie zuletzt gekauft und warum?
Zuletzt gekauft habe ich eine Rückriem- Skulptur in einer Auktion bei Grisebach, die jetzt bei uns in Mallorca im Garten steht. Außerdem ein Bild von Stefanie Gutheil bei der Galerie Russi Klenner, diese Arbeit war bis jetzt in einer Ausstellung in Porto. Von Rückriem wollte ich schon immer eine Skulptur kaufen, ich halte ihn für einen besonders guten Künstler. Und Arbeiten aus Stein passen auch besonders gut auf unser Grundstück in Spanien. Stefanie Gutheil ist in meinen Augen eine Künstlerin, die noch eine große Zukunft vor sich hat. Deshalb wollte ich von ihr eine Arbeit.
Wie ist es mit Kunst, oder speziell mit viel Kunst zu wohnen? Was macht das mit einem – oder erwerben Sie aus rein dekorativen Gründen?
Mit Kunst zu wohnen bereichert ungemein, weil zeitgenössische Kunst immer wieder Fragen aufwirft. Wir haben ja nicht nur zu Hause sehr viel Kunst, sondern auch in der Kanzlei. Es ist besonders interessant zu sehen, wie die Mitarbeiter darauf reagieren, und auch die Gäste in der Kanzlei – oder auch zu Hause. Dass führt immer wieder zu Gesprächen, die man sonst nicht führen würde.
Das Interview, welches Sie dem KUNST Magazin Sammlergespräche gegeben haben, ist über 10 Jahre her. Welche Künstler und wie viele Werke umfasst ihre Kunstsammlung heute?
Die Namen der Künstler unserer Sammlung kann ich nicht alle aufzählen, es sind über 100. Die Sammlung umfasst inzwischen ca. 600 Werke. Vor 9 Jahren habe ich mit meiner Frau ein Stiftung gegründet „Contemporary Art Foundation Berlin“ , in der Stiftung befinden sich inzwischen ca. 150 von den 600 Werken.
Was hat sich in diesen letzten 10 Jahren in der Kunstszene verändert?
Man spürt, dass es die kleinen Galerien finanziell immer schwerer haben, die großen Galerien werden immer größer und mächtiger. Es wird – aus meiner Sicht – wesentlich mehr Geld investiert in Werke „anerkannter Künstler“ und weniger in noch nicht abgesicherte junge Künstler. Das „Kunstgeschäft“ verlagert sich immer mehr auf die Messen, junge Galerien werden dort entweder nicht zugelassen, oder sie können sich die Teilnahme nicht leisten. Wenn ein Galerist nur Künstler hat, von denen ein Werk bis € 5.000 kostet, kann er nicht 40.000 € für die Messeteilnahme ausgeben…
Woher stammt ihr Leidenschaft für Kunst, wer hat sie erweckt?
Das ist wirklich schwer zu sagen … ich habe mich seit meiner Jugend immer für Kunst interessiert. Es waren sicher Freunde und Bekannt, die mich da hingeführt haben, meine Eltern waren es leider nicht. Später war es natürlich auch meine Frau, die Kunst und Kunstgeschichte studiert hat.
Könnten Sie sich vorstellen, ohne Kunst zu leben?
Nein.
Gibt es einen Raum, in dem Sie keine Kunst hängen würden? Falls ja, welchen und warum?
Ich glaube, es gibt keinen Raum – mit Ausnahme der Keller oder der Garage….selbst in den Bädern befindet sich bei uns Kunst.
Das erste kostspieligere Sammelobjekt Ihrer Frau Burglind war ein Karussellpferd für 900 DM. Was hat Ihr erstes Kunstwerk gekostet und was war es? Haben Sie es noch?
Das Karusselpferd existiert noch. Eines der ersten zeitgenössischen Kunstwerke war ein Bild von Erwin Bohatsch, das haben wir bei Volker Diehl gekauft, ich meine 1984 … es hängt in der Kanzlei.
Was entgegnen Sie auf die These, Kunst sei elitär, und etwas, das nur Intellektuellen oder der High Society vorbehalten ist?
Das würde ich überhaupt nicht so sehen. Es ist ein Frage des Interesses, mit Kunst kann man sich auch beschäftigen, ohne Geld auszugeben, man muss nur die Museen und Galerien besuchen … Und es gibt auch gute Kunst, die wenig kostet. Allerdings muss man sich mit Kunst auseinandersetzen, das erfordert Zeit und Interesse.
Was würden Sie heute Ihrem jüngeren Kunstkäufer-Selbst empfehlen?
Eintreten in einen guten Förderverein für zeitgenössische Kunst (Stoberkreis Nationalgalerie, KW, Berlinische Galerie usw.) Dort lernt man sehr viel über zeitgenössische Kunst. Dann sollte man junge Galerien besuchen mit Galeristen, die in etwa in dem gleichen Alter sind, wie der junge Kunstkäufer.
Was ist innerhalb des weiten Feldes des Kunstsammelns für Sie das Wichtigste und warum?
Kontakte mit den Galeristen und Künstlern zu haben und zu halten … Darüber lernt und erfährt man sehr viel aus allererster Hand.
Unterliegt Kunstsammeln Trends? Wenn ja, welche Trends gibt es und welche spielen zu Zeit eine zentrale Rolle?
Ich glaube schon. Die Kunst verändert sich stetig. Das liegt auch an den technischen Möglichkeiten, aber auch nicht nur daran. Ich habe z. B. vor einiger Zeit ein Werk des New Yorker Künstlers Josh Kline gekauft, das wurde mit einem 3D-Drucker hergestellt. Diese Möglichkeit gab es vorher nicht. Dann bietet das Internet natürlich unglaublich viele Möglichkeiten.
