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TROPEZ zeigt die Gruppenausstellung “…” im Sommerbad Humboldthain | bis 04.09.2022

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Am 7. Juli eröffnete TROPEZ, ein Raum für Kunst im Freibad Sommerbad Humboldthain, die Gruppenausstellung „…“. Die Ausstellung zeigt sieben Werke von Ana Alenso, Grit Burmeister & Franzi Kleinert, Samira Hodaei, Lungiswa Gqunta, Isa Melsheimer, Nadim Vardag und Shira Wachsmann, die im Außenbereich des Kunstraums und des Kiosks installiert werden. Die Außenskulpturen und (Video-)Installationen übersetzen die Auswirkungen unterschiedlicher Krisen in greifbare Bilder und thematisieren die Sprachlosigkeit in Anbetracht des aktuellen Weltgeschehens. Der Titel „…“ verweist auf die drei Punkte, die bei Messengerdiensten erscheinen, während die andere Person schreibt und man auf deren Antwort wartet. Was könnten wir antworten?

Abb. oben: TROPEZ © Ink Agop

Auf der Terrasse vor dem Schwimmbecken steht eine Installation aus fertigen Objekten von Ana Alenso. residual dreams umfasst eine Kombination aus urbanen, organischen und klanglichen Elementen. Ausgehend von einem Abwasserrohr hinterfragt das Werk deren unsichtbare Präsenz in unserem Alltag in der Stadt. Was verrät uns das Objekt über seine Herkunft und Verwendung? In einem Rohr sprudelt ein kleiner Brunnen, ein Lautsprecher gibt Wassergeräusche wieder. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten greift die Spannung zwischen der industriellen und natürlichen Umgebung des TROPEZ auf. Alenso verweist in ihrer künstlerischen Praxis auf zyklische, anthropozentrische und selbstzerstörerische Aspekte in unserer Beziehung zur Natur.

DEEDS NEWS - courtesy of TROPEZ - Ana Alenso - residual dreams - (c) Ink Agop
Ana Alenso, residual dreams © Ink Agop

Für die Fahnen vor dem TROPEZ haben Grit Burmeister und Franzi Kleinert ihre Perspektive auf das Sommerbad abgebildet. Schwimmbad heißt Liebe, sagte Grit Burmeister, als sie von dem TROPEZ-Vorhaben hörte. Sie setzte ihre unverwechselbaren Menschenbilder mit Ölkreide auf die flächendeckenden Buntstift-Gewebe von Franzi Kleinert. Wesen wie aus einer anderen Welt schauen uns mit großen Augen an und die Münder weit aufgerissen zeigen sie die Zähne. Die Zähne zu zeigen heißt für Burmeister, sich zu wehren, gegen Ausgrenzung und Unverständnis. Mit Farbfeldern und Buchstaben verweisen Kleinerts Zeichnungen auf den Sommer.

DEEDS NEWS - courtesy of TROPEZ - Grit Burmeister und Franzi Kleinert - Schwimmbad heißt Liebe - (c) Ink Agop
Grit Burmeister und Franzi Kleinert, Schwimmbad heißt Liebe © Ink Agop

Hinter einem der Fenster am Kiosk läuft das Video Feet under Fire. Es zeigt Lungiswa Gquntas Unterschenkel, die in den Rahmen hinein- und herausschwingen und Scheuerbürsten als Schuhe tragen. Das Video wird von Stimmen begleitet, die den Kinderreim Umzi Watsha singen, der aus isiXhosa übersetzt Das Haus brennt bedeutet. Fasziniert von den knienden, schrubbenden Handlungen auf den Fußböden zeigt Gqunta die Oberflächlichkeit der Stadtentwicklung auf, die sich in der kosmetischen „Verbesserung“ der Townships von Port Elizabeth zeigt. Im Film ruft eine Stimme: Sieh dort nach, dort brennt es, schütte Wasser! Eine Überlebensanweisung für diejenigen, die in der Enge der Siedlungen Südafrikas leben: Brände, ausgelöst durch offene Kochstellen und Petroleumöfen, müssen vereint gelöscht werden und schweißen so die Gemeinschaft zusammen. Das Element des Feuers nutzt Gqunta als Metapher für Veränderungen. Gqunta sagt: Unser Haus, wie unser ganzes Land, steht in Flammen und wer soll das Feuer löschen? Wir müssen uns zusammenschließen, um es zu löschen, als Schwarze Menschen. Nicht nur als Südafrikaner:innen, sondern auf dem ganzen Kontinent.

