Die gesundheitlichen, sozialen und emotionalen Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche aufzufangen, ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Die Stiftung Reinbeckhallen nimmt dies zum Anlass, in diesem Herbst eine Ausstellung zu eröffnen, die sich in erster Linie an Kinder und Jugendliche richtet. Unter dem programmatischen Titel a touch of playfulness bietet sie Kindern und Jugendlichen ein abwechslungsreiches Kunsterlebnis und ermöglicht allen Besucher*innen einen spielerischen Zu- und Umgang mit Gegenwartskunst.
Abb. oben: Clemens Tremmel, Foroyar, 2018 © Clemens Tremmel, mit freundlicher Genehmigung durch REITER Galerie
Die Pandemie der letzten drei Jahre war für die Menschen weltweit mit großen Herausforderungen und Entbehrungen verbunden. Mit am meisten unter der Situation gelitten haben Kinder und heranwachsende Jugendliche, die gleichzeitig wohl über die geringste Lobby für ihre Interessen verfügten. Ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt.
Der Untertitel der Ausstellung greift dies im übertragenen Sinne auf, vertauscht die Rollen und Verantwortungen innerhalb der Familie und räumt jungen Menschen einen neuen Stellenwert ein.
a touch of playfulness zeigt Filme, Installationen, Mixed-Media-Arbeiten, Gemälde, Fotografien, Videoprojektionen und Skulpturen von einundzwanzig Künstlerinnen aus dem In- und Ausland. Die zwischen Ende der 1970er und Anfang der 2020er Jahre entstandenen Werke geben Einblick in die Sammlungen der Stiftung Reinbeckhallen und ihres Gründers Sven Herrmann. Thematisch gruppiert, regen die Kunstwerke dazu an, darüber nachzudenken, wie wir die Welt um uns herum sehen und wie wir uns mit ihr auseinandersetzen. Gleichzeitig entdecken wir auch, wie diese Künstlerinnen sich ähnlichen Konzepten wie Perspektive, Zeit, Materialität, Identität und Technik auf unterschiedliche, aber spielerische Weise medien- und kontinentübergreifend zuwenden.
Die Werke der Ausstellung werden an verschiedenen Modulen präsentiert, deren geometrische Formen an Teile eines Tangrams erinnern, eines Legespiels, das vor 2.500 Jahren in China entstand. Die Legende besagt, dass einst ein Mönch seinem Schüler den Auftrag erteilte, auf Reisen zu gehen und die vielfältige Schönheit der Welt auf eine einzige Keramiktafel zu malen. Bei seiner Rückkehr fiel die Tafel zu Boden und zerbrach in sieben Teile. Der Schüler versuchte tagelang erfolglos, die Tafel wieder zu einem Viereck zusammenzulegen. Schließlich verstand er, dass er die Schönheit und Vielfalt der Welt auch in den unendlich vielen Formen, Bildern und Muster aus den sieben Teilen seiner zerbrochenen Keramiktafel entdecken konnte, wenn er die Teile immer wieder anders zusammenfügt.
Die Ausstellungsmodule in a touch of playfulness greifen diesen Grundgedanken auf. Während im Spiel eine Vielzahl an Bildern und Figuren entstehen können, ermuntert die vom Tangram inspirierte Ausstellungsarchitektur dazu, sich frei durch den Ausstellungsraum zu bewegen und die Kunst aus vielfältigen Blickwinkeln und Perspektiven zu betrachten. Für Kinder und Jugendliche bieten wir am Eingang einen Erkundungsbogen an, der auf unterhaltsame Weise zu sieben ausgewählten Kunstwerken führt und dazu inspiriert, selbst kreativ zu werden. Ziel ist es, die Formen eines Tangrams zu sammeln, mit denen der Ausstellungsbesuch wiederum in einem Spiel mündet.
Künstler*innen der Ausstellung
Fides Becker, Fischli & Weiss, Peter Funch, Miklos Gaál, Isca Greenfield-Sanders, Sam Grigorian, Sigalit Landau, Martin Liebscher, Niko Luoma, Rei Naito, Sebastian Neeb, Marilène Oliver, Jyrki Parantainen, Dan Perjovschi, Charles Sandison, Yoshihiro Suda, Clemens Tremmel, Santeri Tuori, Raissa Venables und Zhao Zhao
Programm für die ganze Familie
Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind herzlich eingeladen, die spielerische Herangehensweise an die Ausstellung als Impuls aufzugreifen und eigene Sichtweisen und Gedanken mit bildnerischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. Die begleitenden Angebote sollen dazu anregen, einer komplexen Umwelt mit Improvisation, Imagination und Inspiration zu begegnen, über gesellschaftlich relevante Themen nachzudenken und eigene Visionen zu entwickeln. Die Ergebnisse einiger Workshops werden als bildnerische Kommentare in der Ausstellung präsentiert.