Ich bin nicht sicher, ob es einen neuen Trend gibt, der eine zentrale Rolle spielt … Es wird immer noch gemalt und „gebastelt“ …
Wo kaufen Sie Kunst am liebsten – und warum?
In Galerien und auf Messen. In Galerien haben ich bei Einzelaustellungen eine gute Auswahl von dem, was ein Künstler gerade macht. Auf Messen habe ich ein „Riesenspektrum“ und kann auch gut vergleichen.
Nach welchen Kriterien kaufen sie Kunst?
Es muss mich ansprechen, und inspirieren …
Interessieren Sie sich für spezielle Kunstrichtungen bzw. Genres?
Eigentlich nicht, ich sammle nur keine Filme.
Welche Rolle spielt für Sie die Beratung beim Kunstkauf?
Eine sehr große.
Wie wählt man aus, wenn man nicht alle Werke kaufen kann, die einem gefallen?
Das ist eine schwierige Frage. Aber oft ist es so, dass uns in einer Ausstellung ein Werk besonders gut gefällt, und dann wollen wir auch nur das. Das zweitbeste nehme wir nicht, wenn das beste schon verkauft ist.
Die Präsentation von Kunst im World Wide Web ist im letzten Jahr massiv gestiegen. Inwieweit glauben Sie an den Online-Verkauf von Kunst – und kaufen Sie dort auch?
Ich glaube, dass auch der Online – Verkauf, und die Online Auktionen zunehmen werden. Wir müssen immer ein Werk auch „physisch“ sehen und eine Skulptur auch mal berühren dürfen … daher haben wir noch nichts Online gekauft.
Welches Konzept oder welche Leitlinie verfolgen Sie in Ihrer Sammlung?
Wir sammeln nur zeitgenössische Kunst, Malerei, Skulpturen und Fotografie. Darüber hinaus sind wir sehr offen.
Berlin ist auf die Anzahl der Art Spaces bezogen neben New York und London eine der Top-Metropolen für Kunstkauf weltweit. Allerdings wird hier nicht annähernd so viel Kunst umgesetzt wie in den anderen beiden Städten. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, damit Berlin für Kunstkäufer interessanter wird?
Die Institutionen müssten mehr zeitgenössische Kunst kaufen. Außerdem war der Flughafen bisher ein Hinderungsgrund, internationale Sammler wollen nicht zu viel Zeit verschwenden, daher fehlen internationale Flugverbindungen. Das fehlende Interesse des Berliner Senats ist außerdem auch nicht Hilfreich.
Kunstkauf ist eine Leidenschaft, die bestenfalls viel Austausch und Diskurs mit sich bringt. Wo, wie und worin erleben Sie dieses optimaler Weise?
In Galerien, auf Messen und im Freundeskreis.
Wo sehen Sie die Grenze zwischen Kunstkäufer und Kunstsammler? Und ab wann sollte man seine Kunstsammlung (öffentlich) präsentieren?
Es gibt keine Grenze. Auch jemand, der nur 10 hochkarätige Kunstwerke besitzt, kann ein wichtiger Sammler sein. Das öffentliche präsentieren muss jeder für sich selbst eintscheiden.
Wieviel Bildungsauftrag steckt im Kunstsammeln?
Weiß ich nicht …
Haben Sie besondere Räume, in denen Sie ihre Kunst hängen oder präsentieren?
Die Kanzlei …
Was haben Sie durch das Kunstsammeln gelernt?
?
Wie haben Sie sich das Wissen über die Kunst angeeignet?
?
Sie haben schon einmal zwei Kunstwerk wiederverkauft und es bereut – zwei Arbeiten von Baldessari und Robert Gober. Was genau haben Sie bereut? Und haben Sie sich an Ihr Vorhaben gehalten, seitdem nichts mehr zu verkaufen?
Ich finde die Arbeiten heute noch sehr gut. Ich habe die verkauft, weil ich gerade was anderes kaufen wollte, und dafür Geld brauchte, außerdem haben sie erheblich an Wert gewonnen. Danach habe ich noch einige andere Arbeiten verkauft.
Könnten Sie sich einen Grund vorstellen, mit dem Kunstsammeln aufzuhören – welcher wäre das?
Ja, wenn ich zu alt geworden bin, ich hoffe, das passiert nicht
Welche drei Kunstmuseen sollte man besucht haben? Und Ihre Tipps für drei derzeit spannendste Galerien in Berlin?
In Berlin, oder weltweit? Nationalgalerie, KW, Berlinische Galerie. Galerien: Russi Klenner (ganz junge Galerie), Max Hetzler, Neugerriemschneider, Esther Schipper (sehr etabliert)
Gilt das folgende Zitat für Sie heute noch unverändert, oder hat sich etwas verändert in den letzten 11 Jahren?
„Wenn man gut kauft, kann man sein Geld mit Sicherheit sehr gut anlegen. Es wird aber auch immer Fälle geben, wo man ein bisschen danebenliegt, deswegen sollte Wertanlage nie das alleinige Motiv für das Sammeln sein. Allerdings kann einem das mit Immobilien oder Aktien genauso passieren. Es legitim, Kunst als Wert zu sehen kommen, weil man auch viel Geld dafür ausgibt. Es geht nicht nur darum, etwas Schönes an der Wand zu haben, sondern auch darum die Werte zu erhalten. Man muss nur vorsichtig sein, und sich gut beraten lassen.“
Manfred P. Herrmann, in: KUNST Magazin Sammlergespräche, geführt von Jan Kage, 4. November 2010
Dazu stehe ich noch heute …
Vielen Dank, Herr Herrmann.
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