DEEDS NEWS - courtesy of TROPEZ - Lungiswa Gqunta - Feet under Fire - (c) Ink Agop
Lungiswa Gqunta, Feet under Fire, still © Ink Agop

An einem Baum auf der Grünfläche des Sommerbades findet sich eine Installation von Samira Hodaei. Das Tischtuch (sofreh oder sufra) gilt im Iran als heiliger Gegenstand; liebevoll gewebt in leuchtenden, warmen Farben und versehen mit Symbolen von Segen und Hoffnung. Tischtücher wurden auf den Boden gelegt, um für Regen zu beten. Seit der Entdeckung des Erdöls aus den Tiefen der Erde wird viel über das Öl diskutiert: Segen oder Fluch? An empty tablecloth wurde aus leeren Reissäcken zusammengenäht und mit Teer bemalt, der mit Misbaha-Perlen und Kalamkari-Holzdrucken gestaltet wurde. Die Schichten symbolisieren, wie mühsam sich das Öl in das tägliche Leben und die Esstische der Menschen integriert hat.

DEEDS NEWS - courtesyof TROPEZ - Samira Hodaei - an empty tablecloth - (c) Ink Agop
Samira Hodaei, an empty tablecloth © Ink Agop

Neben dem TROPEZ verschimmelt und gedeiht es: Isa Melsheimer hat drei Glaskästen mit Lebensmitteln aus dem Kiosk befüllt. Die sogenannten Wardschen Kästen, erfunden von Nathaniel Ward in den 1830er Jahren, sind luftdicht abgeschlossene Systeme. Mit dieser Methode konnten Pflanzen selbst über weite Seestrecken hinweg transportabel gemacht und die Kolonialmächte in ihrer Pflanzenjagd bereichert werden. Die Kästen brauchen nur Licht – das Wasser kann nicht verdunsten und Sauerstoff gibt es, wenn es grünt, durch Photosynthese. Bei der Kompostierung entstehen Mineralstoffe, die als Dünger wirken. Die Podeste greifen die Beschaffenheit der Schwimmbadarchitektur auf und fügen sich so in ihre Umgebung ein. Melsheimer schlägt mit ihrer Arbeit eine Neukalibrierung menschlicher Beziehungen zur Umwelt vor.

DEEDS NEWS - courtesy of Tropez - Isa Melsheimer - Wardscher Kasten - (c) Ink Agop
Isa Melsheimer, Wardscher Kasten © Ink Agop

Links und rechts der Kioskfenster sind zwei Kunstwerke von Nadim Vardag installiert. Bei seinen Kaltnadelradierungen, wie jene in dem Schaukasten, konzentriert Vardag sich auf die Motive des Knoten oder des Gewebes. Die Technik der Radierung dient Vardag als Mittel einer Bildsprache, die sich mit den (Bild- und Welt-) ordnenden Funktionen von Rastern und Strukturen beschäftigt. Vardag vertieft mit diesen Arbeiten seine Auseinandersetzung damit, wie wir sehen, dem Sichtbaren und dessen Repräsentation. Dem gegenüber findet sich ein leerer Klapprahmen, der normalerweise für Werbezwecke verwendet wird. Der Rahmen scheint als Platzhalter für etwas anderes zu fungieren, ist aber vor allem ein Zeichen für unseren ständigen Wunsch nach mehr.

DEEDS NEWS - courtesy of TROPEZ - Nadim Vardag - Untitled - (c) Ink Agop
Nadim Vardag, Untitled © Ink Agop

Von den Fenstern des TROPEZ grinst ein Kunstwerk von Shira Wachsmann die Besuchenden an. Das Lächeln verweist auf die Grinsekatze (Cheshire Cat) aus der Erzählung Alice im Wunderland. Es ist als Zeichen des Wahnsinns in der Landschaft zu verstehen. Zugleich ist es eine Art Wegweiser, wobei nicht ganz deutlich ist, ob es wirklich den Weg weist oder vor einer bestimmten Richtung warnt. Der Ausgangspunkt des Lächelns wird das TROPEZ sein, aber im Laufe der Zeit soll es von den Ausstellungsbesucher:innen durch Sticker über die Stadtlandschaft verteilt werden. Wachsmann beschäftigt sich mit Trauma und der Art und Weise, wie es sich manifestiert, die Landschaft beeinflusst und (neu) gestaltet.

WANN?

Ausstellungsdaten: Donnerstag, 7. Juli bis Sonntag, 4. September 2022

Öffnungzeiten: Mo – So 10 -18 Uhr

WO?

TROPEZ im Sommerbad Humboldthain
Wiesenstrasse 1
13357 Berlin-Wedding

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