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Samstag, Mai 18, 2024

(Un)seen Stories. Suchen, Sehen, Sichtbarmachen – Kulturforum, Kupferstichkabinett | 31.05.–25.08.2024

Editors’ Choice

In den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin befinden sich unzählige Objekte, die überraschende, verborgene Geschichten und Provenienzen haben. Im Zentrum der Ausstellung „(Un)seen Stories: Suchen, Sehen, Sichtbarmachen“ stehen diese Geschichten und die Methoden, die Museumsmacher*innen nutzen, um sie zu erforschen und zu erzählen. In der sammlungsübergreifenden Sonderausstellung stellen 26 Volontärinnen aus 20 Sammlungen und Instituten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mehr als 70 außergewöhnliche und wenig gezeigte Objekte und Objektgeschichten vor.

Abb oben: Röntgenaufnahme des Gemäldes “Dame auf dem Sofa” von Fritz Rhein, ca. 1905, © Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Andres Kilger.

Museen sind keine neutralen Orte. Sie sind subjektive Räume, die insbesondere in Kontexten von Nationalismus und Kolonialismus kritisch hinterfragt werden. Neue Perspektiven und Blickwinkel werden einbezogen, Emotionen zugelassen und diskutiert. Dies spiegelt sich zunehmend auch in Ausstellungsarchitektur, Präsentation, Wegeführung oder in Vermittlungskonzepten wider. Museen sind nicht mehr bloße repräsentative Orte – sie sind vielstimmige Akteur*innen eines sozialen Wandels.

Für die Ausstellung haben die jungen Kurator*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen Objekte ausgewählt, die sie persönlich berührt haben und deren verborgene, oftmals spannende, unerhörte oder gar tragische Geschichten sie nun sichtbar machen. Besucher*innen sind eingeladen, die Ausstellungsobjekte selbständig aus neuen Perspektiven zu entdecken, eigene emotionale Bindungen, Meinungen und Haltungen zu entwickeln. Feedback-Stationen und digitale Austauschformate geben Möglichkeit, mit den Ausstellungsmacher*innen in Dialog zu treten.

Hirte auf einer Schalmei spielend, mit Schafherde
Abb oben: Abzug von “Hirte auf einer Blaterpfeife spielend, mit Schafherde”, um 1510-1515, von Benedetto Montagna, ausgekreuzt, © Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Volker-H. Schneider

Ob ein 30kg-schwerer Reformationsteppich, ein gefälschter van Gogh oder demontierte Fassadenelemente des Palasts der Republik: Was auf den ersten Blick nichts gemeinsam hat, ermöglicht durch neue Perspektiven, Technologien, Provenienzforschung und kulturellen Wandel die Entdeckung emotionaler, überraschender und spannender Erzählungen. Die Ausstellung bietet dazu vier mögliche Ansätze an, sich dem Gezeigten anzunähern: Sichtbare Spuren am Objekt, Materialuntersuchungen und Restaurierungen, historisch-kultureller Wertewandel und Provenienzforschung.

Das Sichtbare ist Ausgangspunkt einer jeden Auseinandersetzung mit einem Objekt: Welche Informationen lassen sich am Erscheinungsbild ablesen? So kann eine ungeöffnete Papyri-Fundkiste des Ägyptischen Museums von der Elephantine-Insel aus dem Jahr 1907 viele Informationen über Fundort und archäologische Praktiken einer Zeit geben, in der die enthaltenden Papyri noch nicht entziffert werden konnten. Erst jetzt, über 100 Jahre nach ihrer Befüllung, wird der Inhalt dieser Fundkiste ausgewertet. Die Kiste ist nun selbst ein historisches Artefakt, an dem sich die lange Odyssee der Papyri nachvollziehen lässt.

Materialuntersuchungen und Restaurierungspraktiken helfen Zustand, Struktur und Herstellungstechniken von Objekten besser zu verstehen. Die Restaurierung des Bildes „Dame mit Kind“ (1910) des SecessionsKünstlers Fritz Rhein aus der Alten Nationalgalerie etwa förderte nicht nur ein völlig unbekanntes Werk hinter der Leinwand zutage: die „Dame auf dem Sofa“ (ca. 1905). In Röntgenuntersuchungen des neu entdeckten Bildes wurde zudem deutlich, dass hier noch eine dritte, geheimnisvolle Komposition übermalt wurde.

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Abb oben: Gefälschter Holzdruckstock mit herausnehmbaren Initialen A.D. Albrecht Dürers, 1519, von Hans Weiditz (Entwurf) und Hiernonymus Andreae (Holzschneider), © Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin/ Dietmar Katz

Kunstwerke, Artefakte und Gegenstände erfahren in ihrer Geschichte oftmals einen komplexen Wertewandel. Ihre Rolle und kulturelle Bedeutung kann sich vollständig ändern. So wurde ein Grafton-Saxophon aus der Sammlung des Musikinstrumenten-Museums in den 1950 erJahren wegen seiner Acrylkonstruktion noch als billig und geschmacklos verspottet.
Erst später wurde es zu einem begehrten Sammlerstück, das auch Jazzgrößen wie Charlie Parker und Ornette Coleman bei Aufnahmen nutzten.

Die Untersuchung der Herkunft von Sammlungsobjekten beinhaltet in den meisten Fällen umfangreiche Provenienzforschung. Besonders im Kontext ethnologischer Objekte sind Erzählungen und Zeug*innenaussagen im Kontakt mit den Herkunftsgesellschaften essen- tiell. So erzählen die Kurato*rinnen die Geschichte einer Mapuche-Gewandnadel aus dem Ethnologischen Museum, die im Zuge der Verdrängung der Mapuche in Chile im 19. Jahrhundert nach Berlin kam, neu – aus der Perspektive der Nachfahren dieser Communities und deren Beziehung zum Objekt.

DEEDS.NEWS - Staatliche Museen zu Berlin - Franz Scarciglia
Abb oben:Reformationsteppich, 1667, © Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen /
Ute Franz-Scarciglia

WANN?

Ausstellungszeit: Freitag 31. Mai – Sonntag 25. August 2024

Eröffnung: Donnerstag, 30. Mai 2024, 19 Uhr

WO?

Kulturforum, Kupferstichkabinett
Matthäikirchplatz
10785 Berlin

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