SchlagLicht, die zweite Ausstellung, die 2023 in der Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank gezeigt wird, eröffnet im Rahmen der Berlin Art Week und entstand in Zusammenarbeit mit der Kunststiftung DZ BANK. Malerei, Skulptur und Grafik aus der Kunstsammlung der Berliner Volksbank treten hier in einen Dialog mit fotografischen Kunstwerken aus der Sammlung der DZ BANK.
Abb. oben: Loredana Nemes, Beker, Neukölln, 2009/2012, aus der Serie: beyond, Silbergelatine-Abzug auf Barytpapier, 56 x 50,2 cm, Kunststiftung DZ BANK, © Loredana Nemes
Die Zusammenstellung veranschaulicht, wie Künstler:innen die unterschiedlichen Gattungen kombinieren und durch den offenen, experimentellen Umgang mit Material zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen finden. In den Themenfeldern Portrait, Körper und Figur, Stadtbild und Abstraktion nimmt die Ausstellung verschiedene Facetten des Menschseins in den Blick und lädt dazu ein, etablierte Denkstrukturen zu durchbrechen, um zu neuen Sichtweisen zu gelangen. Dabei spielen die jeweiligen Schwerpunkte der beiden Kunstsammlungen eine entscheidende Rolle: Die 1985 gegründete Kunstsammlung der Berliner Volksbank stand von Anfang an unter dem Motto „Bilder vom Menschen“ und konzentriert sich heute vorwiegend auf figürliche Kunst der 1980er und 1990er Jahre aus Berlin und Ostdeutschland. Ihre rund 1.500 Werke von rund 160 Künstler:innen – Gemälde, Skulpturen, Arbeiten auf Papier und Druckgrafiken – beleuchten eine entscheidende Phase des Auf- und Umbruchs in der deutsch-deutschen Geschichte. Die in der amerikanischen Konzeptkunst fußende, über 10.000 Werke von nahezu 1.100 internationalen Künstler:innen umfassende Sammlung der DZ BANK fokussiert insbesondere fotografische Ausdrucksformen. Sie versteht sich als Spiegel der fotografischen Kunstproduktion nach 1945 und feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Aus diesen beiden prägnanten Profilen ergibt sich in der Ausstellung ein inspirierendes Spannungsfeld, in dem Fragen unserer Gegenwart ins SchlagLicht geraten.
So regen beispielsweise die beiden Titelwerke von Loredana Nemes und Clemens Gröszer sowie die Arbeiten von Andrzej Steinbach nicht nur zu einer kritischen Befragung des Genres Portrait an. Sie laden auch dazu ein, sich automatisierte, zuweilen unbewusste Mechanismen bewusst zu machen, die unsere soziale Interaktion prägen.
Um die Bedingungen des Menschseins geht es in den Arbeiten von Horst Antes, René Graetz, Sven Johne, Via Lewandowsky und Lilly Lulay. Sie untersuchen, wie der Mensch innerhalb vielschichtiger gesellschaftlicher Gefüge zu seinem Selbst findet, wie er sich also trotz bestehender politischer, sozialer und persönlicher Einschränkungen und Voraussetzungen als Individuum definieren kann. Arbeiten wie jene von Wolfgang Tillmans, Rainer Fetting, Nan Goldin, Angela Hampel und VALIE EXPORT/Peter Weibel bringen festgeschriebene Rollenbilder zum Wanken, artikulieren (queeres) Selbstverständnis und fordern Sichtbarkeit ein, wo zuvor keine solche gegeben war.
Im zweiten Teil der Ausstellung, die im ersten Obergeschoss zu sehen ist, steht die vom Menschen geschaffene urbane Umgebung im Fokus. Hier resonieren Frank Darius’ malerisch anmutende Fotografien mit Silke Miches Malerei, die auf den ersten Blick auch eine digital bearbeitete Fotografie sein könnte – sie beide richten das Augenmerk auf alltägliche Aspekte unserer Lebenswelt und unterziehen die urbane Landschaft einer ästhetischen Prüfung. Der Mensch und seine Bewegung innerhalb eines von ihm geschaffenen Umfelds ist auch der Schwerpunkt in Beate Gütschows digital erstellten „dreidimensionalen Fotografien“, wie sie ihre Arbeiten nennt, sowie in Wolfgang Lebers Gemälde, in dem sich eine Figur inmitten architektonisch angeordneter Formen abzeichnet. Und obschon Konrad Knebels graue Häuserfronten oder Michael Schmidts dokumentarische Berlin Stadtbilder menschenleere Stadtlandschaften zeigen, findet sich auch hier die subtile Auseinandersetzung des Verhältnisses zwischen Mensch und Stadt wieder. Stefanie Seuferts aus Fotogrammen gefalteten Towers nehmen Bezug auf Ideen der ungegenständlichen Malerei, wie sie beispielsweise auf der Leinwand Reinhardt Grimms umgesetzt sind, und übersetzen dabei das fotografische Material in die dritte Dimension.
Der begleitende Katalog enthält zahlreiche Werkabbildungen sowie Essays, die sich den unterschiedlichen Themen der Ausstellung widmen.
Die Ausstellung zeigt 90 Arbeiten von 39 Künstler:innen: Horst Antes (* 1936), Alexandra Baumgartner, Manfred Butzmann (* 1942), Frank Darius (* 1963), Christa Dichgans (1940-2018), Rainer Fetting (* 1949), Arno Fischer (1927-2011), Günther Förg (1952-2013), Nan Goldin (* 1953), René Graetz (1908-1974), Reinhardt Grimm (* 1958), Clemens Gröszer (1951-2014), Beate Gütschow (* 1970), Richard Hamilton (1922-2011), Angela Hampel (* 1956), Richard Heß (1937-2017), Sven Johne (* 1976), Veronika Kellndorfer (* 1962), Konrad Knebel (* 1932), Hans Laabs (1915-2004), Wolfgang Leber (* 1936), Via Lewandowsky (* 1963), Rolf Lindemann (1933-2017), Lilly Lulay (* 1985), Silke Miche (* 1970), Herta Müller (* 1955), Loredana Nemes (* 1972), Christina Renker (* 1941), Adrian Sauer (* 1976), Michael Schmidt (1945-2014), Stefanie Seufert (* 1969), Hans Martin Sewcz (* 1955), Maria Sewcz (* 1960), Andrzej Steinbach (* 1983), Christian Thoelke (* 1973), Wolfgang Tillmans (* 1968), Ulay (1943-2020), VALIE EXPORT (* 1940) und Peter Weibel (1944-2023).
WO?
Stiftung Kunstforum Berliner Volksbank
Kaiserdamm 105
14057 Berlin
WANN?
13. September bis 10. Dezember 2023
Dienstag bis Sonntag 10 – 18 Uhr, montags geschlossen
KOSTET? 5 Euro, ermäßigt 3 Euro Kinder, Jugendliche bis 18 Jahre Eintritt frei