Workshops für Kinder und Jugendliche
Muster auf dem Straßengrund
Nach einem Besuch von a touch of playfulness experimentieren die Kinder, wie die Künstlerinnen der Ausstellung mit verschiedenen Materialien und künstlerischen Techniken. Mit der mobilen Druckwerkstatt begeben sich die Teilnehmerinnen in den urbanen Raum um die Reinbeckhallen und lassen Muster und verborgene Strukturen auf dem Straßengrund sichtbar werden. Die Ergebnisse werden in der Ausstellung präsentiert. Die Workshops finden im Rahmen des KinderKulturMonats unter Anleitung von Ulrike Koloska, Leiterin der Werkstatt Neue Drucke und weiteren in Berlin lebenden Künstleri*nnen statt.
Sa. | 07. und 14.10.2023 | jeweils 10-15 Uhr | für Kinder im Alter von 9-12 Jahren | kostenfrei
Papierwelten
Im Workshop des armenischen Künstlers Sam Grigorian können Teilnehmerinnen ausgehend von seinen in der Ausstellung gezeigten Werken der Serie City eigene Vorstellungen einer Stadt im Projektraum der Stiftung Reinbeckhallen mit Papieren und Farben entwickeln. Gemeinsam mit Grigorian experimentieren sie mit verschiedenen Techniken des Collagierens, Décollagierens und Übermalens und fertigen gemeinsam mit ihm eine große Wandarbeit an.
Sa. | 30.09.2023 | 15-17 Uhr | für Kinder und Jugendliche im Alter von 9-15 Jahren | 15 EUR
Kunst-Spiel: Manifeste!
In einem fünftägigen Intensiv-Workshop werden die Schüler*innen einer 5. Klasse der Grundschule an der Alten Feuerwache im Dialog mit den Ausstellungsobjekten eigene künstlerische Positionen erarbeiten. Sie werden Themen aus ihrer eigenen Lebenswirklichkeit und Gedanken zu gesellschaftlichen IST-Zuständen diskutieren und nach Schnittmengen in der Ausstellung suchen. Es entstehen Texte, erfundene Titel und zeichnerische Skizzen, die als Kommentare in Form von Text Bild-Kompositionen in einer selbst kuratierten Präsentation in den Ausstellungsraum zurückwirken. Das Schulprojekt wird von Ulrike Koloska, Leiterin der Werkstatt Neue Drucke und der in Berlin lebenden Künstlerin Angelika Ludwig durchgeführt.
Oktober 2023 | kostenfrei
Workshop für Erwachsene
Dé/collage
Das Werk des armenischen Künstlers Sam Grigorian umfasst ein breites Spektrum an Papier- arbeiten, Collagen und Décollagen. In ihnen zeigt sich nicht nur sein Interesse an den subtilen Prozessen der Schichtung und des Abriebs sowie die besondere Beziehung, die er zum Medium Papier pflegt, sondern auch sein charakteristisches Formenrepertoire an geometrischen Ordnungsprinzipien und die Farbigkeit seiner Werke. Nachdem Grigorian kurz in seine künstlerische Arbeit einführt, werden die Teilnehmer*innen im Projektraum der Stiftung Reinbeckhallen selbst mit Papieren und Farben experimentieren. Gemeinsam entsteht ein großformatiges Wandbild auf einem vom Künstler selbst bearbeiteten speziellen Papier. Für die verschiedenen Techniken des (Dé-)Collagierens und Übermalens stehen Materialien und Werkzeuge aus seinem Atelier zur Verfügung.
Sa., So. | 28. und 29.10.2023 | jeweils von 15-17 Uhr | 20 EUR
Screenings
Reversed Manifesto
Der britische Künstler Charles Sandison ist bekannt für die Projektion seiner Werke auf Galeriewände und Gebäude. Mit Hilfe eines genetischen Algorithmus, der sich langsam in das Manifest der Kommunistischen Partei von Marx und Engels hineinfrisst, schuf Sandison 2006 Reversed Manifesto. Diese Ein-Kanal Videoprojektion wird als Teil der Ausstellung a touch of playfulness mehrmals in den Reinbeckhallen gezeigt.
Freitags | 6.10.-17.11.2023 | jeweils 18-20 Uhr
Lounge der Ausstellungshalle | Zutritt mit Ausstellungsticket
Führungen
Deutsch
Mit Derya Reinalda, Kulturwissenschaftlerin
So., 8.10. | 22.10. | 12.11.2023 | jeweils 15 Uhr
Türkisch
Mit Derya Reinalda, Kulturwissenschaftlerin
So., 15.10. | 29.10.2023 | jeweils 15 Uhr
Englisch
Mit Dr. Candice M. Hamelin, Kuratorin und Künstlerische Leitung
Fr., 22.09. | 06.10. | 17.11.2023 | jeweils 18 Uhr
Individuelle Gruppenführungen sind auf Anfrage und nach Vereinbarung buchbar.
Infos zum Programm der Ausstellung finden Sie auf unserer Website unter https://stiftung-reinbeckhallen.de/programm/programm-zur-ausstellung/
WO?
Stiftung Reinbeckhallen Sammlung für Gegenwartskunst
Reinbeckstr. 11
12459 Berlin-Oberschöneweide
WANN?
Freitag, 8. September bis Sonntag, 19. November 2023
Öffnungszeiten Stiftung Reinbeckhallen:
Do–Fr | 16–20 Uhr, Sa–So & Feiertags | 11–20 Uhr
KOSTET?
9 Euro, ermäßigt 4 Euro