Im Felleshus der Nordischen Botschaften in Berlin wurde gestern die Ausstellung Parallel Dimensions I/II eröffnet, eine Erforschung von Zeit, Raum und Wahrnehmung. In der Ausstellung stehen Künstler:innen aus Island im Mittelpunkt, die die Grenzen von Kunst, Technik und Wissenschaft verschieben und überwinden.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts finden Technologie, Programmierung und neue Medien Eingang in künstlerische Werke. Wissenschaft und technologischer Fortschritt sind seit langem Teil der Arbeit und des Umfelds von Kunstschaffenden, die sich damit auf unterschiedliche Weise auseinandersetzen. Durch Rationalismus, Wissenschaft und neue Ästhetik stellt die moderne Technologie in der Kunst unsere Wahrnehmung und unser Verständnis der Welt, in der wir leben, in Frage und entwickelt eine neue Vision. Die Themen, mit denen sich die Künstler:innen dieser Ausstellung beschäftigen, sind vielfältig, aber alle versuchen, andere Welten und Dimensionen zu beleuchten oder neue Fragen zu stellen.
„Unsere Zukunft wird durch die Fähigkeit zur Innovation bestimmt. Oft sind es die Künstler, die den Wandel erkennen und zur Stimme des Neuen werden. Sie sind Mahner, Pioniere und Visionäre. Sie verschieben Grenzen und stellen neue Fragen. Genau wie die isländischen Künstler:innen in der Ausstellung Parallel Dimensions.“
María Erla Marelsdótti, Botschaftlerin
MARÍA DALBERG
UNCONTAINABLE TRUTH
Die Videoinstallation Uncontainable Truth (2021) von María Dalberg untersucht das Schicksal von fünf unverheirateten isländischen Frauen, die im 16. bis 19. Jahrhundert lebten und im Sinne von Dulsmál als Angeklagte galten. Diese Frauen verrichteten Schwerstarbeit und lebten meist in einem unfreiwilligen Zölibat. Dulsmál waren Kriminalfälle, bei denen eine Frau ihre Schwangerschaft und die Geburt ihres Kindes verheimlichte und das Neugeborene durch Fahrlässigkeit oder das Aussetzen in der Natur
sterben ließ. Dalberg arbeitet mit verkörperter Geschichte, um die verloren gegangenen Stimmen von Frauen hörbar zu machen.
Dazu die Künstlerin María Dalberg: „Der Film Uncontainable Truth dreht sich um die Schnittmenge von Musik und Sprache. Ich schreibe und performe Klangpoesie, und im Film konzentriere ich mich auch auf sich wiederholende und rhythmische Körperbewegungen. Der Film untersucht das Schicksal isländischer Arbeiterinnen des 16. bis 19. Jahrhunderts, die subalternen Klassen von Analphabeten und Landlosen angehörten, die an das Land gebunden waren. Der Film basiert auf 5 Zeugenaussagen weiblicher Angeklagter und zielt darauf ab, ihnen ihre Stimmen zurückzugeben, die ihnen konsequent verweigert wurden. Der Film bringt ihre Namen durch gesprochene Geschichten ans Licht, die in alten Manuskripten und anderen zeitgenössischen Quellen aufgezeichnet wurden.“
RAGNAR KJARTANSSON
FIGURES IN LANDSCAPE
Figuren in weißen Laborkitteln durchstreifen eine von Menschenhand geschaffene Landschaft, halten inne und schlagen die Zeit tot. Sie erscheinen uns als Vertreter:innen von Logik, Wissenschaft und menschlichem Fortschritt. In Figures in Landscape zelebriert Ragnar Kjartansson den humanistischen Geist als ein Kind seiner Zeit, mit einem Hauch von Ironie und unter vollem Einsatz des technologischen Fortschritts, der diese enorme Videoarbeit möglich macht. Das Werk besteht aus sieben verschiedenen Szenen mit einer Länge von jeweils 24 Stunden. Somit braucht man eine ganze Woche, um sich das
Gesamtwerk anzusehen.
Ragnar Kjartansson erläutert weiter: „Es gibt keine Erzählung, nichts passiert, nur die Bewegung von Menschen in weißen Laborkitteln, die in der Landschaft herumlaufen. Figures in Landscape ist eine Hommage an heroische Wandmalereien von Wissenschaft und Wohlstand mit einem modernen, nihilistischen Twist.“
HRAFNKELL SIGURÐSSON
RESOLUTION
Hrafnkell Sigurðsson erläutert seine Arbeit so: “Den Ausgangspunkt dieses Werks bildete eine äußerst vage Idee, eher ein Gefühl, undurchschaubar, dunkel und tief. Diese vage Vorstellung hatte mit einer leeren Oberfläche zu tun, einer Art Druck. Was versteckte sich in den Tiefen dieser Leere? Ich beschloss, einen Teil oder ein Pixel eines Fotos des Himmels zu vergrößern. Es war einfach, dies weiterzuführen und ich vergrößerte einen Teil eines Fotos, das mit dem Hubble-Teleskop in den Tiefen des Weltraums aufgenommen worden war, ein bekanntes Foto von Galaxien, wie sie vor einigen Millionen Jahren aussahen. Ein uraltes Licht, das Licht hinter den Farben und Mustern. Ich habe dort weitergemacht, wo das Hubble-Weltraumteleskop aufhört. In Fotografien, die so weit wie möglich bis an den Rand des Weltraums aufgenommen wurden, habe ich Pixel aus den dunklen Bereichen zwischen den im Bild sichtbaren Galaxien ausgewählt und eine Fortsetzung der in den Daten enthaltenen Bildinformationen improvisiert.“
Kuratiert wird die Ausstellung von Ásdís Spanó. Sie sieht die erweiterten Möglichkeiten des künstlerischen Arbeitens und zum Erkunden des kreativen Raums vor allem in der Entwicklung der Technologie. “Ein roter Faden unter den gezeigten Arbeiten ist das Experimentieren mit Zeit, Raum, Wahrnehmung und Material sowie ein disziplinübergreifender Ansatz und ein Verständnis von Strukturen und Systemen, die entfernten Domänen angehören.”
WANN?
Donnerstag, 10. Februar (Eröffnungstag) – Sonntag, 27. März 2022
Mo bis Fr 13:00 – 19:00 Uhr
Sa, So + Feiertage 11:00 – 16:00 Uhr
WO?
Felleshus – Nordische Botschaften in Berlin, Rauchstraße 1, 10787 Berlin-Tiergarten
KOSTET?
Eintritt frei und ohne Anmeldung
Für die Ausstellung im Felleshus gilt die 2G-Regel
Führungen durch die Ausstellung
15. Februar – 25. März 2022: dienstags und freitags, jeweils 10, 11, 13, 14 Uhr
sowie Samstag, 19. Februar 2022, 13 Uhr
Eintritt frei, Anmeldung über Eventbrite
Es gilt 2G-plus
Im März findet zudem begleitend ein Filmprogramm statt.